Wo steht der deutsche Spitzensport? Diese Frage stellten jetzt die Sportdirektoren der Verbände dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) in einem Brief. Und rückten damit die vor sich dahin dümpelnde Spitzensportreform wieder in den öffentlichen Fokus. In dem unserer Redaktion vorliegenden Schreiben beantwortet eine lange Mängelliste die Eingangsfrage so: Der Spitzensport tritt im besten Falle auf der Stelle.
Im Spätsommer sind es zehn Jahre, seit das Bundesinnenministerium nach den Olympischen Sommerspielen in London 2012 die Reform im Angriff nahm, die 2016 mit deutlicher Mehrheit von der DOSB-Mitgliederversammlung in Magdeburg angenommen wurde.
Die Aussicht auf mehr Fördermittel hatte damals viele Bedenken zerstreut, dass diese Reform für die Verbände entscheidende Folgen haben könnte. Nun, sechs Jahre nach der Zustimmung, stellen die Sportdirektoren fest, dass man weder sportlich noch strukturell annähernd mit der Umsetzung der Spitzensportreform am Ziel sei.
Nicht erst die Ergebnisse der Spiele von Tokio und Peking zeigen: Der deutsche Spitzensport ist weiter im Abwärtstrend. Am Geld liegt es nicht: In den vergangenen zehn Jahren wurden die Fördermittel verdoppelt. Über 300 Millionen Euro vom Bund stehen dem DOSB jährlich im Schnitt zur Verfügung. Woran liegt also dann das Auf-der-Stelle-Treten des deutschen Spitzensports?
Viele Kritikpunkte
Die Kritikpunkte sind heute nahezu dieselben wie seit Beginn der Reformbemühungen: Eine Menge offene Baustellen, keine einheitliche Umsetzungsstrategie, mangelnde Veränderungsbereitschaft, zu viel Bürokratie, zu wenig Flexibilität bei der Mittelverteilung für die Verbände. Und vor allem: keine klare Rollenverteilung zwischen Bundesinnenministerium und DOSB. Der Dachverband sei mittlerweile, so die Direktoren-Kritik, weder Interessenvertreter des Sports noch dessen Unterstützer, sondern nur noch Controller und treibe im Hinblick auf die Verbandsgespräche und Kaderkriterien Papier- und Antragswust auf die Spitze.
Nun soll eine neue Einrichtung alles besser machen. Im Koalitionspapier der Ampelregierung wurde eine „unabhängige Instanz zur Mittelvergabe sowie ein Transparenzportal“ angekündigt. Womit wohl die Spitzensport-GmbH gemeint sein könnte, die durch die Sportlandschaft wabert, unter der sich aber kaum jemand etwas vorstellen kann. Da hilft ein Blick nach Österreich weiter. Bei den Nachbarn gibt es so eine Einrichtung seit 2018.
Das BMI holte sich wohl Anregungen aus der Alpenrepublik für die neue Einrichtung, die aber auch so ihre Schwächen hat, was ein Blick auf die Struktur zeigt: etwa bei der Besetzung der Entscheidungsgremien, wo Förderempfänger auch über die Mittelvergabe bestimmen. Da könnte man dann eigentlich alles lassen, so wie es ist.