Ein Becher fürs Getränk, eine Schale für die Wurst – wenn sich zehntausende Menschen täglich auf einem Event kulinarisch versorgen, fallen schnell viele Tonnen von Plastikmüll an.
Außer, man macht es so wie auf der Fanzone Berlin. Hier sind Becher, Teller und Besteck wiederverwertbar. Die Kunststoff-Teile werden in einer professionellen Spülstraße gereinigt und können danach wieder eingesetzt werden. Ein Novum für so eine große Veranstaltung.
24 Tonnen Müll konnten auf der Fanzone Berlin reduziert werden
Weshalb Michael Joop, zuständig für die Nachhaltigkeit bei der EURO im Sportamt Berlin, viel Überzeugungsarbeit leisten musste. "Denn zuvor hat man immer wieder die Aussage gehört: Mehrwegkonzept ist ja schön und gut und auf Getränke lässt sich das auch umsetzen. Aber insbesondere im Speiseberich bei Großveranstaltungen sei dies immer sehr schwer."
Am Ende hat das Konzept aber funktioniert: 24 Tonnen Müll konnten laut Organisatoren vermieden werden – es ist 15mal weniger Müll angefallen als bei vergleichbaren Veranstaltungen. Und die Gäste haben das Mehrweg-System gut angenommen, sagt Jopp.
Fanzone Berlin als Beispiel für nachhaltige EM
"Natürlich ist es nicht immer ganz einfach, weil Menschen aus unterschiedlichen Ländern vielleicht auch unterschiedliche Abfall-Systeme kennen und auch noch nicht so gewöhnt daran waren. Da haben wir ein stückweit nachgesteuert und geguckt, dass auch aufgeklärt wurde."
Nach dem Erfolg bei der EM soll das Konzept jetzt auch bei anderen Veranstaltungen in Berlin angewendet werden. Es ist ein Paradebeispiel für das, was UEFA-Vizepräsident Michelle Uva vor dem Turnier versprochen hatte: Taten statt Worte, um die nachhaltigste EM aller Zeiten auszurichten. Hat’s geklappt?
"Mehr geht immer, auch beim Thema Nachhaltigkeit. Aber grundsätzlich sind wir sehr zufrieden", sagt EURO-Cheforganisator Markus Stenger. Viele Fans hätten den ÖPNV genutzt. Auch die Bahn hat 280.000 EM-Fan-Tickets verkauft.
Trotz UEFA-Handreichung: Viele Teams nutzen Flugzeug
Das ist besonders wichtig, weil die An- und Abreisen der Fans mit weitem Abstand den größten Anteil am CO2-Fußabdruck ausmachen. Deswegen hatten Forscher des Öko-Instituts empfohlen, dass auch die Teams auf Flüge möglichst verzichten – als Vorbilder.
Auch die UEFA hat in ihren Handreichungen an die nationalen Verbände dringend geraten, Bus und Bahn zu nutzen. Gebracht hat es nicht viel – eine Deutschlandfunk-Auswertung aller Reisen der Mannschaften zeigt: Die Mannschaften sind in 40 Prozent der Fälle geflogen.
"Klar, in der KO-Phase hätten wir uns die ein oder andere Busfahrt oder auch Zugfahrt der Teams gegenüber dem Flugverkehr gewünscht", sagt Stenger. "Aber die Teams sind da auch ein Stückweit empfindlich. Man muss auch sagen, man kann nicht so einfach in der Kurzfristigkeit, die man in der KO-Phase hat, auch mal mit der Bahn die entsprechenden Vorkehrungen treffen. Da ist das Bahnnetz einfach eingeschränkt."
Spanien und England sind die Vielflieger
Das haben auch die Niederländer erfahren. Ihr ICE nach Dortmund zum Halbfinale überfährt kurz vor Wolfsburg ein Tier. Der ICE muss aufwendig überprüft werden, das Team fliegt am Ende von Braunschweig nach Dortmund.
Immerhin haben es die Niederländer noch versucht: Die Finalteilnehmer Spanien und England sind fast immer geflogen – auch, weil sie ihr Teamquartier weit weg von den Spielorten aufgeschlagen haben.
Mehr als eine dringende Empfehlung – samt Rechenbeispiel, wie viel eine Bahnfahrt im Vergleich zu einem Flug spart – hat die UEFA aber nicht unternommen.
Aktivist: "UEFA hat Chance verpasst"
Und auch die Idee, durch Clusterbildung die Distanzen zwischen den Gruppenspielen zu verkürzen, ist nur teilweise aufgegangen. Österreich hatte zum Beispiel zwei Partien in Berlin – und eine in Düsseldorf, zu der sie geflogen sind, um mehr Zeit zur Regeneration zu haben.
Die UEFA hat daher eine Chance verpasst, findet Peter Crisp, Aktivist bei der Kampagnengruppe "Fossil Free Football".
"Wenn es den Organisatoren wirklich wichtig wäre, dass die Teams nachhaltiger reisen, dann müssten sie ihre Macht nutzen – denn sie gestalten die Spielpläne und könnten sicherstellen, dass die Spiele geografisch näher beieinanderliegen und es auch insgesamt weniger Spiele gibt, damit die Teams nicht sofort weiterhetzen müssen."
Kritik an Sponsoring durch Qatar Airways
Crisp hat aber auch ein grundlegenderes Problem mit der Haltung der UEFA: Es sei nicht konsequent, einerseits für Nachhaltigkeit einzustehen und auf der anderen Seite die große Werbefläche der EM unter anderem an Qatar Airways zu verkaufen.
"Das passt einfach nicht zusammen. Es ist sehr wichtig darüber nachzudenken, wie Sponsoren die Verschmutzung fördern, die die Klimakrise verursacht. Sponsoring ist kein Akt der Großzügigkeit. Man kauft Einfluss über Menschen, die die Werbung sehen. Und die Veranstalter und die UEFA haben entschieden, mit Qatar Airways zusammenzuarbeiten – und damit Langstreckenflüge für Fans zu normalisieren."
Auch bei der EM hat es hunderte extra Flüge für Fans gegeben – allein 50 nur für das Finale. Für die UEFA sind die Sponsoren aber wichtige Geldquellen. Vielleicht ist das der Grund, warum die UEFA zwar viele Deutschlandfunk-Fragen beantwortet hat, aber die Frage, wie die Partnerschaft mit Qatar Airways zur UEFA-Nachhaltigkeits-Strategie passt, einfach ignoriert.