In Südkorea interessiert man sich diese Tage fast mehr für den Feind als für sich selbst: „Nordkorea hat begonnen, seine Athletinnen und Athleten nach China zu schicken, damit sie an den Asian Games in Hangzhou teilnehmen“,
berichtet der TV-Sender Arirang schon am Montag. Die Asian Games, eine Art Olympischer Spiele für Asien, sind an diesem Wochenende in der chinesischen Metropole Hangzhou gestartet. Und für die größten Schlagzeilen im Vorfeld sorgt nicht etwa Gastgeber China oder die immer wieder starken Nationen Japan und Südkorea.
Nordkorea seit langer Zeit wieder dabei
Alle Augen sind diesmal auf die Delegation aus Nordkorea gerichtet: 191 Athletinnen und Athleten hat die abgeschottete Diktatur nach China geschickt. Seit Beginn der Pandemie ist es das erste Mal, dass Sportler aus Nordkorea an Wettkämpfen im Ausland teilnehmen.
Und die Rückkehr auf die Weltbühne des Sports könnte gleich mit einigen Medaillengewinnen garniert werden. Das erwartet Vladimir Tikhonov, Professor für Koreanistik an der Universität Oslo:
“Nordkorea hat ein sehr gut entwickeltes System der Talentförderung. Im Verhältnis zu den begrenzten ökonomischen Mitteln im Land ist es sehr großzügig ausgestattet. Allerdings ist es wohl so, dass während der Pandemie viele Wettbewerbe nicht stattgefunden haben. Durch die Grenzschließungen zu Russland und China wurde auch der Handel angehalten, wodurch auch wichtige Ressourcen für Ausrüstung fehlten.“
Corona bedeutete Krise für Nordkoreas Sport
Die Pandemie dürfte Nordkoreas Sport daher in eine tiefe Krise manövriert haben. Die Teilnahme des ökonomisch geschwächten Ein-Parteien Staats um Diktator Kim Jong-un könnte aber darauf hindeuten, dass die Sportlerinnen und Sportler eine solide Vorbereitung hinter sich haben. Denn ein schlechtes Abschneiden der Athleten wäre blamabel:
„In Nordkorea werden sie wie Helfer des ‚Großen Führers‘, also Kim Jong-un, präsentiert. Auch deswegen ist Basketball heutzutage wichtig, obwohl Fußball unter den Menschen beliebter ist. Aber der ‚Große Führer‘ mag Basketball. Deswegen wird es gefördert.“
Bei den zwei letzten Olympischen Spielen – Tokio im Sommer 2021 und Peking im Winter 2022 – ist Nordkorea den Wettkämpfen noch ferngeblieben. Auch Kim Jong-un hat sein Land lange Zeit nicht verlassen. Aber das ist jetzt anders.
Kim ist gerade erst nach Russland gereist, um mit dem dortigen Präsidenten Wladimir Putin wohl einen Waffendeal auszuhandeln. Jetzt soll der nächste medienwirksame Auftritt folgen – durch die Athleten bei den Asian Games. Die Botschaft: Nordkorea ist zurück.
Die Teilnahme Nordkoreas sorgt südlich der innerkoreanischen Grenze für Aufregung. Nord- und Südkorea befinden sich seit 1950 im Kriegszustand, es gibt keinen direkten Austausch und die Beziehungen sind so schlecht wie lange nicht. Während der Norden immerzu Raketentests macht, unternimmt der Süden Militärmanöver mit den USA und Japan. Im Ukraine-Krieg unterstützt der Norden Russland, der Süden hält zur Ukraine.
Sport dient der Kommunikation zwischen Nord- und Südkorea
Aber über die Jahrzehnte dient immer wieder der internationale Sport als Kommunikationsvehikel. So hofft die liberale Parlamentsabgeordnete Yoon Mee-hyang aus Südkorea, dass es auch diesmal am Rande der Asian Games zu Gesprächen kommt:
“Ich wünschte, es könnte 2023 ein geeintes Team geben. Oder gemeinsame Fans. Für so etwas müssten aber beide Regierungen aufeinander zugehen. Aber immerhin: Weil die Spiele in China stattfinden, habe ich Hoffnung. Nord und Süd haben jeweils intensiven Kontakt mit China. Über China könnten wir daher erneuten Austausch herstellen.“
Allerdings haben Südkoreas Ministerium für Wiedervereinigung sowie Nordkoreas Außenministerium bereits jeweils erklärt, dass in China kein Austausch stattfinden soll. Andererseits zeigt die Erfahrung innerkoreanischer Beziehungen: Wenn Menschen aus Nord und Süd irgendwo auf der Welt zusammentreffen, verstehen sie sich oft ziemlich gut.
Inoffizielle Zusammenkünfte zwischen Nord und Süd denkbar
Das berichtet auch Yoon Mee-hyang aus Erfahrung: „Ich habe in meinem Leben einige Male die Möglichkeit gehabt, mich mit Vertretern Nordkoreas auszutauschen. Wir hatten tolle Gespräche und waren uns schnell vertraut. Aber ohne persönliche Treffen ist eine Annäherung unmöglich. Durch die politische Teilung sind wir uns so fremd!“
Nicht auszuschließen, dass es hinter den Kulissen zu Begegnungen zwischen Personen aus Nord und Süd kommt. Und auch wenn daraus keine neuen Gespräche auf Regierungsebene resultieren:
Angesichts der düsteren Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea wäre ja schon ein gegenseitiges Zulächeln im Athletendorf etwas Besonderes – was dann auch daheim Eindruck machen könnte.