Pierre Boulez als Dirigent
"Spontaneität kommt von Struktur"

Das Komponieren verstand er als schwere Arbeit, Dirigieren hingegen war ihm „Divertimento“. Dazu brauchte Pierre Boulez keinen Taktstock. Jede Art des Pult-Posing war ihm fremd, wie er selbst in Interviews zeigte.

Am Mikrofon: Holger Noltze |
Der ältere Pierre Boulez dirigiert in rotem Hemd und schlichten Sakko ganz ohne Taktstock.
Pierre Boulez fand für sein Neue-Musik-Festival keine Dirigenten und wagte sich daher selbst ans Pul - mit durchschlagendem Erfolg. (imago / ZUMA Press / imago stock&people)
Sein Blick auf die Partituren von Wagner oder Webern war der eines Kollegen: analytisch. Die ausgeprägte Nüchternheit seines Auftretens führte dazu, dass auch sein Musikmachen so verstanden wurde. Pierre Boulez wurde zum Antipoden des Ästhetizismus eines Karajan oder der schwitzenden Überschwänglichkeit eines Bernstein stilisiert. Jede Art des Pult-Posing war ihm fremd.

Lohn der Arbeit: Referenzaufnahmen

Der Blick auf seine Aufnahmen, zum 100. Geburtstag, erweist deren sehr wohl sinnliche Dimension. Dem Deutschlandfunk gab Boulez 2005, am Rande seines zweiten „Parsifal“-Dirigats in Bayreuth, ein Interview. Darin brachte er seine Auffassung von Interpretation auf den Punkt: „Spontaneität kommt von Struktur“.
Boulez dirigiert in dieser Sendung Werke von Claude Debussy, Béla Bártock und Eigenes.