Während Deutschland im Lockdown ist und sich die Bürgerinnen und Bürger an Kontakt- und Reisebeschränkungen halten müssen, geht der Profisport eigene Wege. Weil Mannschaften aus England aufgrund der Corona-Mutationen aktuell nicht nach Deutschland einreisen dürfen, tragen etwa RB Leipzig (gegen Liverpool) und Borussia Mönchengladbach (gegen Manchester City) ihre Spiele in der Fußball-Champions-League kurzerhand in Budapest aus. Der FC Bayern München ist für die Klub-WM sogar nach Katar gereist.
"Der Profifußball, und auch andere Sportarten, leben offensichtlich in einem anderen Kosmos, in dem Rücksichtnahme ein Fremdwort ist", sagte die Vorsitzende des Sportausschusses, Dagmar Freitag (SPD), im Dlf. Die Politik sei machtlos, weil sie nicht entscheide, ob der Europäische Fußballverband (UEFA) seine Wettbewerbe austrage oder nicht. "Politik kommt dann ins Spiel, wenn es darum geht, Einreisen möglicherweise zu unterbinden. Aber es ist natürlich nicht möglich, deutschen Staatsbürgern die Reise nach Budapest zu verbieten", so Freitag.
Freitag für Quarantäne bei Rückreise
Was die Rückreise der Teams betreffe, liege die Verantwortung bei den Ministerpräsidenten der Länder und den zuständigen Gesundheitsämtern. Im Fall des FC Bayern, bei dem mit Thomas Müller sogar ein Spieler positiv auf Covid-19 getestet wurde, sei das eine Frage, die sich "ganz klar an Ministerpräsident Söder richtet". Freitag selbst spricht sich für eine Quarantäne-Pflicht für Mannschaften nach der Rückreise aus einem Risikogebiet aus. "Was für den Normalbürger gilt, muss auch für rückreisende Profimannschaften gelten. Insbesondere, wenn eine Mannschaft zurückkommt, die selbst einen aktiven Corona-Fall im Team gehabt hat."
Kritik an den Sonderregeln für den Profisport gibt es nicht nur von Freitag, sondern auch von anderen Politikerinnen und Politikern. Solche öffentlichen Äußerungen seien wichtig, so Freitag, "um deutlich zu machen, dass das eine gesellschaftspolitische Debatte ist". Denn während Ärzte und Pflegekräfte aktuell keinen dringend benötigten Kurzurlaub machen könnten, "finde ich es schwierig zu vermitteln, dass ein ganz kleiner Teil der Bevölkerung offensichtlich Rechte genießt, die mit dem, was für alle anderen gilt, nichts mehr zu tun haben". Freitag sei es wichtig, ihre Meinung zu sagen. Für den gesamten Sportausschuss könne sie aber nicht sprechen. "Letztlich habe ich nicht das Mandat, für den Sportausschuss eine Meinung im Kanzleramt zu hinterlegen." Und die Entscheidungen würden schließlich in der Runde der Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidenten fallen.
"Auch andere Sportarten nehmen das für sich in Anspruch"
Ein Problem sei auch, dass Entscheidungen gegen den Profisport schlichtweg unpopulär wären. "Es ist völlig unstrittig, dass der Fußball eine Sonderrolle für sich beansprucht. Das hat einen einfachen Grund: Der Fußball ist weltweit die beliebteste Sportart. Und da steht eine geballte Macht hinter, die offensichtlich auch weiß, sich entsprechend zu positionieren." Freitag betonte auch, dass das Hygienekonzept der Deutschen Fußball-Liga DFL ein gutes Hygienekonzept für die nationale Ebene sei. "Aber mittlerweile reden wir nicht mehr über nationale Ebenen, sondern es wird quer durch die Welt gereist. Und es ist nicht nur der Fußball. Auch andere Sportarten nehmen das für sich in Anspruch."
Dem Breitensport stoßen die Sonderregelung für den Profisport nicht sauer auf, glaubt Freitag. "Außerhalb vom Fußball gibt es Wechselwirkungen zwischen Breiten- und Profisport. Deshalb ist es wichtig, dass die Profiligen funktionieren", sagte sie. "Ich glaube, der Frust im Breitensport richtet sich eher in die Richtung, dass sie sagen: Wir haben doch auch durchdachte Hygienekonzepte." Sogar in Fitnessstudios hält Freitag einen Betrieb unter strengen Hygieneauflagen aktuell für möglich. "Denn eines ist auch klar: Die erzwungene Bewegungslosigkeit von Menschen, wird uns im gesundheitlichen Bereich noch ganz schwer zu schaffen machen."