Finanzielle Schieflage
Olympiastützpunkte in NRW schlagen Alarm

Die Olympiastützpunkte in Deutschland sollen eigentlich Medaillenschmieden für den deutschen Spitzensport sein. Doch ihnen fehlt Geld, vor allem in NRW. Der Landessportbund sieht dadurch langfristig die Medaillenerwartungen gefährdet.

Von Benedikt Kaninski | 29.06.2024
Das Gebäude des Olympiastützpunkts Rhein-Ruhr.
Olympiastützpunkt Rhein-Ruhr. (IMAGO / Funke Foto Services / IMAGO / )
Die Olympiastützpunkte in Deutschland sollen eigentlich Medaillenschmieden für den deutschen Spitzensport sein. Doch ihnen fehlt Geld, vor allem in NRW. Der Landessportbund sieht dadurch langfristig die Medaillenerwartungen gefährdet.
Knapp einen Monat vor den Olympischen Spielen in Paris schlagen die Olympiastützpunkte Alarm. Im Haushalt für das laufende Jahr fehlen an den Standorten Köln, Essen und Dortmund insgesamt 260.000 Euro. Volker Lauer, Leiter des Olympiastützpunkts Rhein/Ruhr:
„Wir befürchten, dass wir dann in der zweiten Jahreshälfte Anfragen egal von Nachwuchskaderathleten oder auch Spitzenkaderathleten, die vielleicht von Paris wieder zurückkommen - das wir einfach Anfragen kürzer halten, nicht so viele Betreuungsleistungen und Stunden gewährleisten können, sondern auch mal absagen müssen.“

Sportlerinnen und Sportler erhalten weniger Leistungen

Konkret heißt das zum Beispiel, dass die Sportlerinnen und Sportler weniger Leistungen wie Ernährungsberatung, Physiotherapie oder auch Athletiktraining bekommen können. Vor allem in diesen Bereichen arbeiten die Olympiastützpunkte mit Honorarkräften, bei denen zuerst eingespart werden kann. Das bedeutet auch Mehrarbeit für die festangestellten Trainerinnen und Trainer.
„Dem Hockey-Trainer, der jetzt nicht nur Hockey-Training, sondern auch noch das Athletiktraining machen muss und vielleicht seine Kernkompetenz eher in der Fachsportart sieht. Und wir brauchen Athletiktrainer auf Goldstandard-Niveau, um international agieren zu können. Und wenn uns das versagt wird, dann fehlt uns eine ganz wichtige Komponente. Und die Athleten sind international nicht wettbewerbsfähig. Das ist ganz klar dann auch messbar und spürbar.“
Weniger Medaillen könnten einer dieser messbaren Faktoren sein. Auch die sportpsychologische Betreuung könnte von den Sparmaßnahmen betroffen sein. Dr. Christian Zepp arbeitet als Sportpsychologe an den Stützpunkten in NRW mit vielen Sportlerinnen und Sportler. „Wir haben nur die Möglichkeit, auf bestimmte, besonders schwerwiegende Situationen zu reagieren. Da wo Athleten mit dem Druck nicht zurechtkommen, wo es um Verletzungen geht. Aber eine Vorbereitung, eine proaktive Tätigkeit, ist quasi nicht möglich. Und der große Vorteil von Sportpsychologie liegt einfach in der Vorbereitung, damit die Athleten dann in der Lage sind, mit dem Druck umzugehen, wenn es darauf ankommt.“

Nur Geld für eine sportpsychologische Einheit im Jahr

Die Olympiastützpunkte haben demnach aktuell nur Geld für eine sportpsychologische Einheit pro Athlet oder Athletin im Jahr zur Verfügung. Viele Sportlerinnen und Sportler würden diese Betreuung deshalb aus eigener Tasche finanzieren. Die Forderung an das Bundesinnenministerium ist klar: Mehr Geld oder weniger Erwartungshaltung an den Spitzensport! Auf Anfrage heißt es dazu von einem Ministeriumssprecher:
„Das Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) hat den Olympiastützpunkt Nordrhein-Westfalen im Jahr 2023 mit etwa 8,5 Mio. Euro für den Bereich Betrieb und Betreuung, Trainingsstättenförderung, Trainermischfinanzierung sowie Projekte/zentrale Maßnahmen gefördert. Die Tarifsteigerungen am Olympiastützpunkt NRW wurden in der Vergangenheit stets durch den Bund mitfinanziert, auch für das Jahr 2024 ist der Bund gewillt, diese Erhöhungen zu finanzieren.“
Dieser Darstellung schließt sich auch die sportpolitische Sprecherin der SPD, Sabine Poschmann, an. Stephan Mayer von der CDU hält dagegen und fordert von der Bundesregierung zeitnah eine Lösung für die finanziellen Probleme der Stützpunkte. Michael Scharf, Direktor Leistungssport beim Landessportbund NRW, spricht mit Blick auf die Berechnungen sogar von einer Verschleierungstaktik des Bundes.
„Weil jetzt nehmen wir mal von den 8.5 Millionen vier Millionen für die Trainingsstättenförderung raus. Das ist ein durchlaufender Posten, wo die Olympiastützpunkte nur das Bundesgeld nehmen und an kommunale Träger von Trainingseinrichtungen weiterleiten. Da hat kein Athlet irgendwas davon, außer, dass seine Trainingsstätte sicher zur Verfügung steht. Dann nehmen wir noch die OSP-Trainerinnen raus, das ist eine weitere Million. Und dann sind wir mal in dem Bereich der tatsächlichen Betreuungskosten, die an den OSP geleistet werden. Nach dem offiziellen Berechnungsmodell würden uns in etwa 4,5 Millionen Euro zustehen, wir kriegen vom Bund aber nur 3,7 Millionen.“

Wenig Geld, aber hohe Medaillenerwartungen?

Anspruch und Wirklichkeit klaffen laut dem Landessportbund also auseinander. Fakt ist: Es fehlt viel Geld, um die Spitzensportförderung an den Stützpunkten in NRW aufrechtzuerhalten. Leistungssportdirektor Scharf ist sich sicher: Entweder die finanziellen Lücken werden zeitnah geschlossen, …
„Oder aber ich muss den Anspruch runtersetzen und dann sage ich, Deutschland ist eine schöne Sportnation, aber wir sind auch glücklich wenn wir im Medaillenranking auf Platz 12, 13, 14, 15 sind und die Holländer uns schlagen, und die Franzosen und Engländer uns schlagen und auch andere Nationen uns schlagen. Das ist einfach nur die Ehrlichkeit, die wir jetzt uns geben müssen, zu sagen, wenn ich nach wie vor den Anspruch habe Top-5-Nation zu sein, dann muss ich mehr tun und das bedeutet auch im Bereich Finanzen muss sich da erheblich mehr tun.“
Sonst könnten die Konsequenzen auch bei internationalen Sportgroßveranstaltungen bald sichtbar werden.