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Spiritualität
Lama Ole hält Hof

Vor einigen Jahren hieß es im Gut Hochreute im Allgäu: Hirschgeweihe raus, Buddha-Statuen rein: Die Diamantweg-Buddhisten richteten ihren Europasitz ein. Gerade findet dort eines der größten Buddhistentreffen Deutschlands statt. Zwischen Mantras und Massenmeditationen klingen auch befremdliche Töne an. Lama Ole zeigt wenig Mitgefühlt mit muslimischen Flüchtlingen.

Von Lena Gilhaus und Regina Mennig |
    Größtes deutsches Buddhistentreffen in Immenstadt 2016.
    Größtes deutsches Buddhistentreffen in Immenstadt 2016. (Deutschlandradio / Lena Gilhaus / Regina Mennig)
    Türkis glitzert der Alpsee im Tal, sattgrüne bewaldete Hänge ziehen sich sanft in den Himmel, am Horizont eine schneebedeckte Bergkette. Die perfekte Kulisse für einen Heimatfilm: Würden nicht im Vordergrund tibetische Gebetsfähnchen im Wind flattern. Eine Gruppe Menschen hat sich im Schneidersitz im Schatten eines Baumes niedergelassen. Einige murmeln leise Mantras. Nicoles Blick ruht auf dem Alpenpanorama. Barfuß und die Haare zu einem strengen Dutt geknotet, lässt die 29-jährige Berlinerin Reis und Glitzersteine in den Schoß ihres violetten Gewandes prasseln: "Im Buddhismus haben wir bestimmte Grundübungen, die wir nach und nach vollführen, und das ist die dritte Grundübung. (…) wir machen 111.111 Wiederholungen, von jeder Übung. Das Gefühl ist einfach wunderschön, einfach loszulassen und nichts mehr zu haben und ganz vielen Wesen Glück zu wünschen und Freude. Ich liebe diese Praxis. Und wenn man draußen sitzen kann, ist es natürlich noch schöner."
    Für Meditationen mit Alpenpanorama, Zeremonien und Vorträge von buddhistischen Lehrmeistern investieren Nicole und die anderen 2600 Besucher des Sommerkurses der Buddhisten viel: Ein Tag im Camp, mit Übernachtung im eigenen Zelt, kostet pro Person rund 50 Euro. Das Essen stellt die Organisation, kochen müssen die Teilnehmer selbst und auch das Gelände sauber halten. Dem 20-jährigen Mike macht das nichts aus. Im Auto runter zum Alpsee erzählt er uns, dass er mit seiner Familie schon seit zehn Jahren aus Frankfurt in die Zeltstadt auf dem Gut Hochreute bei Immenstadt kommt. "Ich hab mich direkt als ich angekommen bin, hab ich mich direkt wieder zuhause gefühlt – so dieses "welcome home" Gefühl. Das sind die Menschen einmal, die sind alle sehr nett, die helfen einander. Ich fühl mich glücklich, wenn ich hier bin."
    Vor 17 Jahren haben die Diamantweg-Buddhisten das Gut Hochreute über dem Alpsee zu ihrem Europasitz auserkoren. Am Giebel prangt noch ein Hirschgeweih, doch die Säle der Jugendstilvilla zieren jetzt Drachenfresken und Buddhastatuen. Die umgebauten Gesindehäuser und Oktoberfestzelte rund um die Villa dienen jetzt der Massenmeditation. Sie soll beim Loslassen von allem Vergänglichen helfen, erklärt Lehrerin Karola Schneider, die wir im gelben Salon des Gutshofs treffen. "Zur Erleuchtung braucht man Mitgefühl und Weisheit. Alle Wesen wollen ja Glück haben, alle ausnahmslos suchen Glück und wollen Leid vermeiden. Buddhismus lehrt, dass Glück nur dann zu finden ist, wenn man etwa findet, das jenseits von Kommen und Gehen ist".
    Konkreter wird es nicht. Die Diamantweg-Buddhisten zählen sich zur Karma-Kagyü-Linie, eine der vier tibetischen Schulen des Buddhismus. Die Gelugpa-Schule des Dalai Lama etwa stellt das Studium der Schriften in den Mittelpunkt. Ganz anders der Karma-Kagyü Buddhismus, erklärt der Religionswissenschaftler Werner Vogd: "Er bietet Praxis an, und die Menschen heute wollen etwas selbst erfahren. Sie wollen Meditationsübungen machen und sich nicht erst jahrelang durch Schriften durcharbeiten. Und das bieten eben diese Schulen an, und das ist attraktiv für westliche Menschen, die sofort reinsteigen möchten in Übungen, Meditation, Erfahrungen."
    Lama Ole Nydahl, Gründer der Stiftung Diamantweg und geistiger Führer lehrt etwa, dass Motorradfahren, Bungee Jumping und Sex Vorstufen der Erleuchtung sein können. Kritiker bezeichnen die Linie als "Buddhismus light" und verwestlicht. Wissenschaftler Vogd will diesen Vorwurf nicht so stehen lassen. Der Buddhismus habe sich von jeher an unterschiedliche kulturelle Gegebenheiten angepasst. Etwa, als der Buddhismus von Indien nach Tibet kam. Wie weit weg ist der Buddhismus, den Ole Nydahl predigt, von der Ursprungsreligion in Asien?
    "Ole Nydahl, er ist ein Kind des Westens, und im Westen haben wir diese Bewegung durchgemacht, also uns zu sozusagen sexuell zu befreien. Und das ist für einen klassischen Tibeter befremdlich, der macht das gewissermaßen verdeckt."
    Der Lama Ole, wie er sich nennt, ist in der Zeltstadt im Allgäu omnipräsent. Auf riesigen LED-Wänden schwebt der Däne über dem Geschehen, mit schwarzem Shirt und Igelfrisur. Typ ergrauter Rockstar. Unter den Teilnehmern genießt der 75-jährige hohe Anerkennung:
    "Ole reist wahnsinnig viel und Ole hat ziemlich Ahnung von den Wesen und Dingen, die auf der Welt passieren, von denen ich in Berlin ein Teilbruchstrück mitbekomme..."
    "Dann stand ich eines Tages vor Ole. Und das war einfach nur noch... das war einfach überzeugend. Er hat gestrahlt und Dinge gesagt... (was zum Beispiel?) Ja, die einfache Grundlage, dass alle Wesen glücklich sein möchten."
    Während die Gemeinschaft der Diamantweg-Buddhisten Nydahl wie einen Star feiert, ist er in der öffentlichen Debatte umstritten: Beim Buddhistentreffen in Kassel im März sagte er der Nordhessen Rundschau, dass die Leute einfach nur den Koran hätten lesen müssen. Dann hätte man vielleicht nicht so viele über die Grenze geholt oder aus dem Wasser gezogen. Wem Elend widerfahre, habe eben schlechtes Karma, durch Verfehlungen in einem früheren Leben, das soll er bei einem Treffen in Germering gesagt haben.
    Wir wollen Ole Nydahl fragen, wie das mit dem buddhistischen Ideal vom Mitgefühl für alle Wesen zusammenpasst. Doch wir dürfen ihn nicht sprechen. Er befinde sich zur Zeit in einer Phase der inneren Zurückziehung, sagt seine Pressestelle. Warum er sich trotzdem täglich drei Stunden auf dem Gelände feiern lassen kann, erschließt sich uns nicht. Wir fragen Sommerkurs-Gast Nicole aus Berlin nach ihrer Meinung zu den islamophoben Äußerungen des Lama: "Die werde ich nicht kund tun, das ist Politik, und Buddhismus und Politik, das gehört für mich nicht zusammen. Das muss man trennen. Was mein politischer Standpunkt ist, hat hier keine Relevanz."
    Nicole erntet zustimmendes Nicken von der Pressedelegation, die uns während des gesamten Besuchs auf Schritt und Tritt folgt. Während hier jeder gleichmütig erscheint, fühlen wir uns zunehmend beklemmt.
    Ortswechsel: Fachwerkhäuser, Geranien, Marienfiguren. Unten in Immenstadt beobachtet man mit Skepsis das Geschehen im Buddhisten-Camp oben am Berg: "Ich brauche es nicht. Ich muss nicht irgendwo hingehn auf ein Fest, arbeiten und noch Geld dafür zahlen", sagt ein Passant. Im Weltladen gegenüber, zwischen Klangschalen, Weihrauchstäbchen und Schmuck aus aller Welt, rechnen wir mit einer offeneren Haltung, doch Fehlanzeige: Auch Mitarbeiter Toni Kronast hat Vorbehalte: "Ich denke, dass das leider nicht der richtige Buddhismus ist, der da oben campiert. Und ich hab da einfach meine Probleme damit. Dass einfach hier dieses Gelände da oben gebaut worden ist oder hergerichtet worden ist für so wahnsinnig viele Menschen. Das entspricht einfach nicht den Grundzügen des Buddhismus. Zum Beispiel Achtsamkeit gegenüber der Natur. Und da ist meiner Meinung nach sehr stark gesündigt worden. Das is meine persönliche Meinung. Die haben halt da oben dieses Gelände ausgebaut und Hang abgegraben, das verträgt diese sensible Gegend um den Alpsee herum einfach nicht."
    Reporterfrage: "Da gibt’s ja auch den Anführer, den Ole Nydahl."
    "Ich denke, das ist so einer, der halt viele Menschen um sich sammelt, als Guru auftritt."
    Am Wachposten auf der Privatstraße hinauf zum Buddhisten-Camp beobachten wir einen Streit. Eine Immenstädterin will Flyer für ein Konzert im Jugendzentrum verteilen, aber die Campleitung lässt sie nicht passieren: Die Allgäuerin macht ihrem Ärger Luft.
    "Man kann in Asien in jeden Tempel gehen, und es kommt ein Mönch auf einen zu, wenn man einen Ratschlag haben möchte. Und das wird hier nicht betrieben. Die haben heute Abend eine "Einweihung", das heißt, man muss wahrscheinlich erst "eingeweiht" werden, um überhaupt irgendwie da dran teilhaben zu können."
    Zurück im Camp steht die Sonne bereits tief, über die Hügel zieht eine Menschenschlange zum Meditationszelt hinauf. Der tibetische Lama Jigme Rinpoche gibt sich die Ehre. Mehrere hundert Teilnehmer bilden einen Spalier vor dem Zelteingang, als der weißhaarige Tibeter in Mönchskutte aus der Limousine steigt und den roten Teppich betritt. Auf dem Thron, umstellt von goldenen Buddhastatuen, wird der Rinpoche verkabelt. Bildschirme übertragen seine Rede bis runter in den Schuttlebus.
    Unten in Immenstadt spielt die Show keine Rolle. Während eine katholische Nonne über die Straße huscht, spielt auf dem Marktplatz die Blaskapelle das Sommerabendkonzert.