"How to build a wheel chair." Brick Queen, Youtube-Star und Königin der Steine, erklärt in einem Tutorial-Video, wie sie aus Lego-Kleinstteilen einen Rollstuhl baut, denn der wurde bisher von Lego selbst nicht angeboten. Doch seit Kurzem ist die Wirklichkeit der Lego-Welt noch wirklicher geworden – und macht ebenfalls auf Youtube die Runde: (Ausschnitt Youtube) "Das ist eines der Set-Teile, die durch die Medien gegangen sind: Nämlich ein Junge, der in einem Rollstuhl sitzt."
Und zwar nicht im Krankenhaus-, sondern im City-Set. Der Junge, das wird also suggeriert, sitzt dauerhaft im Rollstuhl. Überrascht diese Erweiterung der Produktpalette? Sascha Szabo, Soziologe und Spielzeugforscher und Autor des Buches "Playmobil durchleuchtet". "Überhaupt nicht, Spielzeug und Gesellschaft stehen eigentlich in einem Wechselverhältnis."
Behindertenverbände hatten dem größten Spielhersteller der Welt vorgeworfen, das Thema Behinderung auszusparen. Und Lego erntet jetzt die "Integrations-Lorbeeren", weil sie im Jahr 2016 einen Rollstuhl einführen. "Beim Rollstuhlfahrer ist nun das Spannende, dass das Rollstuhlfahren in unsere Gesellschaft ja auch noch nicht so lange so qualifiziert behandelt wird, wie es heute behandelt wird."
Bei der Sortierung der Welt hilft der Plastiksoldat
Doch der Lego-Katalog sieht gar nicht so sozial und integrativ aus: Da herrscht Krieg der Steine: In 30 Prozent der Lego-Baukästen stecken Waffen. Viel mehr als früher. Das hat Christoph Bartneck von der Universität Canterbury in Neuseeland herausgefunden. Wie passt das zusammen – Reflexion des kriegsfreien Alltags in Deutschland und das Wettrüsten im Kinderzimmer? "Krieg gehört ein Stück weit zu unserem Alltag. Wenn ein Kind diese verstörenden Bilder sieht, dann muss es das in seine Sinnstruktur sortieren und da hilft ein Plastiksoldat", meint Sasha Szabo.
Doch welche Sinnstrukturen ergeben sich, wenn im Kinderzimmer Mord & Totschlag herrscht? "Spielzeug ist tatsächlich ein Seismograf und tatsächlich für die, die das Spielzeug gar nicht mehr so präsent haben: Es hilft wahnsinnig, wenn man in einem Spielzeugladen die Packungen anschaut, und schaut, was dort vermittelt wird, es ist unser Alltag, der uns so gar nicht bewusst ist."
Der Blick in die Spielwarenabteilung verrät vor allem Abgründe: Es dominieren zwei Farben: Rosa und naja vielleicht noch Glitzer für den Feenstaub. Und Hellblau und etwas Tarnfarbe für die Waffen. Spielzeug als Seismograf – das scheint leider erstaunlich wahr, auch wenn das polemisch klingt: Frauen sollen die Welt mit ein bisschen Glitzer verschönern, während sie von knallharten Männern dominiert wird. Das lernt schon jedes Kind. "Was wir erleben im Spielzeug, was wir auch in vielen Alltagsartefakten erleben, man spricht von einem Reflex, dass wir unsere Erlebnisse noch mal reflektiert sehen. Sodass die Buntheit unserer Gesellschaft noch mal repräsentiert wird."
Multikulti, Menschen mit Behinderung. Im Mainstream-Kinderspielzeug scheint Diversität gerade erst Einzug zu halten. Das Spielzeug für Erwachsene, das Smartphone, scheint mit seinen Emoticons – zum Beispiel mit Smileys, die unterschiedliche Hautfarben haben dürfen – da schon etwas weiter. Aber "das bedeutet nicht automatisch, dass nur weil ich damit agiere, ich ein positives Bild davon habe. Aber es hilft, Dinge, die einem fremd erscheinen, zu inkludieren. Damit ist schon dieses Bedrohliche ein Stück weit verloren gegangen."