Sportpolitik
Was das neue Sportfördergesetz bedeutet

Die Ampelregierung hat – wenige Stunden vor ihrem Aus - den Entwurf für das Sportfördergesetz beschlossen. Es soll eine historische Chance für den Spitzensport in Deutschland sein. Wie es nach dem Koalitionsbruch mit dem Gesetz weitergeht, ist unklar.

Von Victoria Reith |
    Olympia, Paris 2024, ein Athlet steht mit zwei Goldmedaillen im Deutschen Haus.
    Bei den Olympischen Sommerspielen in Paris 2024 war die Medaillen-Ausbeute so niedrig wie noch nie seit der Wiedervereinigung. (picture alliance / dpa / Jan Woitas)
    Deutschland soll nach dem Willen der Politik wieder eine große Sportnation werden. Die Bundesregierung hat den Weg dafür bereitet und am Mittwoch den Entwurf zum Sportfördergesetz beschlossen. Über zwei Jahre wurde mit Vertretern aus dem Sport und der Politik an diesem Entwurf gearbeitet. Jetzt muss der Bundestag noch über das Gesetz abstimmen. Das könnte dem Gesetz nach dem Ende der Ampelkoalition Steine in den Weg legen.

    Worum geht es?

    Die Bundesregierung hat mit dem organisierten Sport in Deutschland an einem Gesetz gearbeitet, um die Spitzensportförderung zum ersten Mal in einem Gesetz festzuschreiben. 331 Millionen Euro sollen ab 2025 aus Steuergeldern für den Leistungssport ausgeschüttet werden. Letzt soll das Gesetz dazu führen, dass der deutsche Sport international wettbewerbsfähiger wird und wieder mehr Medaillen gewonnen werden. Im Mittelpunkt steht eine unabhängige Sportagentur für die Förderung "aus einer Hand".

    Was soll die Sportagentur leisten?

    Die Sportagentur soll wie eine Stiftung agieren, besetzt mit Vertretern aus dem Sport und der Politik. Sie soll Steuergelder verwalten, priorisieren und verteilen. Dabei soll sie Verbände und Athleten im Auge behalten, flexibel arbeiten, den bürokratischen Aufwand minimieren und damit den handelnden Personen im Sportsystem den Rücken freihalten. Geleitet werden soll sie von einem Vorstand. In den Gremien sollen Vertreter aus dem BMI, der Sportministerkonferenz und dem Bundestag sitzen, aber auch der DOSB kann Vertreter entsenden.
    Die Ansprüche an die geplante neue Instanz sind groß, umso heftiger wird um die Besetzung der Beiräte gestritten. Laut Gesetzentwurf werden im Stiftungsrat neun der 18 Beiräte vom Bund entsandt, davon fünf aus dem deutschen Bundestag und vier aus dem Bundesinnenministerium. Sechs Personen kommen aus dem DOSB, darunter ein Mitglied als Vertretung der Athletinnen und Athleten. Drei Mitglieder kommen von der Sportministerkonferenz der Länder.
    Diese 18 Personen sollen die "Leitplanken" definieren, innerhalb derer die Agentur den deutschen Sport lenken soll. Klar ist: Das letzte Wort bei Härtefällen im 18-köpfigen Stiftungsrat gehört dem Bund.
    Zusätzlich gibt es noch einen Sportfachbeirat als beratendes Gremium. Auch er hat 18 Sitze, allerdings werden diesmal neun an den Sport vergeben, sechs ans BMI und drei an die Sportministerkonferenz.

    Was sagen die Akteure?

    Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) begrüßt das Gesetz grundsätzlich, ist aber mit der Fassung, die am Mittwoch durch das Kabinett ging, nicht vollauf zufrieden. Der Verband erläutert in einer Stellungnahme: "Die Bundesregierung nutzt weiterhin nicht alle Möglichkeiten zur Flexibilisierung und Entbürokratisierung aus, die ihr zur Verfügung stünden." Unter anderem geht es dem DOSB um finanzielle Sicherheiten, der Bund dagegen will mit Blick auf den schwierigen Gesamthaushalt keine Garantien über mehrere Jahre geben.
    "Wir gehen aktuell nicht davon aus, dass der Haushalt 2025 in der nächsten Woche im Bundestag beschlossen wird. Eine vorläufige Haushaltsführung würde den Sport in verschiedenen Bereichen vor Herausforderungen stellen, wie beispielsweise bei der Vorbereitung der Athletinnen und Athleten für die Olympischen und Paralympischen Winterspiele in Mailand und Cortina 2026, oder bei den bundesgeförderten Projekten, zum Beispiel in den Bereichen Integration und Demokratieförderung, eine Herausforderung", teilte der DOSB am Freitag auf Deutschlandfunk-Anfrage mit.
    Weiter hieß es: "Ein politischer Neustart auf der Bundesebene bietet auch Chancen für den Sport. Im Wahlkampf und in nach dem Wahltermin stattfindenden Koalitionsverhandlungen wird der DOSB daher die zentralen Forderungen des Sports einbringen: Neben einer konsequenten Umsetzung der Neuaufstellung im Spitzensport ist angesichts der maroden Sportstätteninfrastruktur ein langfristiges Bundesförderprogramm dringend überfällig. Ebenso bedarf es einer Stärkung des Ehrenamts, damit Sportvereine ihre Angebote auch in Zukunft aufrecht erhalten können."
    Der Verein Athleten Deutschland fordert indessen mehr Mitsprache. Der stellvertretende Geschäftsführer des Vereins, Maximilian Klein, erklärte darüber hinaus, der Gesetzentwurf lege der eigenständigen Athletenvertretung in den Gremien der Spitzensportagentur Steine in den Weg. Er kritisiert, dass der DOSB das Entsendungsrecht der Athletenvertretung behält: „Damit wird nicht nur der formulierte Mehrheitswille der Athletenvertreterinnen und -vertreter ignoriert, sondern auch die bisherige Förderpraxis des Bundes zur Unterstützung unabhängiger Athletenvertretung in Form Athleten Deutschlands konterkariert“, so Klein. Außerdem fordert Athleten Deutschland, die Chance zu nutzen, um für Athleten und Athletinnen das Recht auf ein Mindestmaß an Absicherung und ausreichend Schutz gesetzlich zu verankern.
    Generell spricht der Verein von einer "Aufbruchstimmung" in der nationalen Sportpolitik und lobt den "authentischen" Reform- und Transformationswillen. Athleten Deutschland befürchtet jedoch, dass es mit dem Bruch der Koalition nun zu Verzögerungen kommen könnte: "Wir sind besorgt, dass diese Verhandlungsergebnisse nun gefährdet sein könnten oder sich deren Umsetzung deutlich verzögert. Gerade im Sinne der Athletinnen und Athleten, deren Karrieren kurz und fragil sind, ist es entscheidend, dass die vereinbarten Reformen konsequent und zügig umgesetzt werden. Insbesondere der Schutz der Athletinnen und Athleten vor Gewalt und Missbrauch darf jetzt auf keinen Fall der veränderten politischen Lage zum Opfer fallen."
    Der Berufsverband der Trainer/innen im deutschen Sport wirft dem BMI in einer Stellungnahme vor, "die Zeichen der Zeit weiter nicht erkannt" zu haben: Die Trainer würden weiter nicht entsprechend wertgeschätzt.
    Seit Jahren lehne das zuständige Ministerium es ab, über ein attraktives und transparentes Vergütungssystem zu verhandeln und die Einhaltung arbeitsrechtlicher Rahmenbedingungen als Fördervoraussetzung im Gesetz zu verankern. Neuerdings werde die ablehnende Haltung des BMI damit begründet, dass das Berufsbild des Trainers im Spitzensport nicht nach allgemeinen arbeitsrechtlichen Gesetzen und Vorschriften funktioniere. „Diese Rechtsauffassung ist skandalös“, betont der Berufsverband der Trainer/innen im deutschen Sport in einer Mitteilung.

    Wie geht es nach dem Ende der Ampelkoalition weiter?

    Eigentlich soll das Gesetz bis zum Sommer verabschiedet sein. Doch nun sorgt das Ende der Ampel für Verunsicherung. Denn Kanzler Scholz hat zwar angekündigt, in den kommenden Wochen auch mit der Opposition an Gesetzen arbeiten zu wollen, ob das allerdings den Sport betreffen wird, ist offen. Wahrscheinlicher ist, dass die Bereiche Wirtschaft, Finanzen und Sicherheit Vorrang haben.
    Auf Nachfrage der Deutschlandfunk-Sportredaktion hat das Bundesinnenministerium erklärt, dass das BMI nach dem Beschluss des Entwurfs durch das Kabinett nicht mehr zuständig sei. Der Gesetzentwurf liege jetzt beim Parlament.
    Mit Material von SID