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Spionagekrimi an der Themse

Der Konflikt zwischen London und Moskau um den getöteten Ex-KGB-Agenten Alexander Litwinenko wird um eine Variante reicher. Während noch um die Auslieferung des Tatverdächtigen Andrej Lugowoi gestritten wird, sind weitere Mordpläne bekannt geworden. Der russische Oligarch und Kreml-Kritiker Boris Beresowski sollte nach eigenen Angaben vor wenigen Wochen ebenfalls in London getötet werden. Unser Korrespondent Martin Zagatta mit der jüngsten Entwicklung.

    Nur die vielbefahrene Park Lane trennt das Hilton-Hotel vom Hyde-Park. Die Luxusherberge im Herzen Londons liegt auch kaum 500 Meter entfernt vom Millenium-Hotel am Grosvenor Square, in dessen Bar Alexander Litwinenko mit dem radioaktiven Polonium 210 vergiftet worden sein soll – eine nicht nur räumliche Nähe. Denn hier im Hilton ist vor Wochen der mutmaßliche Auftragsmörder abgestiegen, der Boris Beresowski umbringen sollte. So jedenfalls berichten die Polizeireporter – Informationen, die der im Exil lebende russische Milliardär und Putin-Gegner nun weitgehend bestätigt hat.

    Scotland-Yard-Beamte hätten ihn angerufen und mitgeteilt, dass es Mordpläne gegen ihn gebe und dass er das Land so schnell wie möglich verlassen solle. Das habe er am nächsten Tag auch getan, so Beresowski. Und er sei erst eine Woche später wieder zurückgekehrt, nach Versicherungen der Polizei, den Anschlag verhindert zu haben. Weitere Einzelheiten zu nennen, hätten ihm die britischen Behörden untersagt.

    Der Tatverdächtige, so hat Scotland Yard am Abend bestätigt, ist am 21. Juni festgenommen und zwei Tage später an die Einwanderungsbehörden übergeben, also abgeschoben worden. Ein höchst merkwürdiges Vorgehen. Experten vermuten aber, dass dieses offenbar verhinderte Verbrechen die britische Regierung dazu bewegt hat, die diplomatische Zurückhaltung aufzugeben. An eine Auslieferung von Andrej Lugowoi, des Hauptverdächtigen im Mordfall Litwinenko, glaubt demnach zwar kaum jemand in London. Aber mit der Ausweisung russischer Diplomaten sollte offenbar eine Warnung ausgesprochen werden. Davon ist auch der Exil-Russe Alex Goldfarb, ein Freund des Ermordeten, überzeugt.

    "Damit werden Grenzen gesetzt und den Russen vermittelt, dass man ein solches Verhalten nicht länger duldet. Herr Lugowoi hatte kein Motiv und keinen Zugang zu dem Polonium, mit dem Alexander Litwinenko vergiftet worden ist. Also geht es darum, klar zu machen, dass er nur im Dienst der russischen Regierung gehandelt haben kann. Deshalb ist es wichtig so vorzugehen und sicherzustellen, dass nicht noch weitere Dissidenten und Gegner des russischen Regimes ermordet werden."

    Britische Medien schätzen, dass Moskau mindestens 30 Spione im Einsatz hat, um Kritiker in der britischen Hauptstadt zu überwachen. Die "Sun", die gestern als erstes Blatt, über das Mordkomplott berichtet hat, nennt Präsident Putin mittlerweile einen "Gangster". Sie fordert von Londons Partnern in der EU, die Briten nun vorbehaltlos zu unterstützen. Ob es dazu allerdings kommt?

    Zweifel gibt es nicht nur in London. Er glaube nicht, dass Großbritannien so etwas wie eine gemeinsame europäische Front gegen Russland zusammenbekommt, so der Moskauer Politikwissenschaftler und Duma-Berater Andrej Kortunov gegenüber der BBC. Ein vereinigtes Europa, das Russland mit Sanktion belegt, würden viele fürchten. Aber in Moskau gehe man davon aus, "dass das kaum zu erreichen ist, und dass viele Länder in Europa, etwa Frankreich oder Deutschland, weiter freundlich mit Russland umgehen, egal was passiert."