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Spitzensportförderung
Der Sportversteher braucht keine Reform

Der deutsche Spitzensport bekommt mehr Geld, hat Bundesinnenminister Horst Seehofer beschlossen. Eigentlich hatte es dazu eine Reform gegeben, aber diese werde eine unvollendete bleiben, kommentiert Bianka Schreiber-Rietig die wenig kritische "sportpolitische Rolle rückwärts".

Von Bianka Schreiber-Rietig |
    Bundesinnenminister Horst Seehofer mit einem Fanschal
    Bundesinnenminister Horst Seehofer ist Sportfan - und macht keinen Hehl daraus (picture alliance/dpa - Karl-Josef Hildenbrand)
    Bloß kein Druck. Medaillen sind auch nicht zwingend. Bundesinnenminister Horst Seehofer - der Sportversteher. Er verkündet die Leichtigkeit des Seins im deutschen Spitzensport. Den "Schuss Unbeschwertheit" dürfe man den Sportlern und Sportlerinnen nicht nehmen, sagt er in einem Interview. Und erklärt einen Paradigmenwechsel in der deutschen Spitzensportförderung.
    Damit steht das endgültige Aus der ungeliebten Spitzensportreform fest, die 2016 vom Deutschen Olympischen Sportbund und dem Innenministerium (BMI) angeleiert wurde. Denn "Paradigmenwechsel" heißt in der Seehoferschen Interpretation: Der Sport bekommt mehr Geld. 245 Millionen Euro sind das 2020.
    Die Reform war als Legitimation für den Bund gedacht, als Begründung, warum er Spitzensport fördert. "Geld erst nach getaner Arbeit", war deshalb die eiserne Devise von Seehofers Vorgänger Thomas de Maizière (CDU). Und mehr Medaillen. Außerdem sollte alles transparenter werden, vor allem, was der Sport mit dem Steuergeld so anstellt. Das war gestern.
    Wen kümmert‘s heute noch? Mit der sportpolitischen Rolle rückwärts erfüllt der amtierende CSU-Minister den sehnlichsten Reformwunsch seines Parteifreunds und DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann: Am Ende der Reform mehr Kohle zu bekommen. Jetzt gibt es das auch ohne vollendete Reform. Seid umschlungen, Millionen. Herzlichen Glückwunsch! Gelungen.
    Kuschelatmosphäre unter "Sportversteher" Seehofer
    Sportversteher Seehofer? Oder doch eher Sportfan Seehofer? Offensichtlich nimmt der gerne auf, was ihm die Sportinteressen-Vertreter so zuflüstern. Und was aus deren Sicht richtig ist. Es seien ja gute Leute im DOSB, die sportfachlich entscheiden, sagt der Politiker, der eigentlich nicht dafür bekannt ist, anderen leicht auf den Leim zu gehen. Nun gut: In seinem riesigen Ministeriumsapparatschik hat der Bayer genug problembehaftete Felder zu beackern, so dass er nicht auch noch auf der Sportetage ständig Ärger haben wollte. Deshalb sorgte er für Kuschelatmosphäre, unterzog die Abteilung einer personellen Runderneuerung.
    Manche gingen von selber. Andere, wie der forsche, kenntnisreiche Abteilungsleiter Gerhard Böhm, wurden unter tätiger Mithilfe des DOSB in den Ruhestand versetzt. Damit war klar: Auch diese Reform wird eine unvollendete bleiben. Seitdem herrscht Ruhe im Karton, und harmonische Debattenkultur pflegt man im Küchenkabinett – neudeutsch als Jour fix getarnt. Nervende Verbandsmenschen oder nölende Parteifreunde werden mit Geldgeschenken ruhig gestellt. Das ist im Sport seit Jahrzehnten ein erfolgreiches Mittel.
    "Man reformiert nur, was man beherrscht", hat der französische Dichter und Politiker Alphonse de Lamartine erkannt. Dass die Politik den deutschen Sport wirklich im Griff hätte, kann man nicht behaupten. Dem Sport wurde bisher jede gewünschte Extrawurst gebraten, was den politischen Verhältnissen in Zeiten des Eisernen Vorhanges geschuldet war. Er wurde verhätschelt, entwickelte ein Eigenleben, pochte auf seine Autonomie. Gleichzeitig forderte er Steuergeld, verweigerte aber bis heute Transparenz. Politiker und Politikerinnen, die sich gerne in der Nähe von Olympioniken und Erfolgsteams tummeln, zeigen sich dem Sport gegenüber großzügig und wenig kritisch. Manche Parlamentarier sind so mit dem Sport ineinander verwoben, dass diese Nähe Klüngel und Kumpanei forcieren.
    Trainer werden in den Hintergrund gedrängt
    Und so kann der DOSB nun aus dem Vollen schöpfen, keineswegs dank inhaltlich überzeugender Arbeit, sondern weil Beziehungen und Seilschaften tadellos funktionieren. Immer wieder – vor allem nach sportlichen Pleiten – wurden Reformversuche im deutschen Sport gestartet und scheiterten. Der Geldregen prasselte trotzdem immer kräftiger auf Sportdeutschland hernieder – die Probleme wurden trotzdem nicht geringer.
    Beim neuerlichen Umbauversuch ging aber ein weiterer Teamplayer neben dem DOSB als Sieger vom Platz: die Athleten. Die hatten rebelliert, nabelten sich mit der Gründung eines eigenen Vereins vom DOSB ab und brachten die Funktionäre heftig ins Schwitzen. Sie haben es mittlerweile geschafft, dass sie derzeit alles durchsetzen können, was sie wollen.
    Der Hype um die Athleten und Athletinnen hat allerdings die andere Hälfte, die zu einem erfolgreichen Team im Sport gehört, in den Hintergrund gedrängt: Trainer und Trainerinnen. Auch wenn es eine Trainer-AG im DOSB gibt: Ruder-Bundestrainer Ralf Holtmeyer befürchtet nicht ohne Grund, dass wie so oft Versprechen gegenüber seiner Klientel nicht eingehalten werden. Schon einer seiner Vorgänger, Karl Adam, hatte das in den 70er-Jahren zu beklagen.
    Sport sei die schönste Nebensache, sagt der Minister. Für Trainer dagegen ist der Sport Beruf und somit Existenzgrundlage. Da wäre es doch angebracht, dass die Damen und Herren Abgeordneten im Bundestags-Sportausschuss ihrer Kontrollaufgabe schnellstens nachkämen und fragen, ob die zusätzlichen Steuermittel beispielsweise auch bei denen ankommen, für die sie gedacht waren. Übrigens ist gerade der Umgang mit den Lobbyisten des Sports ein Schulbeispiel dafür, warum vor allem die Volksparteien CDU und SPD beim Wahlvolk immer mehr ins Abseits geraten: Es ist das unerträgliche Agieren nach Gutsherrenart unter dem Amigo-Motto: Uns kann keiner - egal, was wir uns erlauben.