Sportförderung des Bundes
Sport kritisiert Mittelkürzung nach Jahren der Steigerungen

Dem Sport droht eine Kürzung seiner Mittel im Bundeshaushalt. Dagegen regt sich Widerspruch - doch die Sportförderung stieg in den vergangenen Jahren auch.

Von Maximilian Rieger und Chaled Nahar | 04.09.2023
    Start bei einem 100-Meter-Lauf bei der Leichtathletik-WM in Budapest 2023
    Start bei einem 100-Meter-Lauf bei der Leichtathletik-WM in Budapest 2023 (IMAGO / Xinhua / IMAGO / Zheng Huansong)
    Im Haushalt für das Jahr 2024 ist eine Kürzung für die Sportförderung um 27 Millionen Euro von 303 auf 276 Millionen vorgesehen. Angesichts der Leichtathletik-WM mit null Medaillen für den Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) äußerte DLV-Präsident Kessing den Wunsch nach mehr Unterstützung aus der Bundespolitik.
    Man solle "die eine oder andere Milliarde in den Sport reinstecken für Kinder, um sie stark zu machen", forderte der 66-Jährige am Ende der WM in Budapest. Deutschland müsse finanziell mehr für den Sport tun, sagte Kessing. Die vom Bund insgesamt zur Verfügung gestellten "rund 300 Millionen" würden nicht ausreichen, um mitzuhalten.

    Sportförderung des Bundes von 2013 bis 2022 verdoppelt

    Die 300 Millionen sind ein Bezug auf die Summe vom Bund, die nun gekürzt werden soll. Zuletzt profitierten der Sport und die Verbände aber von ordentlichen Steigerungen dieses Betrags. Von 2013 bis 2022 stieg die Förderung der olympischen Sportarten in Deutschland von 53,46 Millionen Euro auf 103,27 Millionen Euro. Die Leichtathletik erlebte eine Steigerung von 6,01 Millionen Euro auf 10,41 Millionen Euro.
    Die Forderung des damaligen Bundesinnenminister Thomas de Maizière nach mehr Medaillen wurden nicht erfüllt. 2012 hatten die deutschen Leichtathleten acht Medaillen bei den Olympischen Spielen in London geholt, 2016 in Rio de Janeiro und 2021 in Tokio jeweils drei.
    Zudem ist Sportförderung des Bundes nicht die einzige Maßnahme einer öffentlichen Förderung des Sports. Die Bereitstellung von Sportstätten durch Kommunen, die Organisation des Schulsports durch die Länder, zudem haben auch die Bundesländer Sportförderungen.

    Fast 70 Millionen für den Sport durch Zoll, Bundeswehr und Bundespolizei

    Doch es gibt auch die Möglichkeit für Athletinnen und Athleten, bei Zoll, Bundespolizei und Bundeswehr den Berufssport gut mit einem Job zu kombinieren. Zur Anstellung von Sportlerinnen und Sportlern beim Zoll antwortete das Bundesministerium der Finanzen auf eine Anfrage des Deutschlandfunks: "Die Kosten bewegen sich in einem Umfang von rund drei Millionen Euro." 73 Menschen seien im Sportkontext zuletzt beim Zoll angestellt gewesen.
    Bei der Bundeswehr wurde seit 1. April 2020 die Anzahl der bereitgestellten Förderplätze auf 890 erhöht, teilte das Bundesverteidigungsministerium auf Anfrage mit. "Alle seit 2013 zur Verfügung stehenden Förderplätze wurden stets in Anspruch genommen und entsprechen somit auch dem aktuellen Förderumfang." Auch für 2024 seien 890 Plätze geplant, was mit 41 Millionen Euro zu Buche schlage. Bundeswehrangehörige hätten seit der Wiedervereinigung bei Olympischen Spielen insgesamt 306 Medaillen errungen. "Dies entspricht rund 46% der seither insgesamt 666 gewonnenen Olympia-Medaillen für die Bundesrepublik Deutschland", so das Ministerium.
    Für die Bundespolizei stehen dem Bundesinnenministerium zufolge insgesamt 160 Förderstellen für Spitzensportlerinnen und Spitzensportler zur Verfügung, "welche in der Regel voll ausgeschöpft werden", so das Ministerium. 13.355.800 Euro seien dafür 2024 eingeplant, knapp mehr als 13 Millionen waren 2023. Durch die Strukturen in Zoll, Bundespolizei und Bundeswehr kommen also nochmal rund 67 Millionen Euro an Sportförderung hinzu.

    DOSB räumt ein: Verteilung läuft zu ineffizient

    Torsten Burmester, Vorstandschef des Deutschen Olympischen Sportbunds, räumte im Gespräch mit dem Deutschlandfunk auch Versäumnisse im Sport ein. "Wir haben im Moment im Bereich der Mittelvergabe bis zu sieben Beteiligte. Das ist in der Tat ineffizient, da müssen wir wesentlich schneller werden. Ich glaube, wir sind manchmal ein Tanker in der Spitzensportförderung. Wir sind zu langsam, was den Weltstandard angeht. Wir sind zu wenig innovativ, wir müssen digitaler werden."
    Um dieses Problem zu beheben, arbeite der DOSB gerade mit dem BMI daran, eine Agentur für Spitzensport zu gründen, die künftig das Geld verteilen soll – unter sportfachlichen Gesichtspunkten. Details, wie die Agentur aussehen soll, sind aber noch offen.

    Sportwissenschaftler: Bisherige Reformen reichen nicht aus

    Arne Güllich, Professor für Sportwissenschaften, forderte im Deutschlandfunk ernsthafte Reformen. Die bisherigen Maßnahmen würden nicht ausreichen. "Der Punkt ist, das sind ja keine wirklichen Reformen. Es wird ja niemals die Anlage des Sportsystems und der Spitzensportförderung selbst infrage gestellt und nach Alternativen geschaut. Sondern die ganzen Reformen sind ja eher eine Verstetigung des eingeschlagenen Weges", sagte Güllich.
    Die von Burmester angesprochene Agentur begrüßte Güllich als richtigen Schritt: "Das ist eine Selbstverständlichkeit, dass es eine unabhängige Institution geben muss, die die Mittelverteilung bestimmt." Für den DOSB bedeute die Installation einer solchen Agentur aber einen Machtverlust, so Güllich.
    Für ihn nimmt die Schule in der Talentsuche und Talentförderung eine wichtige Rolle ein. Ihre Aufgabe sei das aber nicht. Vielmehr müssten sich die Sportvereine durch Probetrainings oder Schnuppertage stärker in den Schulsport einbringen. "Die Talente, die wir heute entdecken und dann in den Sport einbinden, werden dann in zehn Jahren im Spitzensport aktiv sein."

    Kürzungen? Sportausschussvorsitzender macht Verbänden Hoffnung

    Für die Verbände geht es aber kurzfristig darum, die Mittelkürzung abzuwenden. Hoffnung auf eine Änderung der Pläne machte der Vorsitzende des Bundestags-Sportausschusses, Frank Ullrich. "Ich werde mich sehr stark auch bei unseren Haushältern dafür einsetzen, dass wir diese Kürzungen vermeiden", sagte der SPD-Politiker.