Wieder einmal wird deutlich: Termine am Rande der Münchener Sicherheitskonferenz sind häufig noch interessanter als das Geschehen auf der Bühne. Falls sich der türkische Geheimdienst wirklich deutsche Amtshilfe versprach, als man im Februar BND-Präsident Kahl eine Liste mit mehreren Hundert angeblicher Anhänger und Einrichtungen der Gülen-Bewegung übergab, würde dies einmal mehr die zunehmende Entfremdung zwischen Ankara und Berlin zeigen.
Die Bundesanwaltschaft reagierte heute Nachmittag prompt und kündigte ein weiteres Ermittlungsverfahren an. Seit mehreren Wochen geht man dort bereits einem Verdacht auf Spionage im Dachverband der türkischen Moscheegemeinde Ditib nach. Nach der Veröffentlichung der jüngsten Vorwürfe durch das Recherchennetzwerk von NDR, WDR und "Süddeutscher Zeitung" sagte Bundesinnenminister Thomas de Maizière heute:
"Diese Meldung kommt für mich nicht ganz überraschend und wir haben der Türkei auch schon mehrfach gesagt, dass sowas nicht geht. Unabhängig davon, wie man zu der Gülen-Bewegung steht, hier gilt deutsches Recht und hier werden nicht Bürger die hier wohnen, von ausländischen Staaten ausspioniert."
Bundesaußenminister Gabriel: Der Sache erstmal richtig nachgehen
Offenbar doch, und deshalb ist die Empörung groß. Hier am Nachmittag SPD-Oppositionsführer Thomas Oppermann:
"Ich erwarte eine klare Ansage der deutschen Bundesregierung an die türkische Regierung, dass die Bespitzelung unbescholtener Bürger, egal ob deutscher oder deutsch-türkischer Herkunft hier in Deutschland sofort aufhört."
Man müsse der Sache erstmal richtig nachgehen, sagte Bundesaußenminister Sigmar Gabriel, der die Vorwürfe weder bestätigen noch dementieren wollte. Für die Opposition ist der Fall klar. Fraktionschef Anton Hofreiter zur Haltung der Bundesregierung:
"Sie muss deutlich machen, dass sie die Aktivität des türkischen Geheimdienstes hier bei uns nicht duldet und sie muss dafür sorgen, dass das endlich durchgesetzt wird. Aber wir haben das große Problem: Über den Flüchtlingsdeal hat sich Frau Merkel erpressbar gemacht, man sieht, welch hohen politischen Preis man zahlt, wenn man nicht zu seinen eigenen Werten steht."
Wie mit den Informationen auf der Liste umgegangen wird, entscheidet sich auf Länderebene. In Niedersachsen und in Nordrhein-Westfalen informieren Landeskriminalamt beziehungsweise das Landesamt für Verfassungsschutz die in der Liste erwähnten Personen, dies aus Sorge vor möglichen Repressalien, etwa bei Reisen in die Türkei oder bei Besuchen von Botschaft und Generalkonsulaten. Namen, Bilder, Handydaten, die Informationen waren offenbar sehr konkret. Der niedersächsische Innenminister Boris Pistorius, SPD:
Klare Worte für türkische Regierung finden
"Es ist schon bemerkenswert, mit welcher Intensität und Rücksichtslosigkeit auf fremdem Staatsgebiet dort lebende Menschen ausgeforscht werden. Das ist ganz und gar unerträglich und nicht akzeptabel und ich gehe davon aus, dass die Bundesregierung gegenüber der türkischen Regierung entsprechend klare Worte finden wird."
Die unterschiedliche Einschätzung zur Gülen-Bewegung dürften in Ankara eigentlich kein Geheimnis gewesen sein. Während Gülen und seinen Anhängern durch Präsident Erdogan vorgeworfen wurde, für den Putschversuch im vergangenen Jahr verantwortlich gewesen zu sein, gibt es aus deutscher Sicht, auch aus Sicht des BND, dafür keine Anhaltspunkte.