Im zweiten Anlauf soll es jetzt klappen - am Samstag wollen sich die 28 EU-Staats- und Regierungschefs bei ihrem Sondertreffen in Brüssel auf die Verteilung der Spitzenämter einigen. Ein abermaliges Scheitern der Gespräche - wie noch im Juli - halten viele für ausgeschlossen. Zu groß sei der Einigungsdruck, sagt auch der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Europäischen Parlament, Elmar Brok:
"Der Zugzwang ist groß, dass es eine Einigung geben wird. Wir brauchen auch die Benennung der Vizepräsidenten des Europäischen Kommission, des Hohen Beauftragten, weil wir mit den Vorbereitungen der Hearings im Europäischen Parlament beginnen müssen. Wenn also die Kommission fristgerecht am 1. November das Amt übernehmen will, muss jetzt glaube ich am Samstag die Entscheidung fallen."
Ganz oben auf der Personalagenda stehen dabei zwei Posten, die zunächst entschieden werden müssen. Wer soll die bisherige EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton beerben? Angesichts der vielen außenpolitischen Krisen, vor allem in der Ukraine, aber auch in Syrien, dem Irak oder Gazastreifen waren die Rufe nach einem außenpolitischen Schwergewicht für die EU zuletzt deutlich lauter geworden. Zumal nach den eher glücklosen Auftritten von Ashton.
Skepsis gegen Mogherini
Doch weiterhin werden der unerfahrenen italienischen Außenministerin Frederica Mogherini die besten Chancen eingeräumt, denn Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi, ein Sozialdemokrat, zeigt sich von der anhaltenden Skepsis gegenüber Mogherini, gerade aus den osteuropäischen Mitgliedsländern, völlig unbeeindruckt. Aber selbst Parteifreund Jo Leinen, Mitglied im Europäischen Parlament, hält das für bedenklich:
"Da wird ein bisschen mit der Brechstange gearbeitet, Vogel friss oder stirb. Die Außenbeauftragte, der Außenbeauftragte muss eine ganz kompetente, starke Persönlichkeit sein. Man sieht ja den Krisengürtel rundherum um die Europäische Union und da braucht jemand Stehvermögen, braucht jemand Erfahrung."
Also genau jene Eigenschaften, die Mogherini nicht unbedingt mitbringt. Doch in Brüssel wird anders gerechnet: mit Jean Claude Juncker hat ein Christdemokrat mit dem Amt des Kommissionspräsidenten einen wichtigen Posten gekommen, deshalb ist jetzt ein Sozialist an der Reihe - am besten auch noch eine Frau.
Sehr viele Variable
"Zurzeit hört es sich so an, dass die italienische Außenministerin es wird. Allerdings muss sie einen Konsens im Europäischen Rat haben. Bis vor wenigen Tagen war es noch klar, dass es insbesondere aus den neuen Mitgliedsländern ein Veto gibt. Ob das noch der Fall sein wird, wird sicherlich auch sehr stark davon abhängen, wer vorgeschlagen wird als Präsident des Europäischen Rates und ob das jemand aus den neuen Mitgliedsländern ist",
sagt Christdemokrat Brok. Mittlerweile wird der bisherige polnische Ministerpräsident Donald Tusk als heißer Kandidat für den Ratsvorsitz gehandelt, der auch gut mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kann. Doch auch andere Namen sind noch im Spiel - etwa der frühere lettische Ministerpräsident Valdis Dombrovskis oder der Este Andrus Ansip.
Es ist am Ende eine komplizierte Rechnung mit vielen Variablen - es geht um Parteifarben, um die Interessen von kleinen und großen, armen und reichen Mitgliedsländern, um West und Ost. Und letztlich auch noch um politische Inhalte. Gerade Deutschland will den französischen Sozialisten Pierre Moskovici als möglichen Wirtschafts- und Währungskommissar gerne verhindern, ebenso einen roten Eurogruppenchef. Weshalb die komplizierte Rechnung vielleicht auch zu ganz überraschenden Lösungen führen wird.