Fußball
Warum UEFA-Präsident Aleksander Ceferin 2027 nicht mehr antreten will

Der Weg für eine weitere Amtszeit als UEFA-Präsident stand Aleksander Ceferin frei, doch er tritt 2027 ab. Thomas Kistner erklärt im Dlf die Beweggründe hinter der Entscheidung - und warum die Finanzlage beim DFB noch prekärer zu werden droht.

Thomas Kistner im Gespräch mit Christian von Stülpnagel | 10.02.2024
Aleksander Ceferin beim UEFA-Kongress am 08. Februar.
Tritt 2027 ab: UEFA-Präsident Aleksander Ceferin. (IMAGO / PA Images / IMAGO / Mike Egerton)
Beim UEFA-Kongress in Paris kündigte Aleksander Ceferin am Donnerstag überraschend an, 2027 als Präsident abzutreten. Dabei wäre der Weg für eine weitere Amtszeit bis 2031 frei gewesen. Die Entscheidung sei Folge eines taktischen Kalküls, erklärte Sportjournalist Thomas Kistner im Dlf:
"Er wollte sehen, wie sich seine Widersacher sowohl im sportpolitischen Bereich als auch in den Medien verhalten, wenn die See aufgewühlt ist. Tatsächlich ist es so: Es gab für Ceferin gar nichts juristisch zu regeln, denn es ist nicht so, wie eben diese Widersacher und auch die Medien dargestellt haben, dass seine Amtszeit nach den Statuten im Jahr 2027 enden müsste und er deshalb beim Kongress in Paris eben per Satzungs-Tricks eine weitere Amtszeit zu ergaunern versuchen würde."
"Er hätte weitermachen können bis 2031", erklärte Kistner und schob nach: "Also es ging also nie um Tricksereien, sondern einfach darum, eine bereits eingeführte Amtszeitbeschränkung juristisch sauber zu justieren und das war eine Petitesse, so wurde es auch in Paris erledigt."

Späte Entscheidung

Die späte Rücktritterklärung liege laut Kistner an der "für diese Zeit leider sehr typische Erregtheit, insbesondere der Medien, die hier gerne auf bloße Behauptungen von Ceferins Gegnern eingegangen sind und teils sogar seitenweise beklagt haben, dass er eben die Statuten brechen und sich eine persönliche Amtszeitverlängerung schenken wolle".
Hierbei "ging es um eine angebliche Amtsanmaßung, die dann mit anderen Fallbeispielen aus dem Weltsport auch gleich verglichen wurde, öffentlich mit FIFA-Boss Gianni Infantino und dem Chef des Internationalen Olympischen Komitees Thomas Bach".
"Er hat ja zwei Möglichkeiten gehabt, er hätte entweder dann sagen können, was soll das Ganze, ich trete sowieso nicht mehr an, dann hätte sich der Sturm im Wasserglas zwangsläufig legen müssen", so Kistner.
"Und die andere Möglichkeit war eben, die zu beobachten, wie sich die Landschaft tatsächlich entwickelt und nachdem der Sturm losgebrochen war, der Sturm eine Sache, die es gar nicht gibt, hat er eben die zweite Variante gewählt zu sagen, okay, dann schaue ich gleich mal, wer hier besonders weit aus dem Fenster geht."

Ceferin gegenüber Infantino und Bach als "Good Guy"?

Gegenüber Amts-Kollegen wie FIFA-Präsident Gianni Infantino und IOC-Präsident Thomas Bach sei Ceferin durch seinen jüngsten Entschluss wenig vorzuwerfen, so Kistner:
"Bemisst man Ceferin an Kollegen auf Augenhöhe, also Infantino und Thomas Bach, dann ist er der Good Guy. Erstens verzichtet er ja, anders als diese anderen, freiwillig auf eine ihm tatsächlich zustehende Amtszeit, während Bach das ihm ergebene IOC gerade an der Olympischen Charta herumbasteln lässt, um sich eine weitere Amtszeit zu bescheren, sonst müsste er nächstes Jahr abtreten. Und Infantino machte es sich noch einfacher, der fand bei Jobantritt auch eine Amtszeitbeschränkung schon vor, aber er hat dann einfach seine ersten dreieinhalb FIFA-Jahre dem gesperrten Vorgänger Sepp Blatter überschrieben und damit so einen privaten Infantino-Kalender eingeführt."
Doch auch mit Blick auf seine Amtsführung habe Ceferin nicht selten das Interesse der Basis verfolgt: "Er hat Europas Fußball stets gegen die Angriffe verteidigt, die insbesondere von Infantinos FIFA erfolgen, und er hat die bizarre Super League abgeschmettert. In der Folge könne sich Ceferin "bis heute an der Basis gerade bei den Fans blicken lassen, Infantino und Bach können das sicherlich nicht. "

Angekündigter Abschied als Vorteil: "Kann autark arbeiten"

Durch den angekündigten Abschied erwartet Kistner einen Vorteil für die restliche Amtszeit: "Er kann jetzt autark arbeiten, er muss keine dauerhaften Allianzen schmieden, keine Deals mit Funktionären, nur weil er die später selbst dann nochmal brauchen könnte. Und ein so unabhängiger Präsident ist gerade jetzt sehr wichtig, denn der Fußball in Europa, wo mehr als 80 Prozent der globalen Milliardeneinnahmen generiert werden, gerät gerade schwer unter Finanzdruck."
Gerade in Zeiten von bewegten Profiligen und omnipräsenten Fan-Protesten aufgrund neuer Innovationen sei die Eigenständigkeit des Präsidenten ein Pluspunkt: "Die Erlöse aus den Senderrechten brechen ein. Es stehen neue Player aus der Investmentbranche bereit. Das bewegt den Fußball ja auch hierzulande. Jedes Wochenende fliegen Münzen, Tennisbälle und so weiter auf den Rasen und die Spiele müssen unterbrochen werden wegen der Fan-Proteste. Es entsteht also gerade eine echte Goldgräberstimmung."

Ceferin mit Einfluss auf Nachfolger-Suche

Zwar sei ein möglicher Nachfolge-Kandidat noch nicht zu benennen. Dass der jedoch wohl nicht aus dem Dunstkreis der Widersacher Ceferins komme, liegt für Kistner auf der Hand: "Klar ist, dass Ceferin das Zepter nicht an einen Vertreter jener Kreise übergeben will, gegen deren Angriffe auf das Geld von europäischen Klubs und Fans er bis dahin noch kämpfen wird."

DFB-Krise ein strukturelles Problem

Nicht nur der europäische Fußball dürfte sich laut Kistner in den kommenden Jahren vor neuen Herausforderungen wiederfinden. Auch dem Deutschen Fußball Bund attestiert der Sportjournalist "ein strukturelles Defizit". Nun droht der Verband, 25 Millionen Euro Steuern, anders als geplant, nicht vom Fiskus zurückzubekommen. Denn im Prozess um die Gemeinnützigkeit des Vereins im WM-Jahr 2006 könnte unter anderem der Angeklagte Wolfgang Niersbach eine Einstellung gegen Geldauflagen erwirken - womit der DFB das Geld nicht zurückbekommen würde. Dabei rechnet der Verband fest damit, das Geld zurückzubekommen.
"Der DFB ist der Steuerschuldner. Ihm wurde, die Gemeinnützigkeit 2006 schon aberkannt. Er hat massive Millionenzahlungen bei den Finanzbehörden geparkt und bisher durfte er darauf hoffen, dass sich der Prozess in Luft auflöst und er die Millionen am Ende zurückerhält. Wenn nun also am Ende eine Verfahrenseinstellung mit Geldauflage für die damals Verantwortlichen steht, dann dürfte der DFB diese Millionen endgültig verlieren. Und das wäre in seiner klammen Finanzlage besonders bitter."
Der ausbleibende sportliche Erfolg erschwere die Notlage nur weiter, so Kistner: "Wir haben eine Europameisterschaft, die jetzt in diesem Lande stattfinden wird. Die Begeisterung ist bisher null. Wenn es dabei bleibt und insbesondere, wenn es bei den mauen Präsentationen der Nationalmannschaft bleibt, dann ist klar, dass auch die künftigen Einnahmen des DFB, Stichwort Sponsoren und so weiter, einbrechen werden. Das zeichnet sich ohnehin jetzt auch in einigen Bereichen schon ab. Also da kann man nichts weniger gebrauchen, als dass einem auch noch eine stille Reserve von 25 Millionen wegbricht."