Das Horrorszenario des Deutschen Olympischen Sportbundes ist nicht eingetreten. Im Mai hatte der Dachverband den möglichen Corona-Schaden für den Sport auf eine Milliarde Euro beziffert – basierend allerdings auf groben Hochrechnungen mit Zahlen aus nur vier Regionen Deutschlands.
Die ersten konkreten Zahlen zeigen: Zumindest in den bisherigen sieben Monaten der Pandemie haben die zehntausenden Breitensportvereine deutlich geringere finanzielle Schwierigkeiten gehabt, als befürchtet. Das sieht auch DOSB-Präsident Alfons Hörmann im Gespräch mit dem Deutschlandfunk so:
"Diese Vereine kommen zumindest bislang noch relativ gut über die Runden. Allerdings wird an vielen Stellen weit weniger aktiv agiert, also das Angebot schlichtweg auf die neuen finanziellen Möglichkeiten angepasst."
In finanzieller Notlage befindet sich aber nur ein geringer Teil der Vereine. Das zeigt eine Deutschlandfunk-Abfrage bei allen Landessportbünden und den zuständigen Landesministerien. In fast allen Bundesländern hat es Coronahilfen speziell für den Sport gegeben – und in keinem Bundesland sind die Hilfen annähernd ausgeschöpft.
Angespannte Lage in Bayern, Berlin, Brandenburg
In Nordrhein-Westfalen stehen zum Beispiel 10 Millionen Euro Soforthilfe zur Verfügung – etwas mehr als die Hälfte sind bereits für Vereine bewilligt. In Hessen haben die Vereine hingegen noch nicht mal 20 Prozent der Hilfen benötigt. Auch die Landessportbünde aus Baden-Württemberg, Thüringen und Sachsen teilen mit, dass die finanzielle Lage stabil sei. Verluste und eine angespannte Lage melden hingegen die Landessportbünde in Bayern, Berlin und Brandenburg. Und die Probleme werden schwerwiegender, je höherklassiger ein Verein spielt, sagt Alfons Hörmann:
"Dort stellen wir fest, dass die Existenzsorgen – und an vielen Stellen auch die Existenzängste – mittlerweile bei den Vereinen und bei den Organisatoren längst angekommen sind. Und damit kommt der berühmte Tag X, an dem man sich ja im Verein oder in der Organisation die Frage stellen muss: Sind wir weiter existenzfähig? Und was können oder müssen wir tun oder lassen, um die Existenz dauerhaft zu erhalten?"
Programm ist "kompliziert und restrikitiv"
Genau für solche Fälle hat der Bundestag im Sommer ein Coronahilfspaket für den Profi-Sport in Höhe von 200 Millionen Euro bewilligt. Die Nachfrage läuft allerdings schleppend. Das zuständige Bundesverwaltungsamt schreibt, es seien knapp 21 Millionen Euro beantragt worden – und das, obwohl das Programm schon seit sechs Wochen läuft. DOSB-Präsident Alfons Hörmann macht dafür die Richtlinien des Bundesinnenministeriums verantwortlich:
"Als die Ausführungsbedingungen veröffentlicht wurden, war für zahlreiche Vereine und auch für uns klar, dass das gesamte Programm letztlich so kompliziert und restriktiv ausgelegt ist, dass aus dem ursprünglichen Willen der Politik, nämlich ein Corona-Soforthilfe-Programm aufzulegen, ein schwieriges Programm wird."
"Vergleichen mit einer Krankenhaussituation"
Der DOSB und manche Vereine kritisieren insbesondere, dass sie die Verluste aus den fehlenden Zuschauereinnahmen nur dann ersetzt bekommen, wenn sie sich in wirtschaftlicher Not befinden. Der zuständige Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Markus Kerber, hatte dieses Vorgehen bereits vor zwei Wochen im Deutschlandfunk so verteidigt:
"Sie müssen das vergleichen mit einer Krankenhaussituation. Ich muss doch denjenigen bevorzugt helfen, die wirklich schwer verletzt eingeliefert werden. Und da bemühen wir uns – ausgerichtet und orientiert am Beschluss des Haushaltsausschusses – zielgenau helfen zu können."
Und auch die Vorsitzende des Sportausschusses, Dagmar Freitag betont, dass das Bundesinnenministerium sehr wohl die Vorgaben des Ausschusses umsetze:
"Das sind Corona-Nothilfen. Und Nothilfen heißt: Wir helfen denen, die in Not sind. Wer nach wie vor ein gefülltes Polster hat, der braucht auch nach wie vor kein Geld aus Programmen, die der Steuerzahler finanziert."
Auch die EU-Regelungen für staatliche Beihilfen begrenzen den Spielraum, den der Bund bei der Bewilligung von finanziellen Hilfen hat. DOSB-Präsident Hörmann sieht Profi-Vereine dadurch in einer Zwickmühle. Um eine Lizenz für eine Profi-Liga zu erhalten, müssten die Vereine beweisen, wirtschaftlich gesund zu sein. Um Staatshilfen zu bekommen, wäre das Gegenteil nötig.
Ein Vertreter eines Handball-Bundesligisten teilt dem Deutschlandfunk allerdings mit, sein Klub habe sowohl die Lizenz erhalten, als auch Sofort-Hilfen. Und der Aufwand dafür sei "kein Hexenwerk" gewesen. Hohe bürokratische Hürden hatten insbesondere Verantwortliche aus der Deutschen Eishockey Liga beklagt. Die DEL ist besonders von den fehlenden Fans betroffen und hat ihren Saisonstart schon zweimal verschoben. Die Liga fordert deswegen weitere Hilfe aus der Politik. SPD-Politikerin Dagmar Freitag zeigt sich im Gespräch grundsätzlich offen für weitere Lösungen:
"Wobei mich schon auch irritiert hat, dass zum Beispiel ein Geschäftsführer eines DEL-Vereins unser Hilfspaket als Mogelpackung bezeichnet hat und dann aber eingeräumt hat, dass sein Verein rund 18 Mio Schulden hat und lapidar eingefügt hat: Jeder Club in der DEL hat Schulden. Vielleicht sollte man drüber nachdenken, wie die Vereine ihre Haushaltspläne aufstellen."
Viele Probleme wohl erst 2021
Freitag betont aber auch, dass es notwendig sei, die Profi-Ligen zu erhalten, damit auch die Nationalmannschaften weiterhin auf gute Spieler zurückgreifen könnten. Deshalb zeigt sie sich auch offen gegenüber einzelnen Vorschlägen von DOSB-Präsident Hörmann.
Zum einen sollen Vereine, die bereits KfW-Kredite bekommen, trotzdem die volle Soforthilfe des Bundes erhalten können. Und zum anderen sollen die Kosten für die Hygienekonzepte zumindest teilweise ersetzt werden. "Da bin ich gerne bereit, mit mir drüber reden zu lassen", sagt Freitag
Und bei den aktuellen Haushaltsberatungen im Bundestag sind Corona-Hilfen für den Sport auch für das kommende Jahr ein Thema. Denn auch da sind sich Politik und Sport einig: Viele Probleme werden wahrscheinlich erst dann auftreten.