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Doping-Fahndung
Schilddrüsen-Medikamente immer verbreiteter im Spitzensport

Schilddrüsenmedikamente finden im Spitzensport immer mehr Verbreitung. In Italien wurde eine deutlich höhere Nutzung als in der restlichen Bevölkerung festgestellt - eine leistungssteigernde Wirkung ist denkbar. Auf der Dopingliste stehen die Medikamente derzeit aber nicht.

Von Sebastian Krause |
Eine Leichtathletin vor dem Start eines Laufs
Eine Leichtathletin vor dem Start eines Laufs (IMAGO/AFLOSPORT)
Immer wieder tauchen Schilddrüsenmedikamente im Zusammenhang mit Dopingfällen auf, zuletzt im Skandal um das Nike Oregon Project, die umstrittene Trainingsgruppe in den USA, zu der auch die Läuferin Kara Goucher gehörte. "Mein Coach wollte, dass ich Cytomel nehme, ein verschreibungspflichtiges Medikament für die Schilddrüse. Eine Nebenwirkung ist Gewichtsverlust. Damit wurde für mich eine rote Linie überschritten."

Leistungssteigerung durch Schilddrüsenmedikamente denkbar

Ihr damaliger Coach, der Lauftrainer Alberto Salazar, ist inzwischen wegen Dopings gesperrt, das Nike Oregon Project beendet. Warum sich Spitzensportler von Schilddrüsenmedikamenten eine Leistungssteigerung versprechen - für den Münchner Sportmediziner und Kardiologen Professor Axel Pressler nachvollziehbar. "Die Schilddrüse muss man sich im Prinzip vorstellen wie so ein Kraftwerk im Körper, im Grunde. Es ist sozusagen entweder für Beschleunigung oder quasi auch für die Kontrolle von Stoffwechselprozessen im Prinzip erforderlich. Das heißt dann wäre es natürlich schon denkbar, dass man durch Schilddrüsenhormone Prozesse halt beschleunigen kann, Energieherstellung vielleicht irgendwie unterstützen kann, Muskelpower vielleicht stärken kann."
Oder mehr Fett verbrennen und Gewicht verlieren kann. Nur für die Experten der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA fehlt der Beweis. Deshalb stehen Schilddrüsenmedikamente auch nicht auf der Dopingliste. Dabei fordern Anti-Doping-Agenturen mehrerer Nationen schon lange ein Verbot, weil sie vom Missbrauch der Schilddrüsenhormone im Spitzensport überzeugt sind. Und was die Dopingfahnder in Italien jetzt festgestellt haben, klingt unglaublich: "Schilddrüsenmedikamente unter italienischen Spitzensportlern sind viel weiter verbreitet als in der Normalbevölkerung. Gerade unter Radsportlern steigt die Zahl, fast jeder dritte Fußball-Profi gab die Einnahme an."

Italien: Unter Spitzensportlern Medikamente 20 Mal so stark verbreitet wie bei restlicher Bevölkerung

Eine Schilddrüsenunterfunktion, das also tatsächlich Medikamente genommen werden müssen, kommt laut Experten in der vergleichbaren Normalbevölkerung nur bei etwa ein Prozent oder noch weniger vor. Bei den italienischen Spitzensportlern liegt der Prozentsatz, zum Teil sogar mehr als 20 Mal höher. Was steckt dahinter? Dopingforscher Xavier de la Torre und seine Kollegen vom Anti-Doping-Labor in Rom gehen auch dem Verdacht der versuchten Leistungssteigerung nach.
"Ich glaube nicht, dass die Sportler so dumm sind, dass sie etwas nehmen, was nichts bringt. Wir haben festgestellt, dass der Gebrauch größer ist, als er sein sollte. Und jetzt müssen wir auch herausfinden, was wirklich der Grund ist", sagt de la Torre. Dass die Athleten durch ihren Sport schilddrüsenkrank geworden sind und deswegen die Medikamente brauchen, gilt unter Experten als unwahrscheinlich. Endokrinologe Professor Joachim Feldkamp vom Klinikum Bielefeld sagt ganz klar: "Nein, ich bekomme das sicherlich nicht mehr. Also die hohe Leistung erfordert das nicht."

Experten warnen vor Gesundheitsgefahr durch die Medikamente

Die Experten warnen sogar vor der Gesundheitsgefahr. Wer Schilddrüsenhormone einnimmt, ohne sie tatsächlich medizinisch zu brauchen, läuft Gefahr, sein Herz zu sehr anzukurbeln und auf dem Spielfeld oder der Strecke tot umzufallen. "Wir wissen natürlich auch nicht immer, warum jetzt ein oder andere den Herztod erlitten hat", sagt Professor Axel Pressler. "Wir Kardiologen sagen natürlich, das sind meistens Herzgeschichten, aber oft sind es ja Rhythmusstörungen. Und wenn man es so dieses Szenario durchdenkt, warum soll das nicht auch durch eine Überdosis von Schilddrüsenhormonen denkbar sein? Also ich würde das nicht ausschließen."
Die italienischen Dopingforscher hoffen, bis Jahresende Erklärungen für die extrem hohe Zahl der Schilddrüsenmedikamente liefern zu können. Und ob tatsächlich der Versuch der Leistungssteigerung dahinter steckt. Für Deutschland fehlen Zahlen zur Einnahme von Schilddrüsenmedikamenten komplett. Weder DOSB noch DFB und Anti-Doping-Agentur können Auskunft geben. Die NADA spricht sich aber dafür aus, Schilddrüsenhormone auf die Beobachtungsliste zu setzen.