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Sport in Polen
Politik wird zum Mitspieler

Um den polnischen Sport steht es schlecht, obwohl die Regierung die Mittel für den Sport vor drei Jahren verdoppelt hat. Nun soll eine umfassende Reform her, die der Politik aber auch weitreichende Mitbestimmung im Sport ermöglicht.

Von Florian Kellermann |
    Fans der polnischen Fußball-Nationalmannschaft (2016)
    Fans der polnischen Fußball-Nationalmannschaft (2016) (EPA/PETER POWELL/dpa/picture alliance)
    Die polnische Regierung unterstützt den Sport mit rund 250 Millionen Zloty - umgerechnet 60 Millionen Euro. Die Regierung der rechtskonservativen Partei PiS hat die Ausgaben seit ihrer Regierungsübernahme vor drei Jahren verdoppelt. Sie hat zusätzlich dafür gesorgt, dass durch das Sponsoring von Staatsunternehmen mehr Geld in den Sport fließt.
    In der polnischen Gesellschaft ist organisierter Sport wesentlich weniger beliebt als etwa in Deutschland. Nur rund 1 Million der 38 Millionen Polen sind Mitglieder in Sportvereinen.
    "Schlecht, wie in Europa nur in Zypern"
    Zwei Wissenschaftler der Universität Warschau haben die Situation im polnischen Sport untersucht. Ergebnis: Die Sportverbände sind nicht demokratisch organisiert, sie sind intransparent und tun wenig für die Entwicklung der Gesellschaft.
    Pawel Zembura, einer der Autoren des Berichts sagt: "Schlechter als bei uns ist es - innerhalb von Europa - nur in Zypern. Und das gilt ganz besonders für die interne Kontrolle in den Verbänden. Ein Beispiel: Jemand kann sowohl im Vorstand als auch in der Verbandsführung eine Funktion haben. Eigentlich sollten sich diese beiden Organe gegenseitig kontrollieren."
    Verbände zu Reformen zwingen
    Der Bericht entstand im Rahmen eines internationalen Projekts. "National Sports Governance Observer" heißt es und wurde von der EU finanziert. Es verglich, wie der Sport in neun Ländern organisiert ist, darunter in Deutschland.
    Pawel Zembura sagt: "Das Projekt machte es möglich, den Sport in verschiedenen Ländern zu vergleichen. Daraus haben wir Schlüsse gezogen, wie er organisiert werden sollte, im Rahmen von sogenannten Good-Governance-Richtlinien. Die Ergebnisse sind für jedes Land anders ausgefallen."
    Die Experten empfehlen der polnischen Regierung insbesondere, die Sportverbände zu Reformen zu zwingen - und sie dabei weitreichend zu unterstützen. Unter anderem mit Schulungen und juristischem Beistand.
    "Mangel an Transparenz"
    Anders als in Deutschland löste der Bericht in Polen eine unmittelbare Reaktion aus: Die Regierung der rechtskonservativen Partei PiS kündigte tatsächlich eine durchgreifende Reform an.
    Sport- und Tourismusminister Witold Banka erklärte: "Es ist kein Geheimnis, dass viele Sportverbände in interne Grabenkriege verstrickt sind, dass Mittel nicht effizient ausgeben werden und dass es an Transparenz mangelt. Deshalb bereiten wir eine große Reform vor. Von Januar 2021 an soll ein Institut zur Finanzierung des Sports entstehen. Es wird der Regierung unterstehen und einige Dutzend Betreuer für verschiedene Disziplinen beschäftigen."
    Verbände werden umgangen
    Diese Betreuer sollen unmittelbar mit Trainern in Vereinen zusammenarbeiten - und auch mit Profisportlern. Die Verbände werden also umgangen.
    Sie sollen zwar weiter dafür zuständig sein, welche Sportler Polen zu internationalen Wettkämpfen entsendet. Aber Minister Banka macht keinen Hehl daraus, dass er mehr Kontrolle will: "Allein das Sportministerium wird entscheiden, welche Disziplinen die Regierung unterstützten will und auf welche Weise. Aber natürlich wird es vor der Reform eine breite Diskussion geben."
    Direkter Einfluss auf den Sport
    Die Regierung wolle die Empfehlungen der Wissenschaftler also ganz offenbar nur zum Teil umsetzen, kommentiert Pawel Zembura:
    "Wir haben die Schaffung einer Dachorganisation vorgeschlagen, wie es sie zum Beispiel in der belgischen Region Flandern gibt. Aber im Projekt des polnischen Ministeriums soll diese Organisationen nicht nur die Aufgaben übernehmen, die wir empfehlen. Die Sportverbände werden nicht nur entlastet, sondern bekommen auch weniger Geld."
    Mit anderen Worten: Die Regierung zwingt die Verbände nicht nur, sich zu reformieren, wie es die Experten vorschlagen, sie erhöht gleichzeitig ihren direkten Einfluss auf den Sport.
    Viele Sportler dürfte dieser Einwand kaum stören, meint Pawel Zembura. Die Verbände seien in Polen derart unbeliebt, dass die Sportler jede Maßnahme begrüßten, die deren Macht beschränke.
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