Fast die Hälfte der Bevölkerung sorgt sich, dass im Umfeld der Fußball-Europameisterschaft in Deutschland zu Terroranschlägen kommen könnte. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov und des Sinus-Instituts. Demnach sind 12 Prozent der Befragten „voll und ganz besorgt“ sowie 35 Prozent „eher besorgt“. 20 Prozent der Befragten wollen aus Angst vor Anschlägen nicht zum Public Viewing.
Welche Herausforderungen für die Sicherheit gibt es?
Wie real ist die Gefahr?
Für die EM wurde extra ein Polizeihauptquartier geschaffen. Wie arbeitet das IPCC?
Welche weiteren Maßnahmen werden ergriffen?
Wie real ist die Gefahr?
Für die EM wurde extra ein Polizeihauptquartier geschaffen. Wie arbeitet das IPCC?
Welche weiteren Maßnahmen werden ergriffen?
Welche Herausforderungen für die Sicherheit gibt es?
Es gibt mehrere größere Komplexe, die die Sicherheitslage während der EM beeinträchtigen könnten: der Krieg im Nahen Osten, der russische Angriffskrieg in der Ukraine sowie eine Bedrohung durch Terroristen.
Bei großen, internationalen Turnieren bestehe immer eine erhöhte Terrorgefahr - hundertprozentige Sicherheit könne es nie geben, sagte Bundesjustizminister Buschmann den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Sicherheitsbehörden täten alles, was in ihrer Macht stehe, um eine sichere EM zu gewährleisten.
Was den russischen Angriffskrieg betrifft, sagte Buschmann, mit Sabotageakten sei weiterhin zu rechnen. Vom Konflikt in Nahost gehe noch eine etwas andere Gefahr aus. Seit dem Massaker der Hamas am 7. Oktober in Israel sei die Stimmung auch hierzulande aufgeheizter. "Jüdische Einrichtungen sind seither - noch stärker als früher - Angriffen und Bedrohung ausgesetzt. Auch die Hamas soll Anschläge auf jüdische Einrichtungen in Deutschland geplant haben. Wir müssen deshalb eine besondere Wachsamkeit an den Tag legen", so Buschmann.
Wie real ist die Gefahr?
Der IS-Anschlag in Paris während Spiels zwischen der deutschen und französischen Fußball-Nationalmannschaft 2015 oder jener auf schwedische Fußballfans in Brüssel im vergangenen Jahr zeigen, dass Sorgen grundsätzlich nicht unberechtigt sind. Anschläge auf sogenannte „weiche Ziele“ im öffentlichen Raum wie Stadienzufahrten oder Public Viewings seien wahrscheinlicher, da die Absicherung großer Menschenmassen hier schwieriger sei, erklärt Terrorexperte Johannes Saal im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.
Hinweis auf mögliche akute Gefährdungen gibt die Festnahme eines Mannes am Flughafen Köln/Bonn. Die Ermittler werfen dem Mann mit deutsch-marokkanisch-polnischer Staatsangehörigkeit vor, im September 2023 insgesamt fast 1.700 US-Dollar auf ein Konto der Terrorgruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) übermittelt zu haben. Die Gruppe hat auch den Anschlag auf die Konzerthalle in Moskau im März für sich reklamiert. Nun wurde bekannt, dass der Mann sich um eine Akkreditierung als Ordner bei der Fußball-EM bemüht hat. Das bestätigte Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul. „Konkrete Anschlagsplanungen“ hat es ihm zufolge aber nicht gegeben.
Der ISPK hatte zum Jahreswechsel auch mit einem Anschlag auf den Kölner Dom gedroht. In einem Video der Organisation sieht man jetzt einen bewaffneten Mann, der in ein Fußball-Stadion blickt und sagt: „Dann schieß du das letzte Tor“, dazu nennt er die Städte München, Berlin und Dortmund.
Die Berliner Polizeipräsidentin Barbara Slowik rät zur Besonnenheit. Polizeilich spreche man von einer abstrakt hohen Gefahr, sagte sie im Deutschlandfunk. „Wir haben aktuell keine konkreten Hinweise auf eine Anschlagsplanung. Das ist uns ganz wichtig.“ Islamisten versuchten durch Videos wie dieses einzuschüchtern und eine Drohkulisse aufrechtzuerhalten. Das nehme man sehr ernst, sagt Slowik. Aber: „Aus so einer Drohung ergibt sich aber eben nicht unmittelbar eine Bedrohung.“
Bei ihrer Pressekonferenz zehn Tage vor EM-Beginn teilten Bundesinnenministerin Faeser und NRW-Ministerpräsident Reul mit, dass es keine konkreten Gefährdungshinweise für die EM in Deutschland gebe. Die aktuelle Sicherheitslage sei allgemein "angespannt", die Sicherheitsbehörden seien aber bestmöglich vorbereitet, so Faeser.
Für die EM wurde extra ein Polizeihauptquartier geschaffen. Wie arbeitet das IPCC?
Im „International Police Cooperation Center“, kurz IPCC, sammelt die Polizei während der EM in den umgebauten Räumlichkeiten der Neusser Polizeischule relevante Informationen zu den Spielen. Dafür kommen dort mehr als 300 Polizistinnen und Polizisten vom Bund, aus den Bundesländern sowie den 24 beteiligten Teilnehmerländern vier Wochen lang zusammen. Ziel ist ein bestmöglicher Austausch von Informationen aus ganz Deutschland.
Bundesinnenministerin Faeser betonte, es sei sehr gut und wichtig, dass die teilnehmenden Staaten Deutschland mit eigenen Kräften unterstützten. 20 der 51 EM-Spiele finden in NRW statt. Dass NRW das Lagezentrum steuert, hatte die Innenministerkonferenz beschlossen.
„Wir erhoffen das Beste und erwarten das Schlimmste“, erklärt der Leiter des IPCC, Polizeidirektor Oliver Strudthoff im Deutschlandfunk die Herangehensweise. „Der Gedanke, dass man eben bei sich entwickelnden Lagen nicht erst, im alten Sinne das Telefonbuch rausnehmen muss und nachblättern, wen man jetzt anruft und wer jetzt zuständig ist, sondern man hat erstens die entsprechenden Meldewege vorher schon festgelegt in den Lagezentren der Länder und den Spielortbehörden.“
Die Bundesinnenministerin spricht vom IPCC als etwas „Einmaligem“, das neue Maßstäbe für weitere Sportereignisse in Deutschland setzen werde.
Welche weiteren Maßnahmen werden ergriffen?
Während des Turniers werden auch 350 ausländische Polizeikräfte in Deutschland eingesetzt. Die Polizei wird laut Bundesinnenministerium hohe Präsenz zeigen. Die Bundespolizei soll mit 22.000 Kräften die deutschen Grenzen, Flughäfen und den Bahnverkehr schützen. Eine Urlaubssperre gilt für sie genauso wie für Polizisten aus Nordrhein-Westfalen und zahlreichen anderen Bundesländern.
Für die Kontrolle und Lenkung von Fanströmen nutzen die Sicherheitsbehörden während der EM eine spezielle Software, die auf Künstlicher Intelligenz basiert. Das reicht von vergleichsweise harmlosen Aufgaben wie der Wegeführung von den Bahnhöfen zu den Arenen und reicht über schnelle Evakuierungen im Notfall bis hin zum Umgang mit Ausschreitungen.
Zudem hat die Bundesinnenministerin eine Woche vor Turnierbeginn Grenzkontrollen an Binnen- und Seegrenzen sowie Flughäfen in Kraft gesetzt. Das soll bei der Terrorismusbekämpfung helfen, aber auch gewaltbereite Fans an der Einreise hindern, damit, wie NRW-Innenminister Reul sagt, „die erst gar nicht hier hinkommen, weil die Franzosen oder die Briten dafür sorgen, dass die größten Störer auf der Insel beziehungsweise in Paris bleiben.“