Fußball-WM 2030 und 2034
Ohne Widerspruch - FIFA vergibt eine WM an sechs Länder und eine an Saudi-Arabien

Am 11. Dezember vergibt die FIFA die WM 2030 an sechs Länder auf drei Kontinenten und die WM 2034 an Saudi-Arabien. Das Ergebnis steht de facto fest. Eine echte Abstimmung ist nicht vorgesehen, Widerspruch gibt es kaum - auch nicht vom DFB.

Von Chaled Nahar |
    Der Sockel des WM-Pokals
    Der Sockel des WM-Pokals (IMAGO / USA TODAY Network / IMAGO / Jessica Alcheh)
    Der außerordentliche FIFA-Kongress beginnt am 11. Dezember um 15 Uhr. Dieser Kongress findet in einer Zoom-Konferenz statt. Zwei Weltmeisterschaften der Männer werden dann digital vergeben.
    • Die WM 2030 geht an Spanien, Portugal und Marokko, dazu gibt es Eröffnungsspiele in Argentinien, Paraguay und Uruguay - 1930 hatte in Uruguay die erste WM stattgefunden.
    • Die WM 2034 wird nach Saudi-Arabien vergeben.
    Am Ergebnis der Abstimmung besteht keinerlei Zweifel - doch es bleiben viele Fragen, vor allem in Bezug auf Saudi-Arabien und die dortige Lage der Menschenrechte.
    Warum ist schon klar, wie die Abstimmung ausgeht?
    Wie wird abgestimmt?
    Wie steht der DFB dazu?
    Gibt es sonst Widerspruch aus dem Fußballsystem?
    Was ist mit Menschenrechten in Saudi-Arabien?
    Aber die WM wird trotzdem dorthin vergeben?
    Was sagen Menschenrechtsorganisationen dazu?
    Warum will die FIFA das Turnier in Saudi-Arabien austragen?

    Warum ist schon klar, wie die Abstimmung ausgeht?

    Der FIFA-Rat, in dem auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf Mitglied ist, hat mehrere Maßnahmen einstimmig beschlossen, die keinen Zweifel an der Vergabe lassen.
    Die zuvor separaten Bewerbungen aus Südamerika auf der einen sowie Spanien, Portugal und Marokko auf der anderen Seite wurden zu einer verschmolzen. Die beteiligten Kontinente Europa, Afrika und Südamerika wurden daraufhin für 2034 ausgeschlossen, Nordamerika wegen der WM 2026 ebenfalls. Weil nur Asien und Ozeanien (außer Neuseeland und Papua-Neuguinea nur kleine Inselstaaten) übrig blieben, war eine Gegenkandidatur für Saudi-Arabien angesichts der Unterstützung aus Asien praktisch vom Tisch.
    Außerdem schlug der FIFA-Rat einstimmig Statutenänderungen vor, die der Kongress im Mai 2024 beschloss. Damit wurde eine Doppelvergabe wieder ermöglicht. Doppelvergaben waren bei den FIFA-Reformen 2016 nach dem großen Skandal abgeschafft worden, da sie Absprachen und Korruption begünstigen können.
    Darüber hinaus beschloss der FIFA-Rat einstimmig eine Blockwahl über beide Turniere - die Verbände haben also nur eine Stimme. Wer gegen Saudi-Arabien stimmen will, stimmt damit automatisch gegen Portugal und Spanien, weshalb es kaum zu Gegenstimmen aus Europa kommen wird.

    Wie wird abgestimmt?

    Wahrscheinlich gar nicht, weil alles klar ist. Die Verbände aus den Niederlanden, Belgien und Norwegen bestätigten bereits, dass die Vergabe per Akklamation beschlossen wird. Akklamation ist ein zustimmender Beifall statt einer echten Abstimmung.
    In der Tagesordnung steht "Bestimmung der ausrichtenden Verbände der Weltmeisterschaften 2030 und 2034" als Tagesordnungspunkt. Im Mai beim Kongress in Bangkok, als die WM der Frauen 2027 vergeben wurde, hieß der Tagesordnungspunkt "Abstimmung über die Bestimmung der ausrichtenden Verbände/des ausrichtenden Verband".
    Auch ein FIFA-Ratsmitglied bestätigte gegenüber der Sportschau, dass er wegen der Wortwahl in der Tagesordnung von einer Akklamation ausgehe - ohne diese Information von der FIFA-Führung erhalten zu haben. Die FIFA stellte den Sachverhalt auf Anfrage nicht klar.

    Wie steht der DFB zu der Bewerbung Saudi-Arabiens?

    Im Oktober 2023 hatte der DFB mitgeteilt, dass er die Bewerbung Saudi-Arabiens auf Menschenrechte prüfen und sich dann positionieren werde. Das ist bislang nicht passiert. Der DFB teilte aktuell auf Anfrage mit, dass noch Gespräche laufen. "Eine finale Entscheidung darüber, wie sich der DFB positioniert, ist noch nicht erfolgt."
    Alles andere als eine Zustimmung wäre jedoch eine Überraschung, DFB-Präsident Neuendorf hat wie auch alle anderen europäischen Ratsmitglieder den Beschluss sämtlicher Rahmenbedingungen im FIFA-Rat mitgetragen und hat sich zuvor für die "im Kern europäische" Bewerbung 2030 ausgesprochen.
    FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf
    FIFA-Präsident Gianni Infantino (l.) mit DFB-Präsident Bernd Neuendorf (IMAGO / Sven Simon / IMAGO / Frank Hoermann / SVEN SIMON)

    Gibt es sonst Widerspruch aus dem Fußballsystem?

    Fast keine. Norwegens Verbandspräsidentin Lise Klaveness kritisierte den Prozess und den Ablauf des Bewerbungsverfahrens. Ansonsten gibt es so gut wie keinen Widerspruch. Mit Belgien, den Niederlanden und Dänemark haben sich bereits einige Verbände aus der "One Love"-Gruppe von 2022 mehr oder weniger klar für Saudi-Arabien als WM-Gastgeber ausgesprochen. Eine Positionierung dieser Verbände wie am Ende in Katar zeichnet sich derzeit nicht ab.

    Was ist mit Menschenrechten in Saudi-Arabien?

    In Saudi-Arabien ist ihre Lage katastrophal. Kronprinz Mohammed bin Salman herrscht in Saudi-Arabien in einer absoluten Monarchie. In der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen belegt Saudi-Arabien Platz 166 von 180, noch hinter Somalia, Aserbaidschan oder Russland und sehr weit hinter Katar. Es gibt keine Meinungs- oder Versammlungsfreiheit. Unfaire Gerichtsverfahren führen Menschenrechtsorganisationen zufolge zu Todesurteilen - auch gegen Personen, die bei der vermeintlichen Tat noch minderjährig waren.
    Frauen haben stark eingeschränkte Rechte, homosexuelle Handlungen stehen unter Strafe. Der regierungskritische saudi-arabische Journalist Jamal Khashoggi wurde 2018 in Istanbul von einem Killerkommando ermordet und mit einer Knochensäge in Stücke zerteilt. Eine Untersuchung der Vereinten Nationen und Berichte des US-Geheimdienstes CIA deuten auf eine Anordnung des Mordes durch Kronprinz bin Salman hin.

    Aber die WM wird trotzdem dorthin vergeben?

    Ja. Die Regularien der FIFA schreiben die Einhaltung der Menschenrechte vor, aber das beschränkt sich auf Aktivitäten in Zusammenhang mit dem Turnier. Die generelle Lage der Menschenrechte in einem Ausrichterland ist kein grundsätzliches Kriterium für die Vergabe.
    Die FIFA erstellt Prüfberichte, in denen auch Risiken in Sachen Menschenrechte bewertet werden. Die seien noch nicht verfügbar, so die FIFA gegenüber der Sportschau. "Die Berichte zur Bewerbungsbewertung für die FIFA-Weltmeisterschaften 2030 und 2034 werden vor dem außerordentlichen FIFA-Kongress am 11. Dezember 2024 veröffentlicht."
    FIFA-Präsident Gianni Infantino
    FIFA-Präsident Gianni Infantino (IMAGO / ULMER Pressebildagentur / ULMER via www.imago-images.de)

    Was sagen Menschenrechtsorganisationen dazu?

    "Stoppt die Vergabe!" - das ist die Schlussfolgerung eines gemeinsamen Berichts der Sport & Rights Alliance und Amnesty International. Die Prüfung der Menschenrechtslage sei fehlerhaft und unzureichend, die FIFA untergrabe ihre eigenen Regularien. Elf Stadien werden neu gebaut, vier modernisiert, fast 200.000 Hotelzimmer werden geschaffen. Zahlreiche Gastarbeiter werden gebraucht. Schon jetzt gibt es Bericht über die Verletzung von Arbeitsrechten am Aramco Stadium in der Stadt Khobar, wo WM-Spiele stattfinden sollen.
    "In diesem Punkt müssen wir dringend unsere Lehren aus Katar ziehen", sagt Andrea Florence, Direktorin der Sport & Rights Alliance, bei der Sportschau. "Die Welt hat damals gesehen, dass die Stadien auf dem Tod von Gastarbeitern gebaut wurden. Wir dürfen nicht zulassen, dass sich das in Saudi-Arabien wiederholt." Mit Blick auf den DFB und die anderen FIFA-Mitglieder sagt sie: "Wenn die Verbände eine WM vergeben, ohne dass die erforderliche gründliche Menschenrechtsprüfung durchgeführt wurde, sind die Verbände auch für Verstöße mitverantwortlich."
    Das gelte in Teilen auch für 2030, wo Menschenrechtler mit Sorge nach Marokko blicken. Für das Turnier 2030 fordern sie eine Vergabe, die an Bedingungen geknüpft sein soll.

    Warum will die FIFA das Turnier in Saudi-Arabien austragen?

    Das Turnier hat ab 2026 die Größe von 48 Teams und 104 Spielen, also etwas da doppelte Ausmaß einer bisherigen WM. Immer weniger Regionen und Länder der Erde sind imstande, ein solches Turnier wirtschaftlich und infrastrukturell zu stemmen. Saudi-Arabien hat das nötige Geld und den politischen Willen, um für die FIFA das Turnier auszurichten.
    FIFA-Präsident Gianni Infantino (2.v.l.) mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman (l.)
    FIFA-Präsident Gianni Infantino (2.v.l.) mit Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman (l.) (imago / ITAR-TASS / Alexei Druzhinin)
    Hinzu kommen wirtschaftliche Verbindungen. Aramco, die staatliche Erdölfördergesellschaft, ist nun ein Großsponsor der FIFA. Die schnelle Vergabe auf einem außerordentlichen Kongress kann sich für die FIFA lohnen: Die sucht derzeit dringend Sponsoren für die neue Klub-WM 2025.