Mittagszeit in der Eritreischen Hauptstadt Asmara. Blauer Himmel, die Sonne scheint, um die 30 Grad im Schatten. Asmara liegt auf 2400 Metern. Ideale Bedingungen für das Höhentraining von Spitzensportlern.
In Sachen Menschenrechte am Tabellenende
Die Nationalmannschaft der eritreischen Rennradfahrer kommt ins Restaurant. Sozialistischer Charme: Ein weiter Saal, schmucklos, Tische mit weißen Tischdecken. Alles ist vorbereitet. 20 Mal Spagetti Bolognese, dazu Früchte und eine süße Nachspeise. Es mangelt an nichts. Auch die Montur der Männer ist professionell.
Tatsächlich gehört das Rad in ganz Eritrea zu den bevorzugten Transportmitteln. Und immer wieder sieht man hagere Männer in ihrer bunten Rennfahrermontur mit Sturzhelm und Sonnenbrille über Berge Pässe und Täler fahren.
Einer von ihnen ist Bereket Yemane. Technisch anspruchsvolle Rennräder und Ausrüstung sind teuer. Das weiß auch der 29-jährige Radprofi. "Die Regierung, ja der Präsident persönlich, besorgen wunderschöne Räder. Für jeden von uns. Als Preis oder als Unterstützung für die Sportkommission. Der Präsident organisiert uns alles. Trikot, Schuhe, Räder und Helme. Er besorgt alles."
Auch wird Yemane vom Staat entlohnt. Nicht fürstlich, denn kaum jemand verdient gut in Eritrea. Angeblich nicht einmal die Regierungsmitglieder. Andere im Nationalteam fahren für internationale Rennställe. Eritrea gehört zu den ärmsten Ländern der Welt. Gleichzeitig ist der Staat international isoliert. In den Menschenrechtsrankings diverser Nichtregierungsorganisationen rangiert das Land auf den hintersten Plätzen.
Eritrea hat gute Ausdauerathleten
Die Idee, das politische Image eines Staates durch international erfolgreichen Spitzensport aufzubessern ist nicht neu. Und mit Daniel Teklehaimanot hat das Team einen Rennfahrer, der als erster Afrikaner das gepunktete Trikot - für den Führenden der Bergwertung der Tour de France trug. Der letztjährige Tour-Sieger Chris Froome sieht in den Eritreern die besten Ausdauerathleten. Sie hätten eine große Zukunft, meint der in Kenia geborene Froome in einem Zeitungsinterview.
Wäre da nicht das Dauerthema Flucht. Tausende fliehen jeden Monat über die grüne Grenze und machen sich auf den Weg nach Europa. Sie fliehen vor der Politik jenes Mannes, der den Profis gerne Rennräder organisiert. Dem Präsidenten.
Die Läufer bereiten sich auf Rio vor
Anders als die Nachbarn Kenia oder Äthiopien haben eritreische Sportler in Sachen Doping wenige bis gar keine Schlagzeilen geliefert - bisher. Auch nicht die Mittel-und Langstreckenläufer. Für sie ist die Höhe Asmaras ideal. Samson Gebreyohannes und seine Kollegen bereiten sich auf die 10.000 Meter bei den Olympischen Spielen in Rio vor. Wird unter ihnen das Thema Flucht diskutiert?
"Oh, das ist keine gute Frage für mich. Stellen sie mir lieber welche zum Thema Sport. Entschuldigung", sagt Gebreyohannes und lacht. Politische Äußerungen in der Öffentlichkeit abzugeben, ist gefährlich. Samson und seinen Kollegen ist das Thema sichtlich unangenehm. Das Lachen entsteht wohl aus Verlegenheit.
Dass im letzten Jahr fast die gesamte eritreische Fußballnationalmannschaft ein Auswärtsspiel dazu genutzt hat, Asyl im Gastland Botswana zu beantragen - das wollen Samson und seine Kollegen lieber nicht kommentieren. "Ich weiß nicht. Wir sind Läufer und Fußball ist ein anderer Sport. Wir können nur für uns reden. Fußball ist anders als Laufen."
Radsportler preisen ihr Land
Während bei den Athleten die Verunsicherung deutlich zu spüren ist, tritt Radrennfahrer Bereket Yemane den geflohenen Fußballern klar entgegen: "Die haben eine andere Auffassung. Ich kann das nicht nachvollziehen. Ich liebe mein Land. Eritrea ist Frieden, nur Frieden. Man kann hier Radfahren, hier ist die Familie. Ich komme, nachdem ich im Ausland war, immer gerne wieder."
Spitzensportler sind Privilegierte in Eritrea. Sie können die Welt bereisen und werden von Staat und Bevölkerung geschätzt. Daniel Tekehaimanot zum Beispiel wurde nach seiner Rückkehr von der Tour de France wie ein Volksheld gefeiert. Mit Autocorso und Präsidentenempfang. Warum sollte sich jemand um diese Privilegien bringen? In einem Land, in dem die meisten nicht einmal einen Reisepass besitzen.