Andrea Florence arbeitet als Menschenrechtsbeauftragte für die "Sport and Rights Alliance" - einer Organisation, die sich beispielsweise gegenüber Sportorganisationen für die Rechte aller im Sport einsetzt. Sie glaubt, dass 2022 das Jahr werden könnte, in dem ein breites Publikum sieht, wie Sport und Menschenrechte miteinander verbunden sind.
Drei Entwicklungen hält Florence für ausschlaggebend: So seien Athleten aktiver geworden - wie etwa der Footballer Colin Kaepernick, der während der Nationalhymne niederkniete, um gegen Rassismus und Polizeigewalt in den USA zu demonstrieren. Zum zweiten gebe es immer mehr Fälle, "in denen man versucht, sich mit Hilfe des Sports ein gutes Image zu geben". Ein Beispiel für dieses sogenannte "Sportswashing" sei die Übernahme des Fußballteams von Newcastle United durch Saudi-Arabien. Außerdem seien mehr Missbrauchsfälle wie etwa bei den US-Turnerinnen ans Licht gekommen.
Peking und Katar - Warum es 2022 nicht nur um Sport gehen wird
Menschenrechte bei Bewerbungen einbeziehen
Es sei wichtig, dass bereits im Bewerbungsprozess für Großereignisse Menschenrechte eine Rolle spielen, so Florence. Beim IOC sieht sie da Nachholbedarf: Zwar gebe es eine Menschenrechtsstrategie, dennoch habe die Organisation bei dem Thema keine Fortschritte gemacht. Es brauche eine Strategie, "die eng mit betroffenen Gruppen abgesprochen ist". Bei der Vergabe der Olympischen Spiele nach China hätten Menschenrechte keine Rolle gespielt. Das sei ebenso bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Dennoch sieht Florence in Katar eine positive Entwicklung: Das Land habe ein Abkommen mit der internationalen Arbeitsorganisatin ILO getroffen und Arbeitsmarktreformen auf den Weg gebracht. Florence fordert generell für alle Veranstaltungen - auch die kleineren - eine Risikobewertung im Bewerbungsverfahren oder bei der Nominierung. Dann bleibe Zeit, um es anzusprechen, wenn die Rechte verletzt werden.
"Athleten zu applaudieren bedeutet nicht, dass man blind gegenüber Menschenrechten ist"
Die Menschenrechtsbeauftragte sieht die Athletenorganisationen auf einem guten Weg: So habe sich die Frauen-Tennisorganisation deutlich an die Seite der verschwundenen chinesischen Spielerin Peng Shuai gestellt. Von Fans erwartet Florence keinen Verzicht: Es sei keine Lösung, umstrittene Sportveranstaltungen nicht anzuschauen. Man müsse sich bewusst machen, "dass hinter der ganzen Werbung und den Krisen immer noch Menschen stehen, die einen Wettkampf bestreiten und ihr Bestes geben, und die auch in schwierigen Situationen glänzen wollen".