Das Sportfördergesetz soll die Leistungssportförderung in Deutschland effizienter, unabhängiger und unkomplizierter machen. Und wieder zu mehr deutschen Medaillen führen, erhofft sich das Bundesinnenministerium. Das sieht aber nicht jeder so.
„Man muss sich da ehrlich machen: Das Sportfördergesetz alleine wird nicht im geringsten dazu führen, dass wir international mehr Medaillen bekommen“, sagt Alfons Hölzl, Präsident des Deutschen Turnerbunds.
Trotz der anklingenden Skepsis begrüßt der Funktionär, dass die Förderung des Sports zukünftig mit einem Gesetz geregelt wird. Das bringe mehr Verlässlichkeit. Auch seien viele Punkte mit drin, die er aus Sicht der Sportfachverbände wichtig findet und die schon seit Jahren gefordert werden: eine Entbürokratisierung und Flexibilisierung bei der Verwendung von Geldern, mehrjährige Verbandsförderung und damit mehr Planungssicherheit.
Spitzen- und Breitensport zusammen denken
Aber Hölzl fehlt die Definition des Leistungssports: „Man muss sich drauf verständigen, welchen Leistungssport, welchen Spitzensport wir wollen.“ Für ihn müssen Breitensport und Leistungssport verknüpft gedacht werden.
Eine breite Vielfalt sei wichtig und dass flexibel auf die Bedarfe der Sportarten eingegangen werden kann. „Und für mich persönlich sage ich, ist die Verankerung des Sports in der Gesellschaft ein ganz wesentlicher Rechtfertigungsgrund für die staatliche Förderung des Sports.“
Sportfördergesetz hat Luft nach oben
Insgesamt wird seit über zwei Jahren am Entwurf für das Sportfördergesetz gearbeitet, frühere Versionen sind zum Teil scharf vom DOSB kritisiert worden. Den jetzigen Entwurf dagegen begrüßt der Dachverband des deutschen Sports. Viele der eigenen Forderungen seien berücksichtigt worden.
„Gleichzeitig ist im Entwurf nicht alles Gold was glänzt. Die Bundesregierung nutzt weiterhin nicht alle Möglichkeiten zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung aus, die ihr zur Verfügung stünden", teilte der DOSB in einer Pressemitteilung nach dem Kabinettsbeschluss mit.
Man halte es für wichtig, sich auf feste Fördersummen verlassen zu können und Gelder flexibel über ein Jahr hinaus nutzen zu können. Man müsse attraktiv für eigene Top-Leute sein und es gebe auch Nachbesserungsbedarf bei der sozialen Absicherung von Trainern und Athleten.
Prekäre Existenz der Spitzensportler
Das sieht auch Athleten Deutschland so, die unabhängige Interessenvertretung deutscher Spitzensportler. „Das derzeitige Sportfördersystem ist nicht in der Lage, die Athletinnen und Athleten in der Breite ordentlich abzusichern“, sagt Maximilian Klein, stellvertretender Geschäftsführer von Athleten Deutschland.
Spitzensportler befänden sich zum Teil in prekären Lagen, finanziell, aber auch weil Versicherungsschutz, Mutterschutz und eine Altersvorsorge fehlten.
„Und es kann einfach nicht sein, dass Athletinnen und Athleten, die für Deutschland an den Start gehen, unter Existenzsorgen leiden müssen, gerade weil das in jungen Jahren hochfragile Hochrisiko-Karrieren sind mit hohen Kosten, mit hohen Entbehrungen verbunden. Und wir dann ganz klar sagen, die Erwartungen von Politik und Gesellschaft sind an die Athletinnen und Athleten sehr hoch. Und diesen Erwartungen muss dann eben ein Mindestmaß an materieller und sozialer Sicherung entgegengestellt werden.“
Athleten Deutschland sieht die Möglichkeit, diese Absicherung durch das Sportfördergesetz von einer bloßen Forderung und möglichen Regelungen zu einem im Gesetz verankerten Recht zu machen.
Forderung nach Tarifvertrag für Trainer
Die Chance, durch ein solches Gesetz Missstände im Sport zu beheben, sieht auch der Berufsverband der Trainer. Schon lange fordert der Verband einen Tarifvertrag für alle öffentlich geförderten Trainerstellen. Das BMI erkenne den Trainerberuf aber nicht als solchen an, kritisiert Holger Hasse vom Berufsverband:
„Sie vertreten dort die Position, dass der Trainerberuf nicht sozusagen mit normalem Arbeitsrecht zu vertreten sei, sondern das sei eine Art Managementberuf", so Holger Hasse noch vor dem Kabinettsbeschluss im Deutschlandfunk-Interview.
„Da muss ich sagen, ja: Wenn man das bei einem Bruttogehalt von Bundestrainerinnen und Bundestrainern von zwischen 38.000 und 50.000 sozusagen als Maßstab ansetzen will, muss man sagen: Der verdient nicht angemessen an den Stunden und an der Qualifikation und an der Verantwortung, die er hat, und hat noch nicht mal das Recht, nach dem Arbeitsrecht beurteilt zu werden. Dann leben wir wirklich in einer Welt, die nur abschreckend ist.“
Trainer im Sportfördergesetz kaum erwähnt
Im aktuellen Gesetzesentwurf werden Trainer kaum erwähnt. Es geht lediglich darum, dass Weiterbildungen gefördert werden können und es an den Bundesstützpunkten Zuwendungen geben kann. Der Berufsverband der Trainer fordert aber eine eigenständige Vertretung und zwar in der Spitzensport-Agentur. Diese unabhängige Stiftung soll mit dem Sportfördergesetz neu geschaffen werden. Sie soll mit der Verteilung der Fördermillionen das Kernstück der neuen Spitzensportförderung sein. Ihre Besetzung führt nicht nur bei den Trainern zu Kritik.
Auch die Athleten fühlen sich dort nicht angemessen vertreten, weil der DOSB entscheiden dürfe, wer in der Sportagentur die Athleten vertritt, so Maximilian Klein:
„Bei all diesen Entscheidungen geht es ja am Ende immer um die Athletinnen und Athleten und die Trainerinnen und Trainer, das sind die Leistungsträger im System, um die sich alles dreht. Und deshalb ist es so wichtig, dass diese beiden Gruppen eben unabhängig und aus eigener Souveränität heraus vertreten sind, dass ihre Perspektiven auch Eingang in die Entscheidungsfindung finden können.“
Zukunft des Sportfördergesetzes ungewiss
In der Stiftung sollen in zwei Gremien Vertreter aus dem DOSB und aus der Politik, konkret dem Bundestag, dem BMI und der Sportministerkonferenz, sitzen. Den Vorsitz sollen BMI und Bundestag festlegen. Ein Punkt, der für Alfons Hölzl vom Deutschen Turnerbund, die Unabhängigkeit der Agentur einschränkt: „Man muss sich überlegen, wer diese Person bestimmt. Ich denke, es müsste diese Person bestimmt werden vom BMI, aber auch von den Ländern und auch vom Sport.“
Professionell könne nur gearbeitet werden, wenn Entscheidungen sportfachlich getroffen werden, so Hölzl. Nach dem Ampel-Aus ist die Zukunft des Sportfördergesetzes erst mal ungewiss. Grundsätzlich gibt es aber parteiübergreifend Zustimmung für die Reform des Spitzensports. Manche Akteure im Sport sehen den politischen Neustart auch als Chance, ihre Positionen und Forderungen für weitere Verbesserungen einbringen zu können.