35 Jahre Mauerfall
Der Fußball bleibt in Ost und West geteilt

35 Jahre nach dem Mauerfall sind Ost und West im Sport längst nicht eins. Gerade im Fußball sind die Unterschiede unübersehbar. Der Kulturwissenschaftler Alexander Mennicke sieht vor allem große Probleme in der Erfolglosigkeit der Ost-Vereine.

Alexander Mennicke im Gespräch mit Christian von Stülpnagel |
Fans von Hansa Rostock präsentieren ein Banner mit der Aufschrift "Ostdeutschland".
Fans von Hansa Rostock präsentieren ein Banner mit der Aufschrift "Ostdeutschland". (picture-alliance / dpa / Daniel Karmann)
Vor 35 Jahren - am 9. November 1989 - ist die Berliner Mauer gefallen. Ganz verschwunden ist sie aber noch nicht. Auch heute sind Unterschiede zwischen West und Ost weiter spürbar - auch im Sport. "Gefallen ist die Mauer auf jeden Fall. Das heißt aber nicht, dass das Fundament, dass ihre Geschichte, komplett verschwunden sind", sagte Alexander Mennicke im Deutschlandfunk.
Mennicke studierte an der Universität Leipzig Politik- und Kulturwissenschaften mit dem Forschungsschwerpunkt Fußball. In seiner Dissertation geht er der Frage nach ostdeutschen Identitäten und dem Vermächtnis der DDR in Fußballstadien nach.

Im Fußball ist die DDR noch stark präsent

Im Sport sei es wichtig, zwischen Individualsportarten und Mannschaftssportarten zu unterscheiden, sagte er. "Im Individualsport spielt die DDR und ihr Erbe nur noch eine untergeordnete Rolle. Anders ist das bei Sportarten mit einer kollektiven Fankultur, gerade bei Fußball. Dort ist die DDR und ihre Geschichte in die Stadien noch extrem präsent. Teilweise passiert das unterbewusst, wenn man sich auf sportliche oder regionale Traditionen beruft. Teilweise geht es aber auch um bewusste Aneignung von Geschichte und Symbolen." Das sei jedoch von Standort zu Standort unterschiedlich: "Dresden und Magdeburg sind nicht Leipzig oder Berlin."

Abwertungserfahrungen der Vereine

Mennicke unterstreicht aber, dass gerade im Fußball extreme Abwertungserfahrungen gemacht wurden. "Die ostdeutschen Vereine verbinden ihre Vereinsgeschichte nach der Wende sehr krass mit finanziellen Problemen, zum Teil auch mit Westdeutschen, die in den Osten gekommen sind und sich als Sonnenkönige aufgespielt haben, wenngleich das natürlich immer auch mit Legitimität, der Mitglieder der Vereine zusammenkam", sagt Mennicke. Die Transformationsgeschichte aus Sicht der Fankultur sei selten mit positiven Erzählungen verbunden.

35 Jahre Mauerfall

Ost-West-Unterschied in der Nationalmannschaft

Auch in Sachen Verbands- und Strukturebenen sieht der Kulturwissenschaftler noch große Unterschiede zwischen zwischen Ost und West. Beispiel Fußball-Nationalmannschaft: Dort hat mit Maximilian Beyer im erweiterten Kader tatsächlich nur ein Spieler Wurzeln in Ostdeutschland. Beim DFB und der DFL sehe es genauso aus - sogar noch schlimmer. "Das liegt natürlich auch in einem Transformationsprozess und einer Ungleichheit, wo nichts auf Augenhöhe ablief. Und insofern finden sich da eben schon große Unterschiede zwischen Ost und West", sagt Alexander Mennicke. Das gelte auch für die Fankultur.
Auch dort sieht Mennicke Unterschiede. "Es gibt Kontakte zwischen Ost und West, es gibt auch Fanfreundschaften. Aber es gibt auch Rivalitäten, die tatsächlich genau auf diesen Ost-West-Unterschied beruhen und sich auch immer wieder darauf berufen", sagt der Kulturwissenschaftler und nennt als Beispiel Dynamo Dresden und den 1. FC Köln.
Bei den Aufeinandertreffen der beiden Teams gebe es immer Ost-West-Vergleiche und Frotzeleien. "Die Kölner fahren dann mit einem Sonderzug und geben Visa aus, um in die DDR zu kommen. All solche Sachen spielen dann schon gerade in der Fankultur eine sehr große Rolle", sagt er.