Die Party hat schon vor Spielstart begonnen. Ein Typ mit Mikrofon in der Hand marschiert seit Minuten durch die Arena, heizt dem Publikum ein. Die Leute zählen einen Countdown, bis die Sirene ertönt und das Spiel endlich losgeht. Hier, in der Ariake Arena in der Tokioter Hafengegend, spielen die Suntory Sunbirds Osaka gegen die Tokyo Great Bears. Es ist das Spitzenspiel im japanischen Volleyball.
Und das zeigt sich auch auf den Rängen. Die Arena ist fast ausverkauft. Zu den Olympischen Sommerspielen von Tokio 2021 wurde sie eingeweiht, jetzt füllen sie 11.500 Menschen, ein neuer Rekord. Insofern läuft die Sache nach Plan. Denn in Japan soll die stärkste Volleyballliga der Welt entstehen. "Bis 2030 wollen wir die weltweite Nummer eins geworden sein", sagt Kunio Yoshida, Chef für Kommunikation bei der Profiliga, die gerade in SV League umbenannt wurde. "Zuerst bei den Männern, aber auch die Frauen wollen wir pushen. Dabei geht es uns einerseits um Umsätze, was direkt mit Zuschauerzahlen und Sponsorengeldern zusammenhängt. Aber dafür brauchen wir selbstverständlich das sportlich höchste Niveau. Das größte Event im Volleyball sind ja die Olympischen Spiele. Also wollen wir bis 2030 die nationale Liga sein, die am meisten Spieler zu Olympia abstellt."
Japan will europäischen Top-Ligen den Rang ablaufen
Es sind harte Kriterien, die nach Businessplan klingen. Aber das wird bei dem Vorhaben auch nötig sein. Eine Profiliga hat Japan zwar schon länger. Der beste Volleyball auf Klubebene wird aber derzeit in Italien gespielt. Auch die Türkei, Brasilien, Russland und Polen haben starke Ligen.
Wie das ostasiatische Land diese Ligen plötzlich überholen will? Kunio Yoshida hat eine strategische Antwort: "In Japan gibt es in Sachen Popularität von Sportarten bisher diese Reihenfolge: Zuerst Baseball, dann Fußball, dann Basketball. Wir beobachten, dass Basketball in den letzten Jahren geschäftlich stark gewachsen ist. Und wir glauben, dass wir davon lernen können." Auch auf die Frage, warum sich in Zukunft mehr Menschen für Volleyball interessieren sollten als zuletzt, antwortet Yoshida auffallend analytisch: "Im Gegensatz zu Fußball ist Volleyball kein Kontaktsport. Es gibt keine Fouls, keine Schwalben. Das ganze Spiel ist sauberer. Ich hab‘ früher für die J-League gearbeitet, also Fußball. Und da war die Fankultur manchmal latent aggressiv. Hier im Volleyball sieht man mehr unterstützend zu. Das können wir für die Vermarktung nutzen."
Stadionatmosphäre liefert Kontrastprogramm zum Fußball
Wie das funktionieren kann, zeigt sich in der Ariake Arena. Hier werden nicht nur lange Ballwechsel bejubelt. Immer wieder feuert der Stadionsprecher nicht eine Mannschaft an, sondern die Zuschauenden. Es folgen Nebelkerzen, dann Lichtershows. Es ist die volle Eventbeschallung. Das hat sich Kunio Yoshida von der japanischen Basketballliga abgeschaut. "Wir wollen ein Angebot schaffen für Menschen, die einen schönen Tag in der Sporthalle verbringen wollen, mit Freunden oder der Familie. Wir haben auch ein überwiegend weibliches Publikum, in dem sich viele von einer friedlichen Atmosphäre ansprechen lassen. Weil Volleyball wie Basketball ein Indoorsport ist, kann man durch ein paar Aktionen auch sehr gut Stimmung erzeugen."
Rundum ist die Angelegenheit eher schick als rau. Die omnipräsenten Markenfarben der SV League sind Schwarz und Gold. Imbisse verkaufen Trüffelpommes und Apfelsaft. Und das kommt gut an, zumindest bei Yuna Aida, einer 19-jährigen Studentin, die zum ersten Mal in der Arena ist: "Die Unterhaltung hier ist super. Damit kommen in Zukunft bestimmt mehr Leute zum Volleyball. Ich bin schon länger Fan von Takahashi Ran, einem der besten japanischen Spieler. Er ist vor kurzem aus Italien zurück nach Japan zu den Sunbirds gewechselt. Er sieht cool aus und kämpft auf dem Platz wie kein anderer!"
Etwas Ähnliches sagt ein paar Reihen weiter die 37-jährige Kasumi: "Mir gefällt das ganze Angebot sehr gut, tolle Unterhaltung. Es sind jetzt auch mehr Ausländer pro Mannschaft erlaubt als vorher, was das Niveau heben wird." Hintergrund des Ziels, die stärkste Volleyballliga der Welt zu kreieren, ist nicht nur die Chance auf mehr Geld.
Ausländische Volleyballer begeistert von japanischer Liga
Es ist auch der Wunsch, Japan wieder zu einer der großen Volleyballnationen zu machen, wie es das Land schon einmal war. Zu den Leistungsträgern der heutigen Partie – die die Tokyo Great Bears knapp gewonnen haben – gehört der Russe Dmitry Muserskyi.
Er sieht jedenfalls sportlich eine große Zukunft für Japan: "Für mich gab es hier viel Interessantes, das ich sportlich für mich nutzen konnte. In Russland, wo ich vorher spielte, kann man sich meistens sicher sein, dass man einen Punkt erzielt, wenn man im gegnerischen Block eine Lücke reißt", sagt der 36-Jährige. "Aber hier in Japan ist das anders. Die Spieler retten die Bälle noch am Boden. Die Defensivarbeit hier ist unglaublich. Deshalb ist das Land in den letzten Jahren so stark geworden. Hier besteht viel Potenzial, da bin ich mir sicher." Inwieweit sich dies auch in Geschäftliches umsetzen lässt, werden die kommenden Jahre zeigen. Bis 2030, wenn Japan Nummer eins sein will, ist noch etwas, aber nicht mehr allzu viel Zeit.