Spitzenkandidaten
"Ich bin mir immer treu geblieben"

"Wie sieht das Europa Ihrer Träume aus?" - "Was mögen Sie an der EU am wenigsten?" Deutsche Spitzenkandidaten zur Europawahl bekennen Farbe und beantworten den auf Marcel Proust zurückgehenden Fragebogen. Teil drei unserer Serie: Martin Schulz, SPD.

11.05.2014
    Der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl Martin Schulz bei einer Wahlkampfveranstaltung in Dortmund.
    Martin Schulz ist der Spitzenkandidat der SPD für die Europawahl (picture alliance / dpa / Bernd Thissen)
    DLF: Was ist für Sie die EU?
    Martin Schulz: Europa war und ist ein Versprechen für Frieden, Sicherheit, Zusammenarbeit, Wohlstand und Gerechtigkeit, das wir reformieren, verbessern und pflegen müssen. Das dürfen wir bei aller Kritik an der EU nicht vergessen.
    Wie sieht das Europa Ihrer Träume aus?
    Ich träume von einem starken und solidarischen Europa, dem die Menschen vertrauen und das selbstbewusst seine hohen sozialen und ökologischen Standards im weltweiten Wettbewerb verteidigt.
    Was mögen Sie an der EU am wenigsten?
    Die EU verkauft sich oft unter Wert, weil sie sich häufig im Kleinklein verliert und die großen Fragen nicht mehr im Blick hat. Die EU muss sich auf die großen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts konzentrieren wie Klimawandel, Kampf gegen die internationale Kriminalität und Migrationspolitik.
    Ihr Vorbild in Europa?
    Willy Brandt. Ein großer Europäer, der die Aussöhnung zwischen Ost und West maßgeblich vorangetrieben hat.
    Was stört Sie an überzeugten Europäer/innen am meisten?
    Viele missverstehen Kritik an der EU als grundsätzliche Ablehnung der EU. Das ist jedoch völlig falsch. In die Hände der Anti-Europäer spielen jene, die Kritik gleich als anti-europäisch abstempeln. Damit ersticken sie jede Debatte, wie wir Europa besser machen können, im Keim.
    "Mein Motto: Wir müssen Europa vom Kopf auf die Füße stellen"
    Wer sollte die neue EU-Kommission als Präsident/in führen?
    Ich hoffe, dass derjenige gewählt wird, der den Mut zur Veränderung hat und die EU besser machen will. Europa muss demokratischer werden, transparenter, es muss die Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen, für Steuergerechtigkeit sorgen, sich für Datenschutz einsetzen und eine kluge Industrie- und Mittelstandspolitik betreiben.
    Euro oder D-Mark?
    Klare Antwort: Euro. Die Alternative wäre: 28 Währungen, D-Mark, Franc, Peseta, Drachme und die vielen anderen, die alle abhängig von Dollar und Yen sind und die uns zum währungspolitischen Spielball machen.
    Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Politiker?
    In meinen mittlerweile 20 Jahren als Abgeordneter im Europaparlament bin ich mir immer treu geblieben. Ich habe nie einer Sache zugestimmt, von der ich nicht überzeugt war. Darauf bin ich stolz.
    Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
    Da zitiere ich den Namensgeber dieses Fragenbogens, Marcel Proust. Dessen Antwort hierauf war, dass er etwas Verdruss verspüre, so viel über sich selbst nachgedacht zu haben, um diese Fragen zu beantworten.
    Ihr Motto für die Europawahl?
    Wir müssen Europa vom Kopf auf die Füße stellen. Ich will Europa verbessern und verändern. Damit Europa das Leben der Menschen wieder ein Stück besser macht.
    Martin Schulz (58) ist schon seit seiner Kindheit ein Grenzgänger: Aufgewachsen ist er in Würselen bei Aachen, im Dreiländereck von Deutschland, Belgien und den Niederlanden. Seit Januar 2012 ist er Präsident des Europäischen Parlaments, dessen Mitglied er seit der Europawahl 1994 ist. Zehn Jahre führte er dort die Fraktion der Sozialdemokratischen Partei Europas (SPE). Im März wählte die SPE Schulz auf einem Parteitag in Rom zum Spitzenkandidaten für die kommende Europawahl. Im Fall eines Sieges beansprucht Schulz das Amt des Präsidenten der Europäischen Kommission. Eine große Leidenschaft des gelernten Buchhändlers: Fußball.