Sportwissenschaftler Elsborg
"Saudi-Arabien wird im kommenden Jahrzehnt der große Player sein"

Durch den neuen Player Saudi-Arabien werde sich der Fokus des Weltsports immer mehr Richtung Naher Osten verschieben, so Stanis Elsborg von "Play the Game" im Dlf. Sport könne jedoch auch Wandel herbeiführen, "wenn man ihn richtig benutzt."

Stanis Elsborg im Gespräch mit Maximilian Rieger |
Der saudische Kronprinz Mohammed Bin-Salman sitzt auf eine Konferenz an einem Pult.
Kronprinz Mohammed Bin-Salman ist nur Staatsführer Saudi-Arabiens, sondern ist auch Chef des Public Investment Funds, der massiv in den Sport investiert. (IMAGO / ZUMA Wire / IMAGO / Saudi Press Agency)
Fast eine Milliarde Euro hat Saudi-Arabien alleine im Jahr 2023 für Fußball-Transfers ausgegeben und so etwa Superstars wie Cristiano Ronaldo, Karim Benzema oder Neymar in die heimische Saudi Pro-League geholt. Doch das ist nur die Spitze des Eisbergs.
Laut einer Recherche der dänischen Sport-Initiative "Play the Game" hat Saudi-Arabien in diesem Jahr insgesamt 323 Aktivitäten im Sport finanziell unterstützt. 37,8 Milliarden Euro flossen laut "FAZ" allein in den E-Sport, jeweils knapp fünf Milliarden Euro in Fußball und Golf.
Dass Golfstaaten in den Sport investieren ist nicht neues. Katar oder die Vereinigten Arabischen Emiraten praktizieren das bereits seit Jahren. Doch das Jahr 2023 markiere trotzdem ein Wendepunkt, sagte Stanis Elsborg von der dänischen Organisation "Play the Game" im Deutschlandfunk. "Zumindest im Hinblick darauf, dass wir mit Saudi-Arabien einen neuen, politisch wichtigen Akteur haben, der sehr viel Geld in den Weltsport investiert."

Saudi-Arabien "ganz andere Dimension" als Katar

Im Vergleich zu etwa Katar handele es sich bei den saudischen Investitionen um eine "ganz andere Dimension", sagte Elsborg. Zum einen sei Saudi-Arabien in der Region viel bedeutender als Katar: "Sie sind generell viel machtvoller in der internationalen Politik. Deswegen ist es eine neue Dimension, wenn sie anfangen, in den Sport zu investieren."
Zum anderen habe noch nie ein Land so viel Geld in den Sport gepumpt. "Von China, Russland, ein bisschen auch von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten haben wir ähnliches gesehen, aber noch nie in diesem Ausmaß. Und wir haben auch noch nie so eine Art von politischer Rückendeckung erlebt wie jetzt in Saudi-Arabien."
In Saudi-Arabien gebe es wie in den meisten autokratisch regierten Ländern keinen Unterschied zwischen Sport und Politik, sagte Elsborg. "Die gleichen Menschen, die Saudi-Arabien regieren, entscheiden auch in den Sportverbänden, im Sportministerium und dort, wo das Geld für den Sport herkommt. Deswegen geht es nicht um Sport, sondern um die geopolitische Agenda von Saudi-Arabien."

Sport-Fokus rückt Richtung Naher Osten

Das werde den Sport in den kommenden Jahren verändern. Der Fokus werde mehr Richtung Naher Osten rücken. "Die Fußball-WM 2034 wird in Saudi-Arabien stattfinden. Sie werden auch die asiatischen Winterspiele 2029 ausrichten und 2034 auch die asiatischen Sommerspiele, im selben Jahr wie die WM. Saudi-Arabien wird im kommenden Jahrzehnt der große Player sein. Sie fangen gerade erst an. Sie werden in den kommenden Jahren noch in viel mehr Sport-Events investieren."
Generell halte es Elsborg nicht für verwerflich, wenn Saudi-Arabien oder andere autokratisch regierte Länder Sport-Events austragen. Die Ausrichtung dieser Events müsse nur an die richtigen Bedingungen geknüpft sein, sagte er.
Hier nimmt er die Verbände in die Pflicht: "Wenn die FIFA oder das IOC wirklich meinen, dass Menschenrechte eine Voraussetzung sind, um eines ihrer Events austragen zu dürfen, müssten sie das viel ernster angehen. Denn wenn sie Menschenrechte ernst nehmen würden, denke ich nicht, dass Saudi-Arabien die WM ausrichten dürfte, so wie die Menschenrechtslage in dem Land aktuell ist."
Aus europäischer Sicht müssten die führenden Sport-Funktionäre die von ihnen selbst oft propagierten Werte wie Menschenrechte oder Demokratie viel ernster nehmen, findet Elsborg. "Aber das Problem ist, dass die führenden Funktionäre in großen Verbänden wie der FIFA oder dem IOC sehr eng mit Autokraten wie Mohammed Bin-Salman oder dem Emir von Katar verbandelt sind. Noch vor fünf oder sechs Jahren war Russlands Wladimir Putin der große Player im Weltsport."

Sport kann Wandel herbeiführen, wenn man ihn richtig benutzt

IOC-Präsident Thomas Bach bezeichnete den Sport jüngst als "Kraft für das Gute", die in Ländern wie Saudi-Arabien oder Katar positiven Wandel herbeiführen könne. Eine leere Phrase, findet Elsborg. "Dieses Statement wird dazu benutzt, sportpolitische Entscheidungen zu rechtfertigen, weil die Funktionäre den Sport nicht so benutzen, wie sie ihn benutzen könnten."
Dabei glaube er, dass Sport Katalysator für Wandel sein kann: "Aber der Sport muss es auch umsetzen und das ist noch nie passiert. Wir hatten 2008 die Olympischen Sommerspiele in China, wir hatten 2022 die Winterspiele in China. Und in Bezug auf das Regime, auf Meinungsfreiheit und auf Menschenrechte ist die Situation in China sogar schlimmer geworden. Auch in Russland hat es sich verschlechtert."
Ähnliches werde nun wohl auch in Saudi-Arabien passieren: "Wir werden wahrscheinlich erleben, dass Meinungsfreiheit und Menschenrechte noch weiter eingeschränkt werden. Denn jetzt, wo sie die großen Sport-Events veranstalten, darf man nicht mehr über die schmutzige Wäsche im Land reden. Der Sport kann eine Kraft für das Gute sein, aber die großen Sportverbände haben ihn nie dafür benutzt."