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Spitzensport und Schwangerschaft
Wie Sportlerinnen mit Mut und Eigeninitiative Sport und Familie vereinen

Viele Karrieren von Sportlerinnen enden mit dem Kinderwunsch. Eine Athletin mit Kind ist nicht nur ein Vorbild, sondern auch eine Ausnahme. Denn an unterstützenden Strukturen fehlt es, die Athletinnen sind auf sich alleine gestellt.

Von Sabine Lerche | 04.02.2023
Königstein läuft an der Kamera vorbei
Marathonläferin Fabienne Königstein in Dresden 2021 (imago images / Jan Huebner / Kai Peters via www.imago-images.de)
„Training in der Schwangerschaft und auch Training nach der Geburt - da ist man als Schwangere dann auf sich alleine gestellt“, sagt Fabienne Königstein. Die Marathonläuferin wurde im Sommer 2022 Mutter. Sportliche Karriere und Familienplanung, das ist bis heute ein Problem, das musste sie selbst erfahren: “Da ist eine große Unsicherheit natürlich, weil’s nach wie vor so ist, dass in der Gesellschaft viele denken, Sport und Schwangerschaft passen nicht zusammen.“
Wer in seiner aktiven Zeit ein Kind bekommt, der stehe vor einem Berg an Hindernissen. Para-Kanutin Edina Müller wollte als stillende Mutter ihren Sohn Liam zu den Paralympics 2021 mit nach Tokio nehmen. Doch eigentlich war die Akkreditierung von Kindern nicht vorgesehen:
„Ich glaube, durch das Problem, dass die Strukturen noch nicht wirklich dafür vorgesehen sind, war es auch oft eine Herausforderung. Aber das muss ja irgendwie weitergehen. Also wir müssen die Entwicklung da auch irgendwie vorantreiben. Und ich hoffe, dass auch meine Geschichte irgendwie dazu beiträgt, dass es für zukünftige Mütter im Leistungssport einfacher wird“, erklärte Müller im Deutschlandfunk-Interview.
Edina Müller sitzt im Kanu.
Edina Müller bei den Olympischen Spielen in Tokio: Akkreditierung des Kindes nicht vorgesehen (dpa / Marcus Brandt)

Schwierigkeiten beim Reiten und Tennis

Für Veränderungen scheinen die Athletinnen selbst sorgen zu müssen: Springreiterin Janne Friederike Meyer-Zimmermann gründete die Initiative Equal Equest für mehr Chancengleichheit im Reitsport. Bis Dezember 2022 musste eine Schwangerschaftspause im Springreiten mindestens sechs Monate dauern.
Janne Friederike Meyer-Zimmermann springt mit ihrem Pferd über ein Hindernis.
Sehr gute Saison nach der Geburt ihres Kindes: Janne Friederike Meyer-Zimmermann und ihr Pferd Messi - hier im Training beim CHIO in Aachen. (picture alliance/dpa | Friso Gentsch)
Ist das Comeback früher, verliert die Athletin viele ihrer Punkte, von denen die Platzierung in der Weltrangliste und die Vergabe der Startplätze abhängig sind. Zumindest eine verkürzte Schwangerschaftspause konnte die Initiative erreichen - auch wenn das für Meyer-Zimmermann nur ein halber Erfolg ist:
„Es geht einfach wirklich um Selbstbestimmung. Und man muss da vielleicht auch dahin kommen, dass man eben eine Sportlerin, eine Reiterin auch als Unternehmerin sieht und auch als berufstätige Frau sieht, die nach bestem Wissen und Gewissen eben auch ihren eigenen Körper im Blick hat und da eigenverantwortlich handeln wird.“
Ähnliches berichtet beispielsweise auch Tatjana Maria. Im Tennis kommt es auf das Ranking der Weltrangliste an, auch hier werden Schwangere behandelt, als seien sie verletzt. Unterstützung der Profi-Vereinigung WTA: Fehlanzeige.
Das Bild zeigt den Oberkörper Marias, sie trägt ein weißes Hemd und eine weiße Schirmmütze. Sie hält den Schläger hoch und lächelt glücklich. Im Hintergrund unscharf Zuschauerränge.
Tatjana Maria nach einem Sieg in Wimbledon 2022 (AP/dpa/Alberto Pezzali)
Ansprechpersonen in Verband und Verein fehlen
Ein Comeback in Sportarten mit Qualifikationsleistungen scheint da einfacher: Ist die Quali geschafft, ist man auch wieder im Kader. Das ist auch das Ziel von Marathonläuferin Fabienne Königstein nach der Geburt im Sommer 2022. Als DOSB-Athletensprecherin hat sie sich dem Thema Sport und Schwangerschaft auch auf anderer Ebene angenommen. Sie kritisiert, dass es für schwangere Athletinnen an Ansprechpersonen und trainingswissenschaftlicher Begleitung fehlt. Vom Verband aus gebe es keine Unterstützung:
„Absolut gar nicht - eine Riesenlücke! Also ich habe mich mit anderen Athletinnen ausgetauscht, also einfach Athletinnen, von denen ich wusste, dass sie schon Mama sind und auch wieder zurück in den Sport gefunden haben. Und da konnte ich mir Tipps und Ideen holen. Aber wirklich von offizieller Stelle gibt es keine Unterstützung und keine Ansprechperson.“
Finanzielle Unsicherheit
Eine spezielle Sporthilfe-Förderung hilft finanziell zumindest etwas bei einer längeren Verletzungs- oder Schwangerschaftspause. Die in der Regel wichtigste Einnahme-Quelle, die Sponsoren, unterbrechen dagegen oft ihre Verträge während einer Schwangerschaft, berichtet Königstein:
„Bei Sponsorenverträgen ist es nach wie vor so, dass ganz oft eben eine Klausel drin ist, dass man in der Schwangerschaftszeit keine finanzielle Unterstützung mehr bekommt. Man hat ja als Athletin dann zwar auch eine Verschwiegenheitspflicht, das macht das alles sehr schwierig“, erzählt die DOSB-Athletensprecherin im Deutschlandfunk. „Aber das ist definitiv auch etwas, was sich ändern muss. Dass man als Athletin auch in der Schwangerschaft finanziell weiter gefördert wird, weil es ändert sich ja nichts: Man trainiert ja, sofern man das ärztliche Okay hat, trainiert man ja weiter.“
Eigentlich könnte die Thematik Schwangerschaft ein lukrativer Markt für Sponsoren sein: Fußballnationalspielerin Melanie Leupolz warb während ihrer Schwangerschaft mit Sportumstandsmode von adidas. Leichtathletinnen wie Cindy Roleder und Gesa Krause zeigten, wie Sport mit Babybauch funktioniert. Unsicherheit und große Herausforderungen prägen aber dennoch den Alltag werdender Mütter im Leistungssport.
„Wie kann ich da überhaupt weitermachen? Kann ich meine Familie danach überhaupt noch ernähren?“ fragte sich Para-Kanutin Edina Müller deshalb nicht nur einmal. „Kann ich meinen Sport weiterfinanzieren? Wie kann ich sonst Unterstützung bekommen? Und dafür müsste es halt auch irgendeine Regelung geben, dass man sich da halt überhaupt keine Sorgen, gar keine Gedanken machen muss.“
Zuständigkeiten im Verband unklar
In den USA und in Skandinavien gibt es im Fußball bezahlte Betreuungspersonen für die Kinder der Spielerinnen. Die FIFA hat Ende 2020 weltweite Mutterschutzregeln mit bezahltem Mutterschaftsurlaub und einem gesicherten Comeback festgelegt.
In Deutschland hingegen fehlt es an Regeln zu Sponsorenverträgen, Kaderplatzgarantien, an Ansprechpersonen und Betreuungsmöglichkeiten, fasst Königstein zusammen. Doch wer sich im Verband darum kümmert und zuständig fühlt, ist unklar. Zumindest steht das Thema beim DOSB für dieses Jahr schon mal auf der Agenda. Wie und wo – auch das ist unklar.