Leistungssport als Tourismuswerbung
Die umstrittene Sportinvestmentstrategie in Ruanda

Ruanda will eine Größe im Weltsport werden. Zu diesem Zweck investiert das Land Millionen in internationale Sportevents, richtet etwa im nächsten Jahr die Rad-WM aus. Die Kampagne lenkt jedoch auch von gravierenden Menschenrechtsproblemen ab.

Von Tom Mustroph |
Merhawi Kudus fährt in Schräglage durch eine Kurve.
Afrikanische Fahrer mischen den Radsport immer mehr auf. 2025 findet die Rad-WM in Ruanda statt. (IMAGO/Sirotti)
Radsport in Ruanda ist etwas Besonderes. Trommelgruppen bauen sich bei Start und Ziel der Etappen der Tour du Rwanda auf. Fußballfans streuen Vuvuzela-Klänge ein. Trotz aller Leidenschaft stehen die Menschen aber auch brav in einer wie mit einem Lineal gezeichneten Linie einen Meter vor dem Asphalt.
Gleichzeitig ist Radfahren in Ruanda allgegenwärtig. Fahrradtaxis transportieren auf gepolsterten Sitzen Passagiere durch die Stadt. Komplette Möbelstücke, riesige Säcke mit Brennholz oder meterlange Rohre werden ebenfalls mit diesen einfachen Rädern ohne Gangschaltung fortbewegt. Manche Fahrradtaxifahrer sind so fit, dass sie den Sprung vom Transportkleinstunternehmer zum Leistungssportler schaffen.
So auch Eric Nduwayo, zweimaliger Teilnehmer der Tour du Rwanda: „Ich sah damals ein paar von den Nationalfahrern an uns vorbeifahren. Und dann folgte ich ihnen einfach. Und ein paar von den Jungs fragten mich, wie ich mich so fühle und ob ich nicht bei ihnen mitmachen möge. Und ich sagte: Ok!"

Talentschmiede Taxifahrer im Fahrrad-Paradies Ruanda

Eric Nduwayo hat seine Straßenkarriere mittlerweile beendet. Die alte Scoutingpraxis hat sich aber verfeinert. Zur Talentsichtung werden regelmäßig Rennen zwischen Fahrradtaxifahrern ausgerichtet.
Radfahrer bei der Tour du Rwanda.
Immer mehr Taxifahrer schaffen in Ruanda den Sprung in den Radsport. (Tom Mustroph)
Internationale Radprofis sind von diesem Fahrrad-Paradies besonders angetan. Itamar Einhorn, Radprofi aus Israel und erster Träger des gelben Trikots der diesjährigen Tour du Rwanda schwärmt vom ostafrikanischen Land: „Es sind sehr warmherzige und entgegenkommende Menschen hier, ein schönes Land, die Straßen sind einfach prächtig, haben bessere Qualität als in manchen europäischen Ländern.“

Ein Radsport-Trainingszentrum als Lernprojekt

Der Auftritt seines Teams aus Israel hatte noch eine ganz besondere politische Bedeutung. In Ruanda wurden 1994 während des Genozids mehr als eine Million Menschen umgebracht. Der Staat Israel wiederum entstand als Folge des Holocausts. Das verbindet, von Kontinent zu Kontinent.
„Für uns bringt der Aufenthalt hier die gesamte Geschichte des jüdischen Volkes noch einmal hoch", erzählt Tsadok Yecheskeli, Betreuer bei Israel Premier Tech.
"Hier ganz in der Nähe ist eine Kirche, in der fast Tausend Menschen umgebracht wurden. Jetzt bringt das für mich aber auch die Erinnerungen vom 7. Oktober wieder hoch. Ich war öfter hier in den letzten Jahren und wir sprachen dann über den Holocaust. Jetzt reden wir über den 7. Oktober."
Yecheskelis Rennstall betreibt seit letztem Jahr ganz in der Nähe der Genozid-Gedenkstätte ein Radsport-Trainingszentrum vor allem für Frauen und Mädchen in der Region. Es ist ein Lernprojekt für beide Seiten.
„Was wir hier mitnehmen von den Menschen aus Ruanda, ist, dass man Krieg überwinden, sich wieder vereinen und Frieden finden kann. Ich glaube, dass wir einen Weg finden müssen, mit den Palästinensern zu leben, und die Palästinenser müssen einen Weg finden, mit uns zu leben.“
Radfahrer und Zuschauer bei der Tour du Rwanda.
Der Radsport erfreut sich in Ruanda großer Beliebtheit. (Tom Mustroph)

Ruanda mit erschreckender Menschenrechtsbilanz

Der Frieden in Ruanda erinnert zuweilen aber an die Stille von Friedhöfen. Denn die Regierung gibt vor, in welchen Formulierungen über den Genozid zu berichten ist. Wer sich als ausländischer Journalist anmeldet, muss das sogar unterschreiben.
Oppositionelle werden verfolgt, teils durch Todeskommandos im Ausland umgebracht. Die Menschenrechtsbilanz ist erschreckend, die Kritik von Organisationen wie Human Rights Watch harsch.
Das macht die internationalen Sportveranstaltungen im Lande und die Investitionen in den westlichen Profisport wie etwa als Sponsor bei Bayern München fragwürdig. 7 Millionen Euro zahlt das Land allein an Lizenzgebühren für die UCI, um die WM 2025 im Lande zu haben. Der Sponsorendeal mit dem FC Bayern München ist laut Schätzungen in den Medien fünf Millionen Euro pro Jahr schwer, der mit dem FC Arsenal 10 Millionen und der mit Paris St. Germain 8 bis 10 Millionen.

Sportswashing in Ruanda: "Wollen mit Frankreich und Deutschland das gleiche Wachstum erleben"

Die Behörde, die die Kampagne verantwortet, verteidigt das als sinnvolles Investment:
“Seit dem Beginn der Partnerschaft mit Arsenal ist die Anzahl der Besucher aus Großbritannien um 30% angestiegen. Das gleiche Wachstum wollen nun mit Frankreich und Deutschland erleben.“
Kritik, dass dafür Entwicklungshilfegelder zweckentfremdet werden und das Image des Landes reingewaschen werden soll, weist das Rwanda Development Board zurück:
“Wir investieren, um dann mehr einzunehmen. Allein 2023 haben wir um die 550 Millionen Dollar durch Tourismus eingenommen. Es war ein Rekordjahr. Und es macht Sinn, einen Teil davon in Partnerschaften zu stecken, die unseren Umsatz erhöhen.”

Balanceakt für Sportler*innen

Für Sportler, die an solchen Events teilnehmen, bleibt die Abwägung schwierig. Vincent Dorn, Radprofi bei Team Bike Aid und Teilnehmer der Tour du Rwanda:
„Auf der einen Seite ist es wichtig, dass es auch solche Events gibt, dass es irgendwie Verständigung gibt zwischen den Nationen. Und ja, dafür muss man sich aber auch wirklich genau anschauen, wie der Zustand in den Ländern ist und darf nicht nur hinkommen und sagen: Ach, es ist alles schön und wunderbar, wir kriegen hier die tollen Hotels. Und tatsächlich werden wir aber eigentlich benutzt, um für irgendwelche Menschenrechtsverletzer geradezustehen oder ihre Menschenrechtsverletzungen sauber zu waschen.“
Aufklärung über diese Problemlage ist das Mindeste, was Sportler und Medien machen können und machen müssen.