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Spitzelvorwürfe gegen türkisches Konsulat
"Die mit uns gesprochen haben, sind sehr besorgt"

Spionieren und denunzieren an Schulen in NRW: Vertreter von Eltern-und Lehrervereinen sollen von Mitarbeitern eines türkischen Konsulats dazu aufgefordert worden sein, kritische Lehrer zu melden. Viele Betroffene fürchteten sich vor den Konsequenzen für ihr Privatleben, sagt Dorothea Schäfer, Vorsitzende der Lehrergewerkschaft GEW NRW, im DLF.

Dorothea Schäfer im Gespräch mit Manfred Götzke |
    Demonstration von ver.di, GEW, GdP, dbb Beamtenbund und Tarifunion am 09. Februar 2017 in Köln. Dorothea Schäfer - NRW Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Demonstration diverser Gewerkschaften in Düsseldorf Demonstration from ver Tue GEW GdP DAR Federation officials and Tariff Union at 09 February 2017 in Cologne Dorothea Schäfer NRW Chairman the Trade union Education and Science Demonstration diverse Unions in Dusseldorf
    "Wir sind nicht diejenigen, die jetzt eine Hexenjagd machen, sondern es ist umgekehrt", sagt Dorothea Schäfer, Vorsitzende der GEW NRW, zu den Vorwürfen der türkischen Regierung. (imago stock&people)
    Manfred Götzke: Dass der türkische Präsident Erdogan ein Problem mit Kritik an seiner Person und an seiner Politik hat, ist kein Geheimnis mehr. Letzte Woche wurde mit Deniz Yücel der erste deutsche Journalist in der Türkei in Polizeigewahrsam genommen, weil er seine Arbeit gemacht hat. Aber auch in Deutschland scheinen die Kritiker des Präsidenten nicht sicher zu sein, zumindest nicht sicher vor Spitzeleien.
    Letzte Woche wurden die Wohnungen von Imamen durchsucht, die Lehrer ausspioniert haben sollen, und jetzt wurde bekannt, dass wohl auch Eltern und Schüler in Nordrhein-Westfalen vom türkischen Konsulat angehalten wurden, Kritik an der türkischen Regierung zu melden. Erfahren hat das die Lehrergewerkschaft GEW in Nordrhein-Westfalen, und Dorothea Schäfer ist ihre Vorsitzende. Guten Tag!
    Dorothea Schäfer: Guten Tag, Herr Götzke!
    Götzke: Frau Schäfer, was genau haben Ihre Mitglieder Ihnen berichtet?
    Schäfer: Sie haben uns berichtet von einem Treffen, einer Einladung im türkischen Konsulat, zu dem unter einer anderen Überschrift eingeladen worden war – es sollte gehen um die Diskriminierung von türkischen Schülerinnen und Schülern –, und dann wurde aber schnell klar, dass es um etwas anderes gehen sollte, nämlich darum, Lehrkräfte an die Konsulate zu melden, die sich in Schule und im Unterricht kritisch gegenüber der Regierung der Türkei äußern würden.
    "Allein die Aufforderung ist für uns schon ein nicht hinnehmbarer Versuch"
    Götzke: In welcher Weise sollte das geschehen? Was genau wissen Sie darüber
    Schäfer: Wir wissen nur, dass eben die Eltern ihre Schüler – es waren ja keine Schüler anwesend, sondern nur Vertreter von Eltern- und Lehrervereinen –, dass die ihren Schülern sagen sollten, berichtet uns, wenn euer Lehrer da sich entsprechend äußern. Es gab auch, das kann ich jetzt aber nicht ganz bestätigen, auch einen Hinweis, dass wohl durchaus auch auf Handyfilme verwiesen worden ist, aber ich sage mal, das spielt jetzt auch, glaube ich, keine Rolle, in welcher Form dann dieses Rückmeldungen erfolgen sollten, sondern allein die Aufforderung ist für uns schon ein nicht hinnehmbarer Versuch, Lehrkräfte, die in deutschen Schulen unterrichten, in unseren Schulen in Nordrhein-Westfalen ihren Unterricht machen, irgendwie bespitzeln zu lassen und dann auch noch zu denunzieren.
    Götzke: Von wie vielen Lehrern sprechen wir da? Damit wir uns ungefähr über die Dimension des Ganzen machen können.
    Schäfer: Wir haben natürlich jetzt nur mit einigen wenigen gesprochen. Das waren jetzt auch keine großen Versammlungen, sondern es waren so Vorsitzende und Mitglieder dieser Vereine eingeladen. Aber wir haben natürlich in unseren Schulen schon eine ganze Reihe von Lehrkräften, die eingesetzt sind im muttersprachlichen Türkischunterricht oder auch in dem Fach Türkisch oder auch im islamischen Religionsunterricht.
    Götzke: Wir haben hier auch bei "Campus & Karriere" schon mehrfach über ähnliche Vorwürfe berichtet. Da ging es aber um speziellen Konsularunterricht, also um Lehrer, die zum Beispiel aus der Türkei entsandt wurden, oder um Abmeldungen an vermeintlichen Gülen-Schulen, die im Visier der türkischen Botschaft stehen. Aber hier sprechen wir tatsächlich von Regelschulen in Nordrhein-Westfalen?
    Schäfer: Ja. Wir sprechen von den Regelschulen, die es in Nordrhein-Westfalen gibt, das sind etwas über 6.000 Schulen. Natürlich wird da nicht an allen Schulen auch Türkisch unterrichtet, aber an einer ganz großen Zahl. Und es geht nicht um Konsulatsschulen oder um Privatschulen, sondern es geht um unsere nordrhein-westfälischen öffentlichen Schulen.
    Götzke: Inzwischen beschäftigt sich der Staatsschutz ja auch mit dem Thema und hat wohl Kontakt zu den betroffenen Lehrern aufgenommen. Wie gehen die Lehrer selbst mit dem ganzen Problem um, mit dem Thema?
    Schäfer: Also die mit uns gesprochen haben, sind sehr besorgt und haben mich auch gebeten, die Namen nicht zu nennen. Das respektiere ich selbstverständlich, aber es ist auf der anderen Seite schon auch traurig, dass allein durch diese Ankündigung schon Ängste ausgelöst werden, die dann eben dazu führen – ich bin jetzt nicht bereit, vor eine Kamera zu treten oder mit meinen Namen am Mikrofon zu sein. Das wollen wir überhaupt nicht. Deswegen haben wir auch sofort das Ministerium für Schule und Weiterbildung informiert, und es ist auch deren Aufgabe, sich jetzt um alles Weitere zu kümmern.
    "Das, was wir jetzt machen, ist keine Hexenjagd"
    Götzke: Was befürchten die denn, die Lehrer? Dass sie Probleme bekommen, sobald sie in die Türkei einreisen wollen? Oder befürchten die auch hier in Deutschland ganz konkrete Probleme?
    Schäfer: Sie befürchten natürlich auch, dass sie bei bestimmten Eltern schlecht angesehen werden. Die Eltern haben ja sehr unterschiedliche Einstellungen auch, was die Politik des türkischen Staates angeht. Eltern sind ja auch eine starke Lobby. Es geht sicherlich nicht nur darum, was passiert, wenn ich jetzt meine Verwandten in der Türkei besuche, sondern auch, wie wird über mich geredet, was hat das für Konsequenzen vielleicht auch in meinem Privatleben.
    Götzke: Die Türkei warf den deutschen Behörden schon vor ein paar Tagen vor, als es um die Imame ging, die spioniert haben sollen, eine "Hexenjagd" zu betreiben. Was sagen Sie dazu?
    Schäfer: Das, was wir jetzt machen, ist keine Hexenjagd. Wir haben uns berichten lassen, wir haben das auch noch mal verifiziert, wir haben direkt mit den Kolleginnen und Kollegen gesprochen, und wir sind nicht diejenigen, die jetzt eine Hexenjagd machen, sondern es ist umgekehrt. Wenn hier SchülerInnen und Eltern aufgefordert werden, zu melden über bestimmte Lehrinhalte oder das, was im Unterricht passiert, dann geht das so nicht. Die Lehrer sind gebunden an die Lehrpläne, die haben auch ein Anrecht darauf, einen geregelten Unterricht zu machen, und müssen nicht Sorge haben, hier wird irgendwie aufgezeichnet möglicherweise, was ich hier im Unterricht sage.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.