Das Video und die Nennung des Namens eines russischen Geheimdienstlers in Belgrad haben auch in Moskau Wellen geschlagen - zumindest so, dass die Sprecherin des Außenministeriums danach gefragt wurde. Allerdings stritt Maria Sacharowa genauere Kenntnisse vom Vorgang ab: "Ich werde Dinge nicht kommentieren, die offensichtlich provozierenden Charakter haben."
Belgrad als mutmaßlicher Geheimdienst-Stützpunkt
Dass die russische Botschaft in Belgrad auch ein Stützpunkt geheimdienstlicher Operationen sein kann, erstaunt Maxim Samorukow nicht. Er ist Balkan-Experte und schreibt Analysen für das Moskauer Büro der US-amerikanischen Carnegie-Stiftung. Aus seiner Sicht liegt es im Interesse der serbischen Regierung und des Präsidenten Aleksandar Vučić, dass dieses Video an die Öffentlichkeit gelangte.
"Weil sich Vučić in einer recht unkomfortablen Lage befindet, denn Putin ist in Serbien populärer als er selbst. Ein bedeutender Teil der serbischen Gesellschaft nimmt ihn als einen verlässlicheren Garanten der serbischen nationalen Interessen wahr als Präsident Vučić", sagt Samorukow.
Orden für Vučić, Hundewelpe für Putin
Da soll der Spionageskandal ein leichter Dämpfer für Putin sein. Russlands gutes Image geht auch auf den Beistand nach den Angriffen der NATO Ende der 90er Jahre zurück. Dieses Erbe nutzt Moskau bis heute.
Der russische Präsident wurde im Januar dieses Jahres vor der auch mit russischem Geld restaurierten orthodoxen Kirche Sankt Sabas von Zehntausenden empfangen. Sein gesamter Besuch war von Freundlichkeiten geprägt: Vučić schenkte dem Gast aus Moskau einen Hundewelpen, Putin ehrte den Gastgeber mit dem höchsten russischen Orden.
Serbien als russischer Puffer zur EU
Serbien erfülle für Moskau einen Zweck, analysiert der Politologe Maxim Samorukow: "Putin braucht Serbien als eines der Elemente in der Beziehung Russlands zur Europäischen Union. Serbien, und überhaupt der ganze Westbalkan, sind für Russland jedoch nicht so besonders wichtig. Aber auf der anderen Seite besitzt Russland dort starken Einfluss, ohne große Kosten."
Die russische Politik denke in Szenarien, die über Serbien hinausgingen. In ihnen gehöre der Balkan zur europäischen Einflusssphäre, im Gegenzug solle sich Europa aus dem postsowjetischen Raum heraushalten, so die Idealvorstellung in Moskau. Auf dem Weg dahin aber besitzt Wladimir Putin einen wichtigen Hebel gegenüber der EU: die Kosovo-Frage.
Entscheidend: die Kosovo-Frage
"Russland ist, wie auch Serbien, daran interessiert, dass die Situation auf dem Balkan stabil und sicher bleibt. Was den Kosovo betrifft, so ist Russlands Position gut bekannt. Wir treten für eine Lösung ein, die für Belgrad und Pristina akzeptabel ist, auf Grundlage der UN-Sicherheitsratsresolution Nummer 1244", sagte so Putin Anfang des Jahres.
Die von ihm genannte Resolution enthält kein Wort über die Unabhängigkeit des Kosovo. Die Abspaltung des Landes von Serbien nicht anzuerkennen, ist gemeinsames Interesse der Führungen in Belgrad und in Moskau.
Treffen zwischen Putin und Vučić in Russland
Kosovo wird wohl eines der Themen zwischen Putin und Vučić heute (4.12.2019) sein. Der Serbe sucht nach Bewegung in der Sache, während Russland es nicht besonders eilig hat, diesen Trumpf aus der Hand zu geben. Um Moskau bei der Stange zu halten, gewährt Belgrad auch in anderen Bereichen starke Symbole, ohne sich aber festzulegen, analysiert Maxim Samorukow das Verhalten von Vučić.
"Er schließt ein Freihandelsabkommen mit der Eurasischen Wirtschaftsunion und führt eine Militärübung mit dem russischen Luftabwehrsystem S-400 durch und erzählt dabei, wie er russische Waffen kaufen möchte. Und geradewegs in denselben Tagen unterzeichnet er ein neues, mehrjähriges Abkommen über Zusammenarbeit mit der NATO", sagt Samorukow.
Russische Pipeline durch Serbien
Das wird von Moskau registriert. Handfeste Interessen besitzt es vor allem beim Verkauf von Erdgas. Gasprom baut zur Zeit eine zweite Röhre in die Türkei, die auch einen Abzweig Richtung EU erhält und damit durch serbisches Territorium führen soll. Der Bau ist in Serbien unstrittig. Aus Sicht Russlands ist das Land in dieser Frage, wie in etlichen anderen auch: vor allem ein Mittel zum Zweck.