Vermarktungsrechte
Wie wertvoll ist die Bundesliga?

Manche sehen einen Boom für die höchste deutsche Fußball-Liga, manche das genaue Gegenteil. Entscheidende Wochen stehen an, die Vergabe der Medienrechte für die nächsten vier Jahre und der Einstieg eines Investors. Die Qualität und die Zukunft der Bundesliga waren Thema auf der Messe Spobis in Hamburg.

Von Matthias Friebe |
Ein Kameramann verfolgt die Spieler beim Einlauf auf den Rasen aus den Katakomben beim Fußball-Bundesliga-Spiel FC Augsburg - FC Bayern München.
Bis Mai soll klar sein, wer ab Sommer 2025 welche Rechte für Live-Übertragungen und Nachberichte bekommt. (IMAGO / MIS / IMAGO / Bernd Feil / M.i.S.)
Für Hans-Joachim Watzke boomt die Bundesliga: „Wir haben das Produkt verbessert“, sagt der BVB-Boss und Aufsichtsratschef der Deutschen Fußball-Liga. „Ich hasse das, wenn man im Fußball über Produkt spricht, aber manchmal lässt es sich nicht vermeiden, um es zu veranschaulichen.“
Und auf einem Sportbusiness-Kongress wie dem Spobis in Hamburg spricht man sowieso gerne über Produkte. Der neue Geschäftsführer der Liga, Steffen Merkel, zum Beispiel: „Ja, wir sind ein Medienprodukt, aber wir sind auch und vor allem immer noch ein Sportprodukt, eine Sportliga“ - deren Wohl und Wehe aber wirtschaftlich vor allem von einem guten Abschluss bei der Vergabe der Medienrechte abhängt.

DFL will mehr Zuschauernähe schaffen

Seit wenigen Tagen ist die Ausschreibung öffentlich, bis zum Mai soll klar sein, wer ab Sommer 2025 welche Rechte für Live-Übertragungen und Nachberichte bekommt. Klar ist in jedem Fall, das äußere Erscheinungsbild wird sich verändern.
„Nähe wird ein großes Thema sein in der nächsten Rechteperiode, ganz klare Forderung auch unserer Medienpartner“, erklärt Marcus Beisiegel, Direktor für audiovisuelle Rechte bei der DFL. Mehr Nähe heißt, die Vereine verpflichten sich unter anderem zu mehr Exklusivinterviews für Rechteinhaber und auch am Spieltag wird es mehr Einblicke geben. Von Interviews bei der Ankunft der Busse am Stadion über mehr Kameras bei den Topspielen bis hin zu ganz neuen Formaten:
„Ist es zum Beispiel möglich“, fragt Liga-Geschäftsführer Merkel, „wenn die Spieler in die Kabine kommen, in der ersten Minute mit einer Kamera, die kann auch fest installiert sein, das kann Club-TV sein, um die ersten Emotionen einzufangen? Ja, auch das ermöglicht mehr Nähe.“

Medienexperte: Bundesliga „eines der wertvollsten Sportprodukte Europas“

Kabinenansprachen der Trainer sind aber auf jeden Fall ausgeschlossen. Medienexperte Holger Enßlin, der selbst bis vor einigen Jahren für Sky gearbeitet hat, ist sicher: Mit diesen Anpassungen werde die Liga attraktiver werden für die Sender.
„Es ist das wertvollste Sportprodukt in Deutschland, eines der wertvollsten in Europa, vielleicht sogar der Welt. Ist immer noch ein Top 10-, vielleicht Top 5-Recht“
Mehr Nähe heißt auch, neue Pakete für kurze Clips in den sozialen Medien, man will die junge Zielgruppe erreichen. Die große Frage ist, wie viel Geld am Ende genau für die Liga rausspringen wird. Rund 1,1 Milliarden Euro war es pro Saison in den letzten Jahren. Eine Steigerung halten eigentlich alle Experten auch mit Blick auf die Vergaben in anderen Ländern in der letzten Zeit für kaum erreichbar, im besten Fall eine Stagnation.

Ein Sender darf alle Liverechte kaufen

„Ein weiteres Wachstumsmomentum kann man nur erzeugen,“ so Medienexperte Enßlin, „indem der ganze Wettbewerb dann auch einheitlich zu abonnieren und zu konsumieren ist.“
Nach intensiven Verhandlungen der DFL mit dem Kartellamt hat die Behörde jetzt nach gut zehn Jahren genau das wieder erlaubt, dass ein Sender alle Live-Rechte kaufen darf. Das dürfte den Wettbewerb anheizen, auch wenn die Zahl der Interessenten überschaubar ist. Vor allem die aktuellen Rechteinhaber Sky und Dazn kommen in Frage. Eine Frage bleibt, so Enßlin: 
„Wann kommen eigentlich die US-Streamer, kommen die und wenn ja wann? Schon bei dieser oder erst der nächsten Ausschreibung?“
Amazon, Apple und Netflix als Live-Sender der Liga, das gilt nach wie vor als unrealistisch, verfolgen die Großkonzerne bisher andere Strategien im Sport als umfassende Live-Übertragungen. Fraglich auch, ob die Bundesliga-Highlights weiter in der ARD-Sportschau zu sehen sein werden, meint Enßlin: „Der Wegfall der Sportschau wäre immer noch der größte Wachstumstreiber.“

Zugeständnisse an die ARD als langjährigen Partner

Ganz ohne Zweitverwertung im Free-TV wird es nicht gehen. Die DFL würde aber gerne, um den Pay-Anbietern mehr Exklusivität zu ermöglichen, Spielberichte am Samstag erst ab 19.15 Uhr erlauben. Als Zugeständnis an den langjährigen Partner ARD, für den das keine Option ist, gibt es aber entgegen anderslautender erster Berichte jetzt auch die Ausschreibung für die bisherige Zeit. Experte Enßlin sieht darin auch eine Abwägungsfrage: „Was mute ich den Fans zu und wo gehen sie noch mit?“
Diese Frage stellt sich seit Wochen auch mit Blick auf den geplanten Investoreneinstieg für die Liga. Immer wieder fliegen in vielen Stadien Tennisbälle und Schokotaler auf den Rasen aus Protest. Noch laufen die Verhandlungen, zwei Private-Equity-Unternehmen sind im Rennen, in den kommenden Wochen soll es eine Entscheidung geben.

Investor soll vor Medienrechtevergabe verkündet werden

„Uns war es wichtig, vor der Medienrechteausschreibung ein sehr klares positives Signal für die Liga zu setzen“, mit dem neuen Kapital von außen, meint DFL-Co-Geschäftsführer Marc Lenz. Aber innerhalb klar definierter roter Linien, insbesondere was kurz gesagt die Nicht-Einmischung ins Tagesgeschäft der Liga angeht, soll bald Vollzug gemeldet werden. „Deswegen werden wir vor der Medienrechte-Ausschreibung abschließen.“
Spätestens im April dürfte klar sein, wer das Rennen macht, eine Milliarde Euro will die DFL einnehmen von diesem „strategischen Partner“, wie man ihn gerne bezeichnet sehen würde. Geld, dass die Liga dringend braucht, so Eintracht-Frankfurt-Chef Axel Hellmann.
„Wollen wir die Zukunft des Profifußballs in Deutschland selber in die Hand nehmen und entwickeln oder liegen wir wie ein Käfer auf dem Rücken und warten, was in der Welt geopolitisch, verbandspolitisch, fußballpolitisch passiert? Wer sich noch alles beteiligt, ob vom Mars, Mond oder Saudi-Arabien Geld in das System fließt?“
Rhetorische Frage, die er natürlich mit dem Einstieg des Investoren in die Liga beantwortet weiß. Das soll auch die Corona-Verluste der Clubs kompensieren. Verteilt werden soll das neue Kapital aber nicht einfach mit der Gießkanne unter den Clubs, sondern vor allem strukturell eingesetzt werden, um die Reichweite der Liga zu verbessern und die Präsenz im Ausland zu stärken.

Clubs sollen in Saisonvorbereitung im Ausland die Reichweite verbessern

„In der Saisonvorbereitung die Clubs in die Kernmärkte schicken“ könnte ein Weg sein für Hans-Joachim Watzke, den Aufsichtsratschef der Liga.
„Dafür müssen wir ihnen aber auch ordentlich Geld zahlen, damit die Trainer nicht immer sagen können, da im Salzburger Land ist es doch viel schöner in der Saisonvorbereitung.“
China, vielleicht Indien, der mittlere Osten und natürlich die USA, das dürften dann die Ziele der Clubs sein. Alles, um eine der größten Baustellen der Liga anzugehen. Im Ausland ist die Reichweite noch sehr ausbaufähig, mit Branchenprimus Premier League nicht mal ansatzweise zu vergleichen. Dort verdient man mehr als zehnmal so viel Geld im Ausland wie die Bundesliga mit derzeit rund 200 Millionen Euro pro Jahr.

Prüfsteine für internationales Wachstum stehen an

„Internationales Wachstum ist kein Sprint, das wird weiterhin mindestens ein Mittelstreckenlauf bleiben“, sagt Liga-Geschäftsführer Steffen Merkel. Zwar seien bei den letzten Vertragsabschlüssen international gute Zuwächse erreicht worden, aber: „Die großen Prüfsteine, die kommen 2025/26, der neue US-Abschluss. Dazu Middle East, Nordafrika, China, das sind die Abschlüsse, die zählen, wo man sieht, wo geht es langfristig hin.“
Die Ausgangslage für diese Verträge verbessern soll auch der Investoreneinstieg. Es sind also im wahrsten Sinne weichenstellende Wochen. Wenn alles aus Sicht der Liga wunschgemäß läuft, dann sind noch vor der Heim-EM einige Milliarden Euro fix für die nächsten Jahre.
„Aber wenn nicht, dann werden wir uns anpassen“, sagt ein entschlossener Liga-Boss Hans-Joachim Watzke. „Das haben wir alles schon hinbekommen. Das wäre nicht das erste Mal und da hab ich gar keine so große Sorge.“ Er glaubt aber an ein Überraschungsergebnis und sieht das „Produkt“ Fußball-Bundesliga weiter in einem Boom.