Polizeieinsatz in der Regionalliga Bayern. Bei der Begegnung Türkgücü gegen den FC Bayern München II zeigen Gästefans ein Banner mit der Aufschrift „FC Bayern Fanclub Kurdistan“. Das Banner ist strafrechtlich nicht relevant, die Heimfans fühlen sich trotzdem provoziert. Als die Polizei versucht, das Banner einzukassieren, geht sie mit Schlagstöcken und Pfefferspray gegen die Bayern-Fans vor. 20 Personen werden verletzt, darunter eine Zwölfjährige. Auch einige Polizisten, die meisten offenbar durch das eigene Pfefferspray.
Das Spiel wird abgebrochen, der Polizeieinsatz beschäftigt inzwischen die Politik. „Also in der Form darf das nicht mehr vorkommen“, kritisiert der sportpolitische Sprecher der Grünen im bayerischen Landtag, Max Deisenhofer, den Einsatz der Polizei:
„Es wird immer bei Derbys aus dem Gästeblock irgendwas geben, was der Verein als Provokation empfindet. Und wenn der Verein dann immer von seinem Hausrecht in der Form Gebrauch macht, dass er sagt, er schickt die Polizei in den Gästeblock und die sollen das Corpus Delicti dann bitte beschlagnahmen, dann werden wir jede Woche große Polizeieinsätze im Stadion haben. Und es hängt an dem Einsatzleiter der Polizei, dass die nicht wegen so einer Nichtigkeit in den Fanblock reingehen.“
Unter der Woche hat es dazu eine Anhörung im Innenausschuss des bayerischen Landtags gegeben. Der zuständige Polizeidirektor erklärt dabei, dass durch den Einsatz verhindert werden sollte, dass die Fangruppierungen auf dem Spielfeld aufeinandertreffen. Diese Begründung ist auch schon in einer aktuellen Kleinen Anfrage aufgetaucht, die Max Deisenhofer dazu gestellt hatte:
„Mich hat die Argumentation auch nicht überzeugt, weil eben gesagt wurde, dass zu dem Zeitpunkt, wo das Spiel abgebrochen war, es trotzdem noch nötig war, eine Zaunfahne in Polizeigewahrsam zu bringen. Die wie gesagt nichts Verfassungswidriges beinhaltet, sondern lediglich den Heimverein provoziert. Und dass damit, und das war das besonders Absurde, ein mögliches Aufeinandertreffen der beiden Fangruppierungen auf dem Spielfeld unterbunden wurde.“
Polizei: nicht alles rund gelaufen
Vor dem Landtagsausschuss hat auch der Polizeidirektor zugegeben, dass nicht alles rund gelaufen sei. Die Polizei will den Einsatz jetzt nachbereiten, um künftig solche Situationen besser zu regeln. Und auch der Bayerische Fußballverband BFV hat reagiert, und beide Vereine bestraft. Dabei wird mit dem Urteil klar, dass der Fußball in den unteren Ligen mit solchen Vorfällen bisher nicht konfrontiert worden ist. In Bayern ist dies der erste Spielabbruch überhaupt wegen eines solchen Vorfalls in 12 Jahren Regionalliga.
„Deswegen sind wir auch sehr deutlich nach oben gegangen, was das Strafmaß anbetrifft“, macht Fabian Frühwirth vom BFV im Gespräch mit dem Deutschlandfunk deutlich. Unter anderem wird die abgebrochene Begegnung jetzt als Geisterspiel nachgeholt.
„Zum Beispiel müssen beide Vereine die Kosten des Geisterspiels in letzter Konsequenz zur Hälfte tragen. Und es gibt auch ein Commitment, wie mit den Kosten umgegangen wird für das abgebrochene Spiel. Und da reden wir dann schnell von dem Bereich 10.000 Euro und mehr an Strafe.“
Als Geisterspiel sollte kürzlich auch ein Spiel im Westfalen-Pokal ausgetragen werden. Allerdings als präventive Sicherheitsmaßnahme, nicht als Bestrafung. Die Spvgg. Erkenschwick hatte im Vorfeld der Partie bei Rot-Weiß Erlinghausen darauf hingewiesen, dass gewaltbereite Fans – so genannte „Kategorie C“ Anhänger – mitreisen könnten. „Eine gesicherte Erkenntnis haben wir nicht dazu. Es ist einfach eine Vermutung gewesen“, betont Andreas Giehl von der Spvgg. Erkenschwick.
Wegen Sicherheitsbedenken hatte der Heimverein aus Erlinghausen daraufhin ein Geisterspiel beantragt – der Pokal-Spielleiter gab diesem Antrag statt. Der zuständige Fußball- und Leichtathletik-Verband Westfalen schreibt dazu auf Deutschlandfunk-Anfrage, dass dies auch aufgrund der Empfehlung der Polizeibehörden geschehen sei. Erkenschwick hat daraufhin Einspruch eingelegt:
„Wenn die Polizeibehörden dazu übergehen, das auch so einzuschätzen, macht nur dann Sinn, wenn Kategorie-C-Fans auf Reisen gehen, wenn auf der anderen Seite auch welche sind. Und ich behaupte mal, in Erlinghausen gibt es die nicht. Also hätte es da ja auch gar kein Gewaltpotential geben dürfen.“
Kompromiss gefunden, aber Aufwand war groß
Mittlerweile ist der Einspruch schon vor dem Sportgericht des Westdeutschen Fußballverbandes verhandelt worden. Dort hat man einen Kompromiss gefunden. Ein anderer Spielort, wo von beiden Fanlagern jeweils bis zu 350 Anhänger mit dabei sein dürfen. Personalisierte Tickets sollen dabei gewaltbereite Fan von vornerein abhalten. Sowohl die Spvgg. Erkenschwick als auch Rot-Weiß Erlinghausen begrüßen diese Lösung, die Erkenschwicker unterstützen das Heimteam bei den Sicherheitsmaßnahmen. Aber der Landesligist aus Erlinghausen stellt klar: Sollte so ein Fall häufiger auftreten, hätte der Verein ein großes Problem.
„Wenn man diesen Aufwand bezahlen müsste mit richtigem Personal, wäre das nicht leistbar. Das ist überhaupt keine Frage“, macht der 2. Vorsitzende des Siebtligisten, Oliver Dülme, deutlich. Je höher die Sicherheitsanforderungen, desto schwieriger für seinen Verein. „Wenn wir sehen, wer jetzt noch im Westfalen-Pokal ist, und wie die Spiele gelaufen sind, alle vor mehreren hundert Zuschauern durchgeführt, alle reibungslos, dann wird sich das lohnen. Unter diesen Voraussetzungen lohnt sich das nicht. Und das ist eigentlich ja nicht Sinn des Amateurfußballs, des Ehrenamts, bei dem wir alle tätig sind.“
Am Ende bleibt weiter die Frage um die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahmen in den Ligen unterhalb des Profi-Fußballs.