Am Anfang hatte Rudi Völler gar keine Lust auf seinen neuen Job. Das hat der neue DFB-Sportdirektor bei seiner Vorstellung ziemlich offen zugegeben. Am Ende hat er sich doch überzeugen lassen, vor allem von den Mitgliedern der Task Force, die nach dem WM-Vorrunden-Aus gegründet wurde - und in der Völler selbst Mitglied war.
"Das war gar kein Prozess", erläuterte Hans-Joachim Watzke, der als DFL-Aufsichtsratvorsitzender Mitglied der Task Force ist. "Wir haben zusammengesessen und dann siehst du die Runde und dann habe ich spontan gesagt: Rudi, das wär doch was für dich!"
"Fußball ist ein System im System"
Eine Gruppe von sieben männlichen Funktionären hat also einen Kandidaten aus ihrer Mitte ausgewählt. Ein Prozedere, das der ehemalige Hockey-Bundestrainer und Ex-DFB-Berater Bernhard Peters kritisch beurteilt.
"Also Fußball ist immer ein System im System, und das hat sich wieder bewahrheitet. Ich glaube, es wird ein bisschen zu wenig über den Tellerrand geschaut. Und wenn man gewisse Veränderungen eingehen will, dann ist die Lösung nicht immer im System zu suchen."
Peters war selbst Anfang 2006 als Wunschkandidat vom damaligen Bundestrainer Jürgen Klinsmann für den Posten des DFB-Sportdirektors benannt worden, nachdem er als Trainer die Hockey-Männer zweimal zum Weltmeistertitel geführt hatte. Klinsmann konnte sich mit der Personalie aber nicht durchsetzen. Danach arbeitete Peters bei verschiedenen Bundesliga-Vereinen als Sportdirektor und Nachwuchskoordinator.
Völler keine Lösung für die Zukunft
Dass Völler die Nachfolge von Oliver Bierhoff übernimmt, hatte der DFB am Donnerstag bekanntgegeben. Aufgrund der nahenden Fußball-Europameisterschaft 2024, die in Deutschland stattfinden wird, habe es einer schnellen Lösung bedurft, sagte Peters. Völler sei aber keine Lösung für die Zukunft und niemand, der die langfristigen Probleme im DFB angehe werde.
Er sei aber womöglich genau der Richtige für das Projekt Heim-EM 2024, sagte Peters: "Als jemand der Stimmung umschwenken kann, der den Rücken der Jungs und des Trainers frei halten kann." Als langfristiger Reformer sieht sich Völler offenbar selbst nicht. Er hat ausgeschlossen, nach dem Turnier weiterzumachen.
Schwächen angehen, Veränderungen herbeiführen
Der DFB wolle mit der Personalie Völler Zeit gewinnen, sagte Peters. Dies sei aber nicht zielführend, um die dringend benötigten Veränderungen herbei zu führen. Man müsse die Schwächen, die der DFB durch mangelnde Führung aufgebaut habe, jetzt unbedingt angehen, forderte der Sportfunktionär.
Peters nahm vor allem DFB-Spitze in die Pflicht: "So ein Riesenverband braucht einen hochkompetenten, charismatischen Leader, der in der Sportkompetenz 'Fußball' als Geschäftsführer der ausgegliederten AG des DFB die Strukturen in der Trainerausbildung, Leistungsnachwuchssport, im Kinderbereich schärfen kann."
Zu starke Macht der Landesverbände
Ein Problem sah Peters zudem noch in der Macht der Landesverbände. Diese müsste man ein Stück weit entmachten, denn sonst sei der Föderalismus für den Nachwuchsleistungssport für die Zukunft nicht gewinnbringend.
Man habe aktuell zu große Energieverluste durch die vielen Leute, die auf allen Ebenen agieren wollen, sagte Peters. "In Deutschland zerreden wir einfach zu viele Dinge zeitlich zu lange und deswegen laufen wir der Musik hinterher."
Er habe keine Sorge um die aktuelle Nationalmannschaft, vielmehr müsse man sich Gedanken um die Veränderungsprozesse im Kinder- und Jugendfußball machen, sagte Peters.
Konkret bedeute dies Veränderungen im Training: "Gerade im Jugendbereich muss intensiver, härter, effizienter trainiert werden. Da muss mehr gefordert werden und weniger verwöhnt werden", forderte der Ex-Hockey-Bundestrainer.
Außerdem dürfe man nicht alle Spieler über "einen Kamm scheren", sondern müsse die Spieler individuell in ihren Positionen in all ihren Entwicklungsfaktoren bis in die Weltklasse helfen, analysierte Peters. "Das fehlt total."