Kritische Bilanz
Was hat der Sportausschuss erreicht?

Der Sportausschuss soll die Rahmenbedingungen für den Spitzensport fördern und finanzieren. Ob das Gremium diesem Anspruch in der vergangenen Legislaturperiode gerecht geworden ist, darf bezweifelt werden. Entscheidende Vorhaben scheiterten.

Von Wolf-Sören Treusch |
Sitzungsrunde im Sportausschuss des Deutschen Bundestags.
Viele der Mitglieder im Sportausschuss des Deutschen Bundestags haben auch Ämter in deutschen Sportverbänden. Ist das richtig? Oder darf das nicht sein. (imago images / Christian Ditsch )
"Ja, die Flamme brennt, Herr Präsident, bei uns allen für den Para-Sport, und da muss sie brennen, und sie muss noch mehr brennen, sie muss noch mehr leuchten." Heitere Einwürfe wie dieser von Tina Winklmann, sportpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen, zur Bilanz der Paralympics 2024 in Paris sind selten. Meist bestimmen hehre Absichtserklärungen und vorhersehbare Debatten den Ablauf der Sitzungen. Insgesamt 63-mal hat der Sportausschuss des Bundestages in der vergangenen Legislaturperiode getagt. Oft lädt er sich Sachverständige aus der Welt des Sports hinzu, der Erkenntnisgewinn bleibt dennoch vergleichsweise gering.
Auch im Juni 2024, als die für den Sport zuständige Bundesinnenministerin Nancy Faeser den Ausschuss besucht: "Zum Entwicklungsplan Sport haben Sie gefragt, auch der ist auf gutem Wege, wir werden den im Sommer abschließen. Diesen Sommer, falls jemand fragt, ähm (lacht) ..."
Der Entwicklungsplan Sport soll eine ressortübergreifende Strategie für den Breitensport und den gesellschaftlichen Wert des Sports in Deutschland sein. Dafür sollen unter anderem die Sportstrukturen ausgebaut werden. Die Regierung kündigt an, die Opposition kritisiert. Wie üblich. Vorneweg Stephan Mayer, sportpolitischer Sprecher der Unionsfraktion. Von 2018 bis 2021 als Staatssekretär im Bundesinnenministerium selbst für den Sport zuständig gewesen: "Sie haben den Entwicklungsplan Sport erwähnt, da muss man auch der Vollständigkeit halber, Frau Ministerin, mit dazu sagen, dass Ihnen sowohl der DOSB als auch die Länder eine rote Karte gezeigt haben. Es wird keinen Entwicklungsplan Sport in dieser Legislaturperiode gemeinsam mit den Betroffenen, sprich mit den Vereinen, mit den Verbänden, mit den LSBs, mit den Ländern geben."
Stephan Mayer im Bundestag.
CSU-Mitglied Stephan Mayer ist seit 2002 Mitglied des Deutschen Bundestages. (IMAGO / Metodi Popow / IMAGO / M. Popow)

Entwicklungsplan Sport scheiterte wie das Sportfördergesetz

In der Tat scheitert das Vorhaben der Ministerin am komplizierten Kompetenzgerangel im deutschen Sport. Einen von allen gemeinsam erarbeiteten Entwicklungsplan Sport gibt es bis heute nicht. Und das Sportfördergesetz auch noch nicht. Es sollte die Spitzensportförderung in Deutschland zum ersten Mal in einem Gesetz verankern.
"Bei diesem ganzen Thema war der Sportausschuss komplett abgemeldet", sagt Michael Reinsch. Er hat viele Jahre für die FAZ über die Arbeit des Sportausschusses geschrieben, seit kurzem ist er im Ruhestand. "Also Thema Sportfördergesetz hat der Sportausschuss überhaupt keine Rolle gespielt. Die Entwürfe kamen aus dem Sport, das Innenministerium hat sie in Form gebracht, und dann haben politische Kräfte aus dem Finanzministerium, Schrägstrich aus der FDP darauf eingewirkt." Darauf eingewirkt bedeutet, "dass tatsächlich das Finanzministerium in diesen Entwurf hinein eine Floskel geschrieben hat, die es dem Bund erlauben sollte, aus der Spitzensportförderung auszusteigen."
Ein Passus, der weitreichende Folgen gehabt hätte. Michael Reinsch weiß aus zuverlässiger Quelle, dass der Passus im allerersten Entwurf des Sportfördergesetzes gestanden hat. Ein Jahr ist das genau her. Im organisierten Sport war die Empörung damals groß, wochenlang wurde debattiert. Im Sportausschuss dagegen: nichts. Keine Debatte, keine Anhörung, Schweigen. "Es ist üblich, dass erst, wenn der Gesetzentwurf im Bundestag eingebracht wurde, dass dann im Ausschuss darüber gesprochen wird", verweist der sportpolitische Sprecher der FDP, Philipp Hartewig, auf die Geschäftsordnung. Im Vorfeld habe man im Sportausschuss oft genug über die Spitzensportreform debattiert. "Deswegen würde ich den Vorwurf zumindest nicht stehen lassen, dass man sich nicht damit beschäftigt hat, auch mit einzelnen Aspekten."
Zu den Kernaufgaben des Sportausschusses gehört es, effektive und nachhaltige Rahmenbedingungen für den Spitzensport zu fördern und zu finanzieren - so steht es auf der Website des Deutschen Bundestages. Philipp Hartewig räumt ein: Diesem Anspruch sei der Ausschuss nicht nachgekommen. "Im Ergebnis nein, weil: wir haben es nicht geschafft, eine Reform zu Ende zu bringen, um auch wirklich die Spitzensportförderung neu zu strukturieren, wir haben die Bürokratie nicht aus dem System rausbekommen, und das muss man natürlich konstatieren, dass es einen neuen Anlauf in der neuen Legislatur braucht."

Keine Imbulse vom Ausschussvorsitzenden Ullrich

Viele sehen die Ursache für die fehlenden sportpolitischen Impulse aus dem Ausschuss in der Person des Vorsitzenden: Frank Ullrich, SPD. "Ich rufe den Tagesordnungspunkt eins auf, es geht um den Antidoping-Bericht der NADA, …" Frank Ullrich hat es nie geschafft, die Doping-Zweifel um ihn auszuräumen. Möglicherweise sei der ehemalige Weltklasse-Biathlet mehr ins Dopingsystem der DDR verstrickt gewesen als er bisher zugegeben hat, so der Verdacht - nicht nur von FAZ-Redakteur Michael Reinsch: "Es gibt ja auch die Beauftragte der Bundesregierung, die von ihm ein Gutachten verlangte, er hat dem zugestimmt, er wollte dieses Gutachten bringen, bis heute hat er das nicht mal in Auftrag gegeben, soviel ich weiß, auch das ein Zeichen für die Missachtung des Sports im politischen Betrieb hier in Berlin."
Frank Ullrich, SPD, Vorsitzender des Bundestags-Sportausschusses.
Frank Ullrich, SPD, Vorsitzender des Bundestags-Sportausschusses. (IMAGO / photothek)
Entsprechend resigniert ist Philip Krämer von Bündnis 90/Die Grünen, Ullrichs Stellvertreter als Ausschuss-Vorsitzender, im September 2023: "Wir sind jetzt mittlerweile 16 Monate nach diesem Sportausschuss, wo angekündigt worden ist, ein eigenes Gutachten in Auftrag zu geben, ein unabhängiges, das ist nicht passiert, natürlich ist das durchaus ein Symbol oder hat ne gewisse Symbolkraft, wie der Vorsitzende des Sportausschusses des deutschen Bundestages mit dieser Thematik umgeht." Bis heute hat Frank Ullrich während seiner Amtszeit dem Deutschlandfunk kein Interview gegeben. Weder zu dem fehlenden Gutachten noch zu irgendeinem anderen Thema von sportpolitischer Relevanz. Der Vorsitzende des Sportausschusses hat keinen einzigen sportpolitischen Impuls gesetzt.