"In der aktuellen Situation liegt der Fokus vor allem darauf, dass der Weg zum Abstimmungsergebnis im letzten Jahr unglaublich kurz war", kritisierte Thomas Kessen, Sprecher des Fan-Bündnis "Unsere Kurve" im Dlf den Investorendeal der DFL. "Es waren zwischen der Information an die Vereine und der tatsächlichen Abstimmung kaum fünf Wochen und das ist ein so kurzer Zeitraum, wo man es gar nicht schaffen kann, in 36 Profivereinen die Mitglieder mitzunehmen."
Gerade hinsichtlich der langfristigen Bedeutung des Einstiegs ging dem Vorsitzenden der Fan-Vertretung der Prozess zu schnell über den Tisch: "Der Deal, der dort geschlossen wird, der hat eine unglaubliche Tragweite, finanziell, aber auch zeitlich. Es ist auf 20 Jahre angelegt. Das ist eine Entscheidung, die der deutsche Fußball nicht wenigen Mächtigen überlassen sollte, sondern in Gänze, also mit den Fans und Mitgliedern, fällen sollte."
"Proteste zeigen Wirkung"
Auch am 21. Spieltag der Fußball-Bundesliga sorgten die ligaweiten Fan-Proteste wieder für Aufsehen. Die Partie zwischen dem FC. Union Berlin und dem VfL Wolfsburg wurde mehrfach unterbrochen, weil Fans Tennisbälle auf das Spielfeld warfen. Schon in der Vorwoche musste das Zweitligaspiel zwischen dem Hamburger SV und Hertha Berlin für 32 Minuten unterbrochen werden, es drohte zwischenzeitlich eine Absage.
"Auf jeden Fall zeigen die Proteste Wirkung", empfand Kessen die kontinuierliche Ablehnung der Fans als vielversprechend: "Wenn man sich allein anschaut, dass jetzt die Stimme der Fans in so Interviews wie diesem gehört wird, dass man sich plötzlich damit auseinandersetzt".
"Da passiert gerade was und das ist gut", resümierte Kessen. Doch auf Ebene des Verbandes würde sich der Erfolg bislang jedoch noch nicht widerspiegeln: "Interessanterweise hat sich aber die DFL bisher so gar nicht gerührt. Das einzige, was passiert ist, war, dass eine Pressemitteilung veröffentlicht wurde, wo man Fanvertreter*innen eingeladen hat zum Gespräch. Diese Pressemitteilung ist das Papier nicht wert, auf dem es gedruckt ist."
"Ihr kleinen doofen Fans habt den Deal nicht verstanden"
Von der DFL fühlt sich Kessen als Vertreter der Fanszene nicht verstanden: "Letztendlich war der Grundton dieser Mitteilung ja: 'Ihr kleinen doofen Fans habt den Deal nicht verstanden, kommt mal alle nach Frankfurt, dann erklären wir euch nochmal, warum das gut für euch ist.'"
Für den Fan-Sprecher völlig unverständlich: "Wir kleinen dummen Fans können durchaus sehr gut verstehen, was dort zur Abstimmung stand, wie das Ganze gelaufen ist. Und wir verstehen auch den Deal sehr gut und nur deswegen sind ja die Proteste da."
Eine mögliche Neuabstimmung oder konkrete Kritikpunkte wie der Vorwurf des Machtsmissbrauchs von Hannover-96-Präsident Martin Kind, der mutmaßlich entgegen der Weisung des Hannover 96 e.V. für den Investoren-Einstieg abstimmte, ignoriere die DFL:
"Was die DFL versäumt hat, das war zum Beispiel der Punkt mit der Neuwahl, mit der neuen Abstimmung, aber auch die Frage, wie man auf die Vorwürfe bezüglich der Aushöhlung von 50 plus 1 reagieren will. All das lässt man außen vor, stattdessen hat man viele Worte gewählt, aber eigentlich wenig gesagt."
Kessen warnt vor immensen Veränderungen: "Büchse der Pandora wurde geöffnet"
Durch den ermöglichten Zugang eines Investors befürchtet der Fansprecher drastische Veränderungen: "Die Büchse der Pandora wurde geöffnet", holte Kessen aus: "Plötzlich hat ein Investor, wo jeder Verein weiß, das ist der Player mit den dicken Scheinen in der Tasche, Zugang zu einem Verein wie beispielsweise Schalke 04, die dringend Geld brauchen."
So könne sich ein Investor laut Kessen schrittweise auch Mehrheiten in den Profiligen erkaufen: "Und der Investor kann sagen, Mensch Schalke 04, wir überweisen euch 100 Millionen Euro, wenn ihr dafür hier eine Mehrheit schafft, dass wir vielleicht doch nächste Saison mal drei Spiele in Riad haben."
Nur Neuwahlen als Lösung
Um eine Lösung herbeizuführen, brauche es "eine Neuwahl, eine transparente Neuwahl, eine offene Neuwahl", so Kessen:
"Denn dort können die Vereine nochmal abstimmen. Bestenfalls dann natürlich auch in offener Wahl. Ja, und dann wollen wir mal sehen, ob plötzlich immer noch 24 Ja-Stimmen zusammenkommen. Und so könnte man auf den letzten Metern dann doch noch diesen Deal verhindern. Bis dahin werden aber die Proteste weitergehen. Davon gehe ich stark aus."