Er war der Kaiser, der weltliche Herrscher über den Fußball, später sogar die Lichtgestalt für den Sport in Deutschland. Quasi gottesgleich. Mit 18 Jahren spielte Franz Beckenbauer zum ersten Mal für den FC Bayern München und begeisterte die Fans und Experten sofort mit einer Eleganz, die man bis dato auf dem Feld nicht gesehen hatte.
„Es war diese Übersicht über das Spiel“, erinnert sich SPD-Politiker und Sportfunktionär Willi Lemke, der Beckenbauer während seiner Karriere begleitet hat, im Deutschlandfunk: „Er war der perfekte Vorbereiter, wie er seine Gegner leichtfüßig umspielt hat.“ Aber nicht nur seine Technik machte sein Spiel aus, erinnert sich Reportertlegende Manfred Breuckmann: „Er hat gezeigt, dass man spielerische Eleganz mit einer Gewinnermentalität kombinieren kann.“
Und so wurde Franz Beckenbauer auf dem Feld zu einem der erfolgreichsten Spieler seiner Zeit: Mit dem FC Bayern München hat er vier Meistertitel geholt, vier Mal den DFB-Pokal, drei Mal in Folge den Europapokal der Landesmeister, den Vorläufer der Champions League gewonnen. Außerdem den Europapokal der Pokalsieger und den Weltpokal erobert. Mit der Nationalmannschaft wurde der 1945 in München geborene Beckenbauer 1972 Europameister – und 1974 schließlich Weltmeister im eigenen Land. Später wechselte er nach New York und spielte mit einem der weltweit besten Fußballer, dem Brasilianer Pelé, in einer Mannschaft – nach seiner Rückkehr in die Bundesliga holte er schließlich 1982 mit dem Hamburger SV noch einmal die Meisterschaft.
Trainer ohne Trainerschein
„Mit Fußball möchte ich später nichts mehr zu tun haben“, sagte Beckenbauer zu Beginn seiner Karriere: „Ein Trainerberuf kommt für mich wahrscheinlich nicht in Frage.“ Und in gewisser Weise hat Beckenbauer Wort gehalten: Einen Trainerschein hat er nie gemacht, trotzdem führte er die Nationalmannschaft 1990 im Rom als Teamchef zum dritten Weltmeistertitel.
Als Spieler und Trainer Weltmeister zu werden – neben Beckenbauer ist das nur zwei weiteren Fußballern gelungen. Weggefährten, Kollegen und Freunde würdigen entsprechend den verstorbenen Franz Beckenbauer: „Mit ihm verlieren wir einen einzigartigen Fußballer und einen liebenswerten Menschen“, so DFB-Präsident Bernd Neuendorf. DFB-Sportdirektor Rudi Völler, der unter Beckenbauer Weltmeister wurde, schrieb: „Ich betrachte es als eines der großen Privilegien meines Lebens, Franz Beckenbauer gekannt und erlebt zu haben.“ Und auch aus der Politik kommen Reaktionen: Bundeskanzler Olaf Scholz bezeichnete Beckenbauer als einen „der größten Fußballer in Deutschland“, der „über Generationen für den deutschen Fußball begeistert hat.“
Und das nicht nur während seiner Spieler- und Trainerkarriere. Auch später blieb er – entgegen seiner ursprünglichen Ankündigung – dem Sport erhalten. So wurde er erst Präsident und später Ehrenpräsident vom FC Bayern. „Franz Beckenbauer ist die größte Persönlichkeit, die der FC Bayern jemals hatte", sagte der heutige Ehrenpräsident der Bayern, Uli Hoeneß: „Als Spieler, Trainer, Präsident, Mensch: unvergesslich. Niemand wird ihn jemals erreichen.“
Wo Licht ist, ist auch Schatten
Auch als Funktionär feierte Franz Beckenbauer große Erfolge, die ihm später aber auch Kritik und Nachforschungen einbrachten. 2006 sorgte Beckenbauer mit seinem Ansehen und seinen internationalen Kontakt maßgeblich dafür, dass die Fußball-Weltmeisterschaft nach Deutschland kam: „Mitzuhelfen, eine Weltmeisterschaft ins Land zu holen, und sie dann auch noch organisieren zu dürfen: Das ist das höchste Gut, das man erreichen kann. Das ist mehr wert als alle Weltmeisterschaften, die du als Spieler und Trainer gewonnen hast“, so Beckenbauer zum Turnier im eigenen Land.
Rund um dieses sogenannte „Sommermärchen“ sind nach und nach allerdings viele Skandale ans Licht gekommen. Eine Zahlung über 6,7 Millionen Euro nach Katar im Vorfeld der WM-Vergabe, eine Aufwandsentschädigung für Beckenbauer über mutmaßlich 5,5 Millionen Euro, die er immer nur vage erklärt hat. „Da fällt schon ein Schatten auf die unvergleichliche Karriere von Franz Beckenbauer“, so Sportjournalist Manfred Breuckmann im Deutschlandfunk: „Ich kann mir nicht vorstellen, dass er gar nicht Bescheid wusste.“ Verurteilt wurde Beckenbauer allerdings nie – ein Verfahren in der Schweiz wurde wegen Verjährung eingestellt.
Beckenbauer steht für alle Phasen der Fußball-Entwicklung
Doch auch abseits des Sommermärchens machte Beckenbauer Schlagzeilen. Zu den Vorwürfen der Zwangsarbeit rund um die Fußball-WM in Katar sagte er, er habe dort keine Sklaven in Ketten gesehen – diese Äußerung warf einen weiteren Schatten auf die Lichtgestalt. Lange Zeit hatten die Medien den erfolgreichen Beckenbauer zum angesehenen Vorbild hochstilisiert, ihn zur Lichtgestalt gemacht, mit den zunehmenden Fragen und irritierenden Äußerungen änderte sich auch die glorifizierende Berichterstattung.
"Beckenbauer hat ein ganzes Zeitalter bundesrepublikanischer Geschichte geprägt, als Medienfigur, und von daher ist die Rolle der Medien gar nicht zu unterschätzen", sagt der Medienwissenschaftler Thomas Horky von der Hochschule Macromedia Hamburg im Deutschlandfunk: "Er steht einerseits für eine Zeit, in der der Fußball und auch die Gesellschaft, kommerzialisiert worden ist, aber auch für die Zeit, in der der Fußball in die Kritik gerät, in vielerlei Hinsicht."
Anhaltende Untersuchungen, aufwallende Kritik an seiner Person und dazu persönliche Schicksalsschläge führten dazu, dass sich gesundheitlich angeschlagene Beckenbauer zuletzt immer mehr aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hat. Den letzten öffentlichen Auftritt hatte er rund ein Jahr vor seinem Tod in Kitzbühel. Jetzt ist Beckenbauer im Alter von 78 Jahren gestorben. Er bleibt der Fußballer, der das Image des Sports in Deutschland maßgeblich geprägt hat. Erst Kaiser, später Lichtgestalt. Ein Mensch, über den Willi Lemke sagt: „Wenn er in den Raum gekommen ist, ging das Licht an.“