Spitzenkandidaten
Weniger "Schneckentempo" in der EU

"Wie sieht das Europa Ihrer Träume aus?" - "Was mögen Sie an der EU am wenigsten?" Deutsche Spitzenkandidaten zur Europawahl bekennen Farbe und beantworten den auf Marcel Proust zurückgehenden Fragebogen. Teil sechs unserer Serie: Alexander Graf Lambsdorff, FDP.

    Spitzenkandidat der FDP: Alexander Graf Lambsdorff beim Bundesparteitag der Liberalen in Dresden.
    Spitzenkandidat der FDP: Alexander Graf Lambsdorff (picture alliance / dpa / Arno Burgi)
    DLF: Was ist für Sie die EU?
    Lambsdorff: Die EU ist ein großer Raum der Chancen und der Freiheit für die Menschen in Europa. Sie ist gleichzeitig der erfolgreichste Zusammenschluss der Nationalstaaten in der Geschichte unseres Kontinents, den zu bewahren und weiterzuentwickeln es sich lohnt.
    Wie sieht das Europa Ihrer Träume aus?
    Vielfältig, aber einig. Handlungsfähig nach außen, demokratisch nach innen. Konzentriert auf die großen Herausforderungen, aber nicht involviert in jede kleine Detailregelung, die in das Leben der Menschen hineinregiert.
    Was mögen Sie an der EU am wenigsten?
    Die Welt um uns herum ändert sich im Galopp, die komplexe europäische Politik kommt aber im Schneckentempo oft nicht hinterher. Das merken die Bürgerinnen und Bürger und sind enttäuscht. Was ich daher am wenigsten mag, sind die langwierigen Entscheidungsprozesse.
    Ihr Vorbild in Europa?
    Aus der jüngeren Geschichte Jacques Delors. Als Kommissionspräsident hat er marktwirtschaftliche Reformen durchgeführt, die Europa gut getan haben. Und er hat den großen Binnenmarkt aufs Gleis gesetzt, der Quelle unseres Wohlstands geworden ist.
    Was stört Sie an überzeugten Europäer/innen am meisten?
    Wenn diese blind werden für die real existierenden Mängel der EU. Wenn man aufhört, an den Mängeln zu arbeiten, dann werden diese immer größer und Quelle immer größerer Frustration – das darf man nicht ausblenden!
    "Mein Motto: Chancen für jeden statt Regeln für alles!"
    Wer sollte die neue EU-Kommission als Präsident/in führen?
    Ganz klar: Olli Rehn oder Guy Verhofstadt. Beide stehen für erfolgreiche liberale Politik – das ist die Politik, die Europa braucht, um endgültig aus der Krise herauszukommen.
    Euro oder D-Mark?
    Euro, weil Deutschlands exportorientierte Wirtschaft davon profitiert, dass in Europa als ihrem größten Markt keine Wechselkursrisiken mehr vorhanden sind. Andere Länder in der Eurozone können sich daher nicht durch Abwertungen Wettbewerbsvorteile gegenüber deutschen Unternehmen verschaffen.
    Was halten Sie für Ihre größte Errungenschaft als Politiker?
    Das müssen andere beurteilen. Ich bin stolz darauf, dass es uns in der letzten Legislaturperiode gelungen ist, den Europäischen Demokratiefonds (EED) zu gründen, der pro-demokratische Organisationen und Aktivisten der Zivilgesellschaft ganz praktisch und unbürokratisch dabei unterstützt, sich für den demokratischen Wandel in ihren Gesellschaften einzusetzen - in der Ukraine, in der arabischen Welt, aber auch in anderen Ländern.
    Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?
    Entschlossen und vorsichtig optimistisch, dass wir nach der Niederlage bei der Bundestagswahl die Menschen nun bei der Europawahl wieder davon überzeugen können, sich für die FDP zu entscheiden.
    Ihr Motto für die Europawahl?
    Chancen für jeden statt Regeln für alles! Wir wollen Europa als Raum der Freiheit, aber nicht als bürokratische Bevormundungsbehörde.
    Alexander Graf Lambsdorff (47) ist in die liberalen Fußstapfen seines Onkels, des ehemaligen FDP-Bundesvorsitzenden Otto Graf Lambsdorff (1926-2009), getreten. Der gebürtige Kölner trat 1987 in die FDP ein und bekleidete mehrere Ämter auf Orts-, Kreis- und Bezirksebene. Seit 2001 ist er Mitglied im Bundesvorstand der FDP und zog 2004 ins Europäische Parlament ein. Hier ist er stellvertretender Vorsitzender der Fraktion der Allianz der Liberalen und Demokraten für Europa (ALDE). Der ausgebildete Diplomat verbringt viel Zeit mit Lesen, Reisen und Fußball. Seine Lieblingsbeschäftigung gibt er mit "Ideen haben" an.