Zuweilen verbergen sich hinter sperrigen juristischen Wortungetümen gewichtige Entscheidungen mit großer gesellschaftlicher Tragweite. Die am 7. September am Verwaltungsgericht Dresden verhandelte Fortsetzungsfeststellungsklage ist so ein Fall. Denn entschieden wird über die Zukunft des Kampfsportevents "Kampf der Nibelungen" – kurz KdN – der sich Ende der 2010er-Jahre zum Flagschiff des militanten Neonazismus entwickelt hatte. Es ist ein Verfahren von herausragender politischer Bedeutung.
Größtes rechtsextremes Kampfsportevent Europas
Der "Kampf der Nibelungen" wurde 2013 von rechtsextremen Kadern gegründet und wuchs in wenigen Jahren zum größten Kampfsportevent des militanten Neonazismus in Europa heran. Fanden die ersten Events noch vor 120 Zuschauern an einem geheimen Ort statt, besuchten den KdN 2018 im sächsischen Ostritz beinahe 1.000 Menschen – darunter neonazistische Familien, rechtsextreme Hooligangruppen und verurteilte Gewalttäter mit Kontakten zum rechtsterroristischen Nationalsozialistischen Untergrund NSU. Obendrein entwickelte sich ein florierendes Geschäft mit der Gewalt. Die T-Shirts des KdN gerieten zum Kassenschlager der Szene.
Aus der Ideologie wurde lange Zeit kein Hehl gemacht: Auf der Homepage des KdN fand sich die liberale Demokratie als „faulendes politisches System“ beschimpft, in Szenezeitschriften hetzten die rassistischen Köpfe gegen die „multikulturelle Kloake“ der Bundesrepublik. Die dem KdN nahestehende militante Neonazi-Gruppe „BaltikKorps“ aus Mecklenburg-Vorpommern schwadronierte gar vom Tag X – dem Tag des politischen Umsturzes.
Verbot 2019 setzte dem Höhenflug ein Ende
Das alles rief nicht nur mediale, sondern auch staatliche Aufmerksamkeit auf sich. Im Oktober 2019 wurde das Event von der Ostritzer Kommune verboten, die Aufnahmen für den Onlinestream des KdN 2020 in Magdeburg wiederum durch eine Razzia gestört. Gruppen wie Baltik Korps ereilten staatliche Verbote. Dem Höhenflug des KdN war ein abruptes Ende gesetzt.
Um die Rechtmäßigkeit des Ostritzer Verbots von 2019 geht es nun vor dem Verwaltungsgericht in Dresden am 7. September. Die Kader des KdN haben indessen einiges getan, um ihre Selbstdarstellung als harmloses „nationales Sportevent“ zu untermauern: Seit dem Verbot unterließen sie rassistische Hetzreden in einschlägigen Szenemedien weitgehend, posteten viele Bilder blonder Frauen in den sozialen Medien und entfernten die Sätze über das „faulende politische System“ von der Homepage. Der braune Gewaltwolf hat viel weiße Sportkreide gefressen.
Mit Verharmlosung zurück in die Öffentlichkeit
Die Strategie dahinter ist deutlich: Die eigene Ideologie wird verharmlost, um mit zukünftigen Events an frühere Erfolge anknüpfen zu können. Denn die Kader des militanten Neonazismus wissen nur zu genau, welche Bedeutung der KdN für die Professionalisierung extrem rechter Gewalt hat. Der KdN ist das Flaggschiff des Kampfsportes im militanten Neonazismus – eines Milieus, das der Politikwissenschaftler Hajo Funke „präterroristisch“ nennt.
Das Verwaltungsgericht Dresden urteilt somit nicht allein in der Frage, ob weitere Events des „Kampf der Nibelungen“ in Sachsen stattfinden können. Es fällt eine Entscheidung, die wegweisend für die zukünftige Entwicklung des militanten Neonazismus und seiner Gewalt in Deutschland sein wird. Diese Tragweite ist dem Gericht hoffentlich bewusst.
Veranstaltungshinweis: VIELFALT IM KAMPFSPORT - Engagement gegen Diskriminierung und Antisemitismus: Samstag, 3.9.2022 – Sonntag, 4.9.2022