Am Telefon fragt er mich, ob es mir recht sei, wenn an unserem Treffen auch noch ein ehemaliger Kongressabgeordneter teilnehme. Aufgrund meiner etwas desolaten Interviewpartnerlage stimme ich erfreut zu.
Zehn Minuten später betrete ich die unaufgeräumte Küche einer Souterrain-Wohnung. In der Mitte steht ein Campingtisch, auf dem sich Zeitungen, Computerausdrucke, Werbeblättchen und Keksverpackungen türmen. Dahinter sitzt eine etwa 50-jährige kräftig gebaute Frau in einem roten Kostüm mit blond gefärbten Haaren und tippt die Einladung für eine Abendveranstaltung in den Computer. Ein sehr alter Mann am anderen Ende des Campingtisches diktiert ihr seine Wünsche zur Schriftgröße der Wörter.
Das ist Ken Hechler, mit 97 Jahren der älteste noch lebende ehemalige Abgeordnete des US-Repäsentantenhauses. Als Larry Gibson mich als Reporterin aus Deutschland vorstellt, schiebt sich Ken Hechler mit seinem Rollwägelchen ins angrenzende Wohnzimmer zum Bücherregal und drückt mir ein Taschenbuch in die Hand. Das habe er geschrieben. Es ist "Die Brücke von Remagen".
Ken Hechler war als Militärhistoriker im zweiten Weltkrieg in Europa stationiert. Danach ging er in die Politik und war 18 Jahre lang demokratischer Kongressabgeordneter für West Virginia. Seit dieser Zeit engagiert er sich gegen das Mountaintop mining in seiner Heimat, bei dem ganze Bergkuppen abgesprengt werden, um an die Kohle darunter zu gelangen. Ihn interessiere dabei nicht so sehr die Zerstörung der Berge selbst, sondern das Leid, das den Menschen angetan werde. Durch die Sprengungen würden die Grundwasserleiter in der Gegend zerstört. Die Anwohner fänden in ihren Brunnen entweder gar kein oder nur noch verseuchtes Wasser vor. Darüber hinaus lande das abgesprengte Gestein einfach in den Vorgärten.
Hier mischt sich Larry Gibson in das Gespräch ein. Seine Familie lebt seit mehr als 200 Jahren auf dem Kayford Mountain, einem Berg einige Meilen südlich von Charleston. In seiner Jugend, erzählt er, sei das Land seiner Familie eingerahmt gewesen von hohen Berggipfeln. Heute ist es der höchste Punkt in der Landschaft, umgeben von riesigen Bergbauwüsten. Larry Gibson nennt sich selbst Hüter des Berges und hat die Keeper of the Mountains Foundation gegründet, die gegen das Wegsprengen der Bergkuppen kämpft.
Am nächsten Tag bin ich verabredet mit Larry Gibsons Assistenten, Junior Walk. Er will mich auf dem Kayford Mountain treffen. Die Fahrt dorthin führt durch ein schmales Tal. Entlang der Straße reihen sich düstere Holzhäuser in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Allesamt sind sie vom Staub der Kohlelaster, die im Minutentakt vorbeidonnern, grau eingepudert. Neben der Einfahrt zu einem Tagebau zweigt eine Schotterstraße ab. Durch rot und gelb gefärbten Herbstwald schraubt sie sich den Berg hinauf. Oben angekommen erwarten mich einige Wochenendhäuschen, ein Schild, das mich im Stanley Heirs Park willkommen heißt und mich bittet, die Bären nicht zu füttern - aber kein Junior Walk. Es gibt auch keinen Handyempfang. In der Ferne hört man Motorsägen und Explosionen. Ich warte zwei Stunden. Mein Interviewpartner erscheint nicht. Zurück im Hotel versuche ich ihn telefonisch zu erreichen. Niemand hebt ab.
Die weiteren Tagebucheinträge von Monika Seynsche finden Sie unter:
Wunden der Erde - Ein Reisetagebuch
Die Recherchereise wurde mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung im Rahmen der Initiative Wissenschaftsjournalismus gefördert.
Zehn Minuten später betrete ich die unaufgeräumte Küche einer Souterrain-Wohnung. In der Mitte steht ein Campingtisch, auf dem sich Zeitungen, Computerausdrucke, Werbeblättchen und Keksverpackungen türmen. Dahinter sitzt eine etwa 50-jährige kräftig gebaute Frau in einem roten Kostüm mit blond gefärbten Haaren und tippt die Einladung für eine Abendveranstaltung in den Computer. Ein sehr alter Mann am anderen Ende des Campingtisches diktiert ihr seine Wünsche zur Schriftgröße der Wörter.
Das ist Ken Hechler, mit 97 Jahren der älteste noch lebende ehemalige Abgeordnete des US-Repäsentantenhauses. Als Larry Gibson mich als Reporterin aus Deutschland vorstellt, schiebt sich Ken Hechler mit seinem Rollwägelchen ins angrenzende Wohnzimmer zum Bücherregal und drückt mir ein Taschenbuch in die Hand. Das habe er geschrieben. Es ist "Die Brücke von Remagen".
Ken Hechler war als Militärhistoriker im zweiten Weltkrieg in Europa stationiert. Danach ging er in die Politik und war 18 Jahre lang demokratischer Kongressabgeordneter für West Virginia. Seit dieser Zeit engagiert er sich gegen das Mountaintop mining in seiner Heimat, bei dem ganze Bergkuppen abgesprengt werden, um an die Kohle darunter zu gelangen. Ihn interessiere dabei nicht so sehr die Zerstörung der Berge selbst, sondern das Leid, das den Menschen angetan werde. Durch die Sprengungen würden die Grundwasserleiter in der Gegend zerstört. Die Anwohner fänden in ihren Brunnen entweder gar kein oder nur noch verseuchtes Wasser vor. Darüber hinaus lande das abgesprengte Gestein einfach in den Vorgärten.
Hier mischt sich Larry Gibson in das Gespräch ein. Seine Familie lebt seit mehr als 200 Jahren auf dem Kayford Mountain, einem Berg einige Meilen südlich von Charleston. In seiner Jugend, erzählt er, sei das Land seiner Familie eingerahmt gewesen von hohen Berggipfeln. Heute ist es der höchste Punkt in der Landschaft, umgeben von riesigen Bergbauwüsten. Larry Gibson nennt sich selbst Hüter des Berges und hat die Keeper of the Mountains Foundation gegründet, die gegen das Wegsprengen der Bergkuppen kämpft.
Am nächsten Tag bin ich verabredet mit Larry Gibsons Assistenten, Junior Walk. Er will mich auf dem Kayford Mountain treffen. Die Fahrt dorthin führt durch ein schmales Tal. Entlang der Straße reihen sich düstere Holzhäuser in unterschiedlichen Stadien des Verfalls. Allesamt sind sie vom Staub der Kohlelaster, die im Minutentakt vorbeidonnern, grau eingepudert. Neben der Einfahrt zu einem Tagebau zweigt eine Schotterstraße ab. Durch rot und gelb gefärbten Herbstwald schraubt sie sich den Berg hinauf. Oben angekommen erwarten mich einige Wochenendhäuschen, ein Schild, das mich im Stanley Heirs Park willkommen heißt und mich bittet, die Bären nicht zu füttern - aber kein Junior Walk. Es gibt auch keinen Handyempfang. In der Ferne hört man Motorsägen und Explosionen. Ich warte zwei Stunden. Mein Interviewpartner erscheint nicht. Zurück im Hotel versuche ich ihn telefonisch zu erreichen. Niemand hebt ab.
Die weiteren Tagebucheinträge von Monika Seynsche finden Sie unter:
Wunden der Erde - Ein Reisetagebuch
Die Recherchereise wurde mit Mitteln der Robert Bosch Stiftung im Rahmen der Initiative Wissenschaftsjournalismus gefördert.