Fußball-EM - Vorrunde
Partystimmung, lahmender Zugverkehr und Wirbel um den Turnierbaum

Die Vorrunde der Fußball-EM ist vorbei und wir ziehen eine Zwischenbilanz. Für das Sommermärchen 2.0 fehlte das konstant gute Wetter, dafür haben die Fans vieler Nationen die Erwartungen übertroffen. Und die internationalen Gäste konnten sich ihr eigenes Bild von der Deutschen Bahn machen.

Von Victoria Reith |
    Fans von Deutschland und der Schweiz in Frankfurt am 24.6.2024.
    Fans von Deutschland und der Schweiz in Frankfurt am 24.6.2024. (IMAGO / Sportpix / IMAGO / Stijn Audooren)
    Stimmung
    Favoriten
    Schiedsrichter
    Nah- und Fernverkehr
    Superlative

    Stimmung:

    Viel war im Vorfeld über eine Neuauflage des Sommermärchens 2006 gesprochen worden – natürlich ohne die damit verbundenen Skandale. Die Hoffnung war: in weltpolitisch schwierigen Zeiten das Gefühl von Zusammenhalt schaffen. Ob das vollständig gelungen ist, sei dahingestellt – und kann ja auch gar nicht der Anspruch eines einzelnen Großereignisses sein.
    Was die EM auf jeden Fall ist: eine ehrliche Fußballparty. Und noch dazu eine, die einigermaßen erschwinglich ist für die Fans aus ganz Europa, wie der Sportjournalist Raphael Honigstein im DLF erklärte. Deutschland sei schließlich gut zu erreichen – auch für ein einzelnes Spiel. Noch dazu findet diese Party ohne den Einfluss von Autokraten statt. Das ist, wenn man an vergangene Turniere (vor allem Weltmeisterschaften) denkt, ja auch zur Seltenheit geworden. Dass der Regen der Sommerparty öfter mal einen Strich durch die Rechnung gemacht hat, ist zu verschmerzen. Die Schotten konnten über unsere Gewitter zumindest nur lachen – sie sind Ärgeres gewohnt. Sie werden wohl am meisten vermisst, nachdem sie nun (leider) abreisen, sorgten sie doch für mitunter die beste Stimmung: ob älteren Menschen mit dem Regenschirm über die Straße geholfen oder einfach für tolle Atmosphäre mit anderen Fanlagern gesorgt wurde, die "Tartan Army" war vorne mit dabei.

    Favoriten:

    Das einzige Team, das komplett überzeugt, sind die Spanier. Viele weitere Topkandidaten präsentierten sich noch so gar nicht in Titelform, allen voran der ewige Edel-Underdog Belgien. England quälte sich mit biederem und wenig ansehnlichem Defensivfußball zum Gruppensieg, bei den Franzosen ging nach vorne auch noch nicht allzu viel.
    Den Engländern dürfte der Turnierbaum Hoffnung verleihen – sie gehen den Teams aus Deutschland, Belgien, Frankreich, Spanien und Portugal bis zum Finale aus dem Weg und haben es bei einem Weiterkommen im Viertelfinale gegebenenfalls mit Italien zu tun. Die Azzuri träumen ebenfalls vom Finale, denn die Teams aus den Niederlanden, Rumänien oder der Türkei flößen ihnen keine Angst ein. Für die Deutschen dürfte es hingegen ein hartes Stück Arbeit werden, um das Viertelfinale zu überstehen. Sollte man Dänemark besiegen, wartet vermutlich schon in der nächsten Runde Spanien.
    Es darf aber mit Überraschungen gerechnet werden, denn keine Mannschaft war komplett abgehängt. Jedes Team in der Vorrunde – auch die Gruppenletzten – hat mindestens einen Punkt geholt. Das große Drama spielte sich für die Ukraine ab – mit vier Punkten wurde das Team Gruppenletzter. Damit waren die Ukrainer punktgleich mit dem Ersten der Gruppe, Rumänien.

    Schiedsrichter:

    Über Schiedsrichter wird ja immer viel diskutiert, deswegen halten wir es an dieser Stelle kurz. Aber es soll zumindest nicht unerwähnt bleiben, dass der Unparteiische der Partie Tschechien gegen die Türkei eine gewisse Vorliebe für gelbe Karten hat. Ganze 18 gelbe und dazu zwei rote Karten zückte der rumänische Schiedsrichter Istvan Kovacs. Sogar der verletzte Tscheche Patrik Schick wurde auf der Bank bedacht.
    Ansonsten herrscht mit einer Neuerung große Zufriedenheit: Nur noch Kapitäne dürfen sich beim Schiedsrichter beschweren. Der ehemalige Schweizer Schiedsrichter Urs Meier sprach gar von einer „genialen Idee“.

    Nah- und Fernverkehr:

    Diejenigen, die häufiger mit dem Zug in Deutschland unterwegs sind, wussten es bereits vor Turnierbeginn: Die Deutsche Bahn kann Spiele mitentscheiden. Zumindest für die Fans, die zu spät oder gar nicht ins Stadion kommen, weil Strecken gesperrt sind oder Züge ausfallen. Wegen einer Streckensperrung zwischen Passau und Regensburg mussten zahlreiche Fans aus Österreich auf dem Weg nach Düsseldorf den Schienenersatzverkehr nehmen – etwa 150 von ihnen kamen erst in der zweiten Halbzeit in Düsseldorf an. Vor dem letzten Gruppenspiel machten sich die österreichischen Fans immerhin auf humorvolle Art Luft. Die Engländer beschwerten sich in Gelsenkirchen über Probleme im öffentlichen Nahverkehr.
    Aber das Unheil trifft auch Mannschaften: Bondscoach Ronald Koeman und die Elftal mussten nach dem abschließenden Gruppenspiel gegen Österreich auf den Bus umsteigen, da es keine Verbindung mehr von Berlin nach Wolfsburg gab.
    Aber auch wenn die Deutsche Bahn häufiger mal Anlass zur Verzweiflung gibt: Kurzstreckenflüge wie der der türkischen Mannschaft von Hannover nach Hamburg – die beiden Städte trennen gerade einmal 150 Kilometer -  sollten auch nicht die Lösung sein.

    Superlative:

    Nun noch kurz ein paar Rekorde, die die EM 2024 bisher bereitgehalten hat:
    Karten: 18 Gelbe und zwei Rote Karten - noch nie sind in einem Spiel bei einer Fußball-Europameisterschaft so viele Karten verteilt worden wie beim bereits oben erwähnten Sieg der Türkei gegen die Tschechen.
    Lamine Yamal wurde zum jüngsten Spieler der EM (16 Jahre, 338 Tage), Pepe zum ältesten (41 Jahre, 113 Tage) und Luka Modric zum ältesten Torschützen (38 Jahre, 289 Tage). Zumindest bis Cristiano Ronaldo (39) seinen ersten Treffer erzielt. Und auch das deutsche Team hat schon welche eingefahren: Manuel Neuer wurde zum Torhüter mit den meisten EM-Einsätzen (18) und überholte damit die italienische Torwartlegende Gigi Buffon. Toni Kroos erreichte mit seiner Passquote von 99 Prozent aus dem Schottland-Spiel den höchsten Wert eines Spielers mit mehr als 100 gespielten Pässen in einem EM-Spiel (seit 1980). Und sein nur zwei Jahre älterer Trainer, Julian Nagelsmann, ist mit 36 Jahren und 327 Tagen der jüngste EM-Trainer
    Kein Rekord ist – bisher – bei den Eigentoren gebrochen worden, auch wenn es so scheinen mag: Der Höchstwert bei einer EM steht bei elf aus dem Jahr 2021, bei dieser EM sind es bisher sieben. Aber das Turnier ist ja noch nicht vorbei.