Archiv

Vor dem Super Bowl
Mangelnde Diversität in der NFL

Im American Football sind 70 Prozent der Athleten Afroamerikaner. Aber unter den Chef-Coaches gibt es nur zwei Schwarze. Dabei betont die NFL immer wieder, dass Rassismus und Diskriminierung den Werten der Liga widersprächen. Ein entlassener Trainer hat jetzt die NFL und einige Vereine verklagt.

Von Heiko Oldörp | 13.02.2022
Brian Flores in seiner Zeit als Trainer der Miami Dolphins auf dem Spielfeld in Diskussion mit den Schiedsrichtern.
Brian Flores war kürzlich bei den Miami Dolphins als Coach entlassen worden, obwohl der Verein in den vergangenen beiden Jahren so viele Spiele gewonnen hatte, wie seit 2002 und 2003 nicht mehr. (imago images/Icon SMI)
Jedes Jahr stellt sich NFL-Commissioner Roger Goodell am Mittwoch vor dem Super Bowl der Presse. “State of the League” heißt der Termin offiziell. Es ist eine Standortbestimmung - aber auch ein Blick in den Spiegel. Und dieser zeigt: die NFL hat ein großes Problem in Sachen Diversität bei den Trainern. Unter den 32 Chef-Coaches gibt es nur zwei Schwarze - und das in einer Liga, deren Spieler zu 70 Prozent Afro-Amerikaner sind.

Mangelnde Diversität macht keinen guten Eindruck

Goodell weiß, dass das keinen guten Eindruck macht - und die Vermutung, dass womöglich Rassismus eine Rolle spiele, schon gar nicht. Und so wiederholte er, was er schon so oft gesagt hatte: Rassismus und jegliche Form von Diskriminierung entsprächen nicht den Werten der Liga und würden nicht toleriert.
Players - Der Sportpodcast zu Olympia
Players - Der Sportpodcast zu Olympia
Players – Der Sportpodcast
Für Menschenrechtsorganisationen und viele Athletengruppen sind die Olympischen Winterspiele in Peking ein Sündenfall. Hintergrund sind die massiven Menschenrechtsverletzungen, die man China vorwirft. Trotzdem hält das IOC an den Spielen fest.
Klingt gut, sieht aber in der Praxis ganz anders aus. Deshalb hat Brian Flores kürzlich die NFL und einige Vereine verklagt. Er wirft ihnen Diskriminierung von schwarzen Trainern vor. Flores war kürzlich bei den Miami Dolphins als Coach entlassen worden, obwohl der Verein in den vergangenen beiden Jahren so viele Spiele gewonnen hatte, wie seit 2002 und 2003 nicht mehr.

Der weiße Kandidat erhielt den Vorzug

Anschließend galt Flores als Trainer-Kandidat bei den New York Giants. Die hatten ihn für ein Interview eingeladen, sich aber bereits vorher für Brian Daboll entschieden - einen Weißen, der keinerlei Erfahrung als Chefcoach hat.

Mehr zum Thema:
American Football - Erstes Coming Out eines NFL-Profis
Sarah Thomas - Erste Schiedsrichterin in der Geschichte des Super Bowl
American Football - Die NFL hat die Influencer entdeckt

Flores’ Fall bestätigt die Ergebnisse einer Untersuchung, wonach im Schnitt die Verweildauer von schwarzen Trainern kürzer sei als die von Weißen - und sie geringere Chancen hätten, nach einer Entlassung wieder eine Anstellung als Chefcoach zu finden.

Minderheiten müssen einbezogen werden

Flores betont, dass sein Interview bei den Giants nur Augenwischerei gewesen sei, um die „Rooney rule“ zu erfüllen. Diese Vorschrift, benannt nach Dan Rooney, dem damaligen Besitzer der Pittsburgh Steelers, hatte die NFL 2003 eingeführt. Sie besagt, dass Vereine bei der Suche nach einem Cheftrainer auch einen Bewerber interviewen müssen, der einer Minderheit entstammt.
Doch diese Regel ist scheinbar leicht zu umgehen, wie nicht nur Flores’ Beispiel zeigt. David Overstreet II. ist Assistenztrainer bei den Chicago Bears. Er behauptet, dass ein Schwarzer nicht für einen Trainerposten interviewt werde, weil er die Qualifikation dafür mitbringe, sondern nur, damit der Verein so die Auflage erfüllen könne. “Du siehst einen Schwarzen”, sagt Overstreet II. und du weißt, ‘er ist der Rooney.’”

Schwarze Trainer waren schon immer die Ausnahme

Schwarze Trainer sind in der NFL schon immer die Ausnahme gewesen. Zwischen 1926 und 1989 hat es keinen Einzigen gegeben. Als sich 2007 mit Tony Dungy und Lovie Smith zwei afroamerikanische Cheftrainer im Super Bowl gegenüberstanden, meinte Smith:
“Es wurde Zeit. Wir mussten lange darauf warten. Aber die Zeiten ändern sich. Mike Tomlin ist gerade Trainer der Pittsburgh Steelers geworden. Der Super Bowl ist eine gute Bühne, damit junge schwarze Männer und andere schwarze Trainer sehen, dass es für sie keine Grenzen gibt.”
Dungy gewann 2007 den Super Bowl, zwei Jahre später wurde der angesprochene Mike Tomlin mit Pittsburgh Meister. Trotz dieser Erfolge, heißt es in einer ESPN-Dokumentation, sei die NFL heute fast genauso weiß wie 1989.

Weiße Klubbesitzer sind die Regel


Sportjournalist Stephen A. Smith führt dies auf die fehlende Vielfalt bei den Teambesitzern zurück. Bis auf zwei Vereine gehören die 32 NFL-Klubs Weißen - so auch die New York Giants. “John Mara ist der Besitzer. Und er gehört zum NFL-Gremium für Diversität. Aber in den mehr als 100 Jahren der NFL sind die Giants einer von sechs Vereinen, die nie einen schwarzen Trainer hatten. Das ist ein Problem.”
Brian Flores ist sich darüber im Klaren, dass sein Weg vors Gericht womöglich das Ende seiner Trainer-Karriere bedeuten könnte. Doch er ist gewillt, dieses Risiko einzugehen. Wenn das System dadurch verändert werde und somit schwarze Trainer oder Minderheiten-Trainer echte Chancen bekämen, dann, so Flores, sei es ein lohnenswerter Schritt.