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SPK-Chef Parzinger zu Benin-Bronzen
"Wir setzen nicht die Bedingungen"

Gehen einzelne Exemplare der Benin-Bronzen aus deutschen Sammlungen bald an Nigeria zurück? Im Dlf sagte dazu Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: "Klar ist, es war koloniales Unrecht. In erster Linie geht es jetzt hier um Rückgaben plus Zusammenarbeit."

Hermann Parzinger im Gespräch mit Mascha Drost | 02.05.2021
Eine Maske aus Bronze aus dem Benin-Königreich
Eine Bronze-Maske aus dem Benin-Königreich (IMAGO / United Archives)
Seit den 1970er-Jahre haben sich Politiker und Kulturexperten aus Nigeria um Rückgabe der berühmten Benin-Bronzen bemüht. Nach jahrzehntelanger Zurückhaltung gibt es von deutscher Seite aus eine Erklärung. Vertreter von Bund, Ländern und Museumsdirektoren haben die Rückgabe der Benin-Bronzen angekündigt. In deutschen Sammlungen befinden sich über tausend Stücke der kostbaren Kunstwerke. Ob es sich um den großen Durchbruch in der Restitution von Raubkunst handelt und was "substantielle Rückgaben" sind, dazu sagt Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz und einer der Unterzeichner der Erklärung.
"Substantiell heißt schon, dass es nicht einige wenige symbolische Rückgaben gibt, sondern wir werden schon über das Gesamtpaket sprechen. Allerdings haben wir auch den Wunsch, dass weiterhin Objekte dieser Kunst, die wirklich herausragend ist, in Berlin und anderen deutschen Museen gezeigt werden kann. Und das muss man jetzt mit der nigerianischen Seite besprechen unter welchen Umständen, wie so was möglich ist."
Raubkunst-Bronzen aus dem Land Benin in Westafrika sind im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe (MKG) in einer Vitrine ausgestellt
Benin-Bronzen Ab kommenden Jahr sollen deutsche Museen die geraubten Benin-Bronzen wieder an das Herkunftsland Nigeria zurückgeben. Bei einem runden Tisch wurde nun das weitere Vorgehen besprochen. "Es sind schwierige und hochpolitische Fragen", sagte Monika Grütters im Dlf.

Nicht wenige Rückgaben

Auf die Frage, was passiere, wenn die nigerianische Seite tatsächlich sämtliche Benin-Bronzen zurückfordert, antworte der Kulturmanager, dann müsse man sich damit auseinandersetzen. "Ganz entscheidend ist natürlich, dass wir hier nicht die Bedingungen setzen." Er wolle eine "langfristige Kooperation" und gemeinsame Ausbildungsprogramme herbeiführen.

Neue Zusammenarbeit

Zur Frage, wer entscheidet, was genau zurückgegeben wird, die nigerianische Seite oder die deutsche, antwortet der Archäologe Parzinger: "Die politisch verantwortlichen Träger der einzelnen Einrichtungen." Es gebe einen gemeinsamen Konsens, eine Lösung zu finden. Parzinger weiter: "Jetzt ist wirklich wichtig, dass wir in diesen intensiven Dialog mit der nigerianischen Seite eintreten." Es sei zudem eine weitere Reise nach Nigeria geplant. "Ich bin sicher, dass wir auf einem guten Weg sind, eine für beide Seiten sehr gute Lösung zu finden."
Unmissverständlich bekräftigte der Chef der Stiftung Preußischer Kulturbesitz: "Klar ist, es war koloniales Unrecht. In erster Linie geht es jetzt hier um Rückgaben plus Zusammenarbeit." Wenn Zweifel über die Herkunft bestehen, bleibt die Frage, ob Werke im Humboldtforum oder anderen deutschen Museen bleiben. Dazu der Museumsmann: "Wenn ein Unrechtskontext vorliegt, geht es immer an die Herkunftsländer." Als Beispiele nannte er Rückgaben an Alaska, Namibia, Australien, Neuseeland und Tansania.
Nanette Snoep über Dekolonisierung der Museen An vielleicht keinem anderen Ort ist die Kolonialzeit noch so präsent wie in den ethnologischen Museen. Ihre Sammlungen entstanden mit klaren politischen Zielen, sagt Nanette Snoep. Inzwischen werde nach neuen Konzepten gesucht.

Vertrauen und Kooperation

Was unter Unrechtsbedingungen in die Sammlung gefunden hat, "muss auch zurückgegeben werden." Wichtig sei für die Zukunft eine neue Kooperation: "Wenn das nicht eindeutig zu klären ist, wird eine vertrauensvolle Zusammenarbeit umso wichtiger." Aufgabe der Provenienzforschung sei es zu klären, was Unrechtskontext ist. Eine pauschale Rückgabe schloss Parzinger aus. Er wolle weiterhin den Besuchern der Museen die Geschichte der Kulturen der Welt erzählen. Das berechtige indes nicht zum Besitz oder der Verwahrung von unrechtmäßig erworbenen Sammlungsstücken.
Zum Vorwurf, in der Restitutionsdebatte fehle eine historische Geste, Deutungshoheit werde nicht abgegeben, erwiderte der Sammlungschef: "Das wird längst gemacht". Gemeinsam mit Vertreten der Herkunftsländer werde im Humboldtforum zusammengearbeitet.
Hermann Parzinger, Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, nimmt am 05.10.2017 in Berlin an einer Pressekonferenz zum Start des Provenienzforschungsprojekts zur anthropologischen Sammlung menschlicher Schädel teil. 
Hermann Parzinger über Restitution
Heute wurden erstmals in der Geschichte des Ethnologischen Museums Berlin geraubte Objekte restituiert. Die Rückgabe von Grabbeigaben an die Nachfahren indigener Gruppen aus Südwest-Alaska sei allerdings nur der Anfang einer längerfristigen Zusammenarbeit.