Zukunft der Frauen-Bundesliga
Torhüterin Almuth Schult: "Große Chance, etwas Eigenes zu entwickeln"

Nach der Geburt ihres dritten Kindes ist Almuth Schult in den USA in den Profifußball zurückgekehrt. Im Dlf-Sportgespräch spricht sie über ihr Comeback und darüber, warum eine Gehaltsobergrenze den Frauenfußball attraktiver machen könnte.

Almuth Schult im Gespräch mit Maximilian Rieger |
    Almuth Schult steht am Pfosten und dirigiert die Mauer.
    Almuth Schult ist nach ihrer Babypause die neue Nummer eins bei Kansas City Current. (IMAGO / Imago Images / IMAGO / Eakin Howard)
    Almuth Schult ist sechsfache deutsche Meisterin, achtfache DFB-Pokalsiegerin, Champions-League-Siegerin, Europameisterin und Olympiasiegerin. Und sie ist dreifache Mutter. Im April 2020 brachte sie Zwillinge zur Welt. Im Sommer 2023 folgte das dritte Kind.
    Seit August spielt die 33-Jährige nun wieder auf höchstem Niveau Fußball und ist Stammtorhüterin bei Kansas City Current in der National Women's Soccer League (NWSL) in den USA. Und es läuft gut für Schult: Mit Kansas City ist sie bereits für die Playoffs um die Meisterschaft qualifiziert, auch dank ihrer starken Leistungen.
    Dass die ehemalige Keeperin des VfL Wolfsburg in den USA landet, war jedoch nicht immer der Plan. "Ich war nach der Geburt meines dritten Kindes auf der Suche nach einem Verein in Europa, weil wir nicht so weit weg von Zuhause sein wollten. Das hat sich schwierig gestaltet, weil man immer wieder Zweifel durchgehört hat, ob ich wieder auf mein altes Niveau komme", sagte Schult im Deutschlandfunk-Sportgespräch: "Das hat mich geärgert, weil ich es nach der ersten Schwangerschaft bewiesen hatte."

    "Sehr glücklich, dass wir hier sind"

    Also entschied sich Schult nach Rücksprache mit ihrer Familie für den Schritt in die USA. "Das hat alles gepasst, oder wir konnten es passend machen. Und wir sind mittlerweile sehr glücklich, dass wir hier sind. Die Kinder sind stolz, ihre Mutter spielen zu sehen. Ich bin froh, dass ich wieder auf höchstem Niveau spielen darf und der Verein mir vertraut."
    Schult hat es damit nun zum zweiten Mal geschafft, nach einer Schwangerschaft in den Profi-Sport zurückzukehren. Dieser Prozess sei jedoch für jede Frau individuell. "Es kommt darauf an, wie schnell man sich von der Geburt und von der Schwangerschaft regeneriert. Wenn man einen Schritt zu früh macht, macht man drei Schritte zurück", sagte sie.
    Schult selber habe drei Monate nach der Geburt wieder mit leichtem Training angefangen und dann die Belastung nach und nach gesteigert. "Dieses Mal war es anders, weil ich keinen Verein hinter mir hatte. Ich musste das Training selber gestalten und mir ein Team suchen, mit dem ich trainieren kann. Ich bin dem VfL Wolfsburg sehr dankbar, dass ich in der zweiten Mannschaft über Monate am Mannschaftstraining teilnehmen durfte."
    Beim Hamburger SV hat Schult dann in der 2. Bundesliga wieder ihre ersten Spiele absolviert. "Das waren alles so Schritte auf dem Weg zurück. Und jetzt habe ich hier bei Kansas City tatsächlich ein Jahr nach der Geburt des dritten Kindes wieder auf höchstem Niveau gespielt."

    Kinder geben Bodenständigkeit - auch den Mitspielerinnen

    Und nun auch ihre Kinder in ihrem Alltag dabei zu haben, genieße Schult "total", sagte sie: "Ich genieße es auch, wenn sie vor dem Spiel und nach dem Spiel direkt in der Kabine dabei sind. Das ist keine Form von Ablenkung, sondern für mich gehört es dazu. Da kommt es dann auch auf die Abstimmung mit dem Verein an, was überhaupt leistbar ist."
    Und auch mit den Mitspielerinnen müsse sie sich abstimmen, sagt Schult. Bei denen komme es aber gut an, wenn die Kinder bei der Mannschaft sind: "Ich habe von vielen Mitspielerinnen die Rückmeldung bekommen, dass sie es genießen, wenn die Kinder da sind, weil dann dieser unmenschliche Fokus abfällt, wenn man sieht, das Leben hält auch noch etwas anderes bereit. Und man kann sich dann auf das Spiel konzentrieren, aber abseits davon lachen. Und manchmal ist es genau dieses Kinderlachen, oder diese Kinderaugen, die einem dieses kleine bisschen Bodenständigkeit geben, das man braucht."
    Eine vereinseigene Kita oder Nanny gebe es in Kansas zwar nicht, sagte Schult, aber "vielleicht wird es irgendwann Usus. Ich könnte mir das sehr gut vorstellen, weil es glaube ich keine Mannschaft in der Liga gibt, wo keine Mutter spielt. Das ist schon sehr beeindruckend. Und daher merkt man auch, dass es Normalität ist. Also es verfällt niemand in der Organisation in Stress, weil Kinder da sind."

    Mutterschutz in Deutschland als Vor- und Nachteil

    Dazu sei im gewerkschaftlichen Vertrag der Liga geregelt, welche Ansprüche und Rechte Mütter haben. "Und das ist auch gut so und gibt einem als Mutter ein ruhiges Gefühl", sagte Schult. Daraus könnten auch deutsche Vereine lernen: "Zum einen vielleicht Regeln aufzustellen, die für alle Vereine gelten, um den Spielerinnen die Sicherheit zu geben. Auf der anderen Seite hat jede Arbeitnehmerin in Deutschland einen Mutterschutz. Das ist in vielen anderen Ländern nicht gegeben. Das ist gut."
    Das Problem sei aber, dass der Mutterschutz in Deutschland nicht auf Leistungssport ausgelegt sei: "In Deutschland würde es im Fußball in Richtung Beschäftigungsverbot gehen oder in Richtung Verbot, mit der Mannschaft zu trainieren", sagte Schult. In den USA sei diese Regel deutlich weicher. "Man könnte in Deutschland mit weniger Stunden beginnen. Aber was bringt das? Sobald man wieder bei Vollzeit ist, muss man ja auch spielfähig sein. Und das ist man definitiv nicht nach dem Ende des Mutterschutzes."
    Diese Wiedereingliederung müsse geregelt werden. "Da liegt auch Druck auf der Spielerin. Natürlich will ein Trainer eine Spielerin schnellstmöglich zurück. Und eine Spielerin möchte es auch schnellstmöglich. Aber in gewisser Weise muss sie auch geschützt werden. Und das ist etwas, was noch ausprobiert werden muss."

    Vereine der Frauen-Bundesliga bilden Projektgemeinschaft

    Gut möglich, dass in der Frauen-Bundesliga bald anderen Veränderungen anstehen. Die Vereine haben sich zu einer Projektgesellschaft zusammengeschlossen. Ziel dieser neuen Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) ist es, die Liga wettbewerbsfähig zu halten und zu professionalisieren und unabhängiger vom DFB zu vermarkten.
    Im Gespräch ist auch eine Ausgliederung der Liga, in etwa wie bei den Männern mit der DFL. Eine Entscheidung ist aber noch nicht gefallen. "Aber es wird zumindest einmal über den Tellerrand geschaut und geprüft, ob es Sinn macht", sagte Schult im Dlf. "Es ist das Ziel, dass sich die Liga und die einzelnen Mannschaften alleine tragen. Klar muss man da hinein investieren. Und ich denke, es ist auch wichtig, in den Vordergrund zu stellen, was den Frauenbereich des Fußballs so besonders macht gegenüber dem Männerbereich. Was ist einzigartig, was man fördern kann, was auch attraktiv ist für Sponsoren, für Investoren, für Medien. Von daher finde ich die Prüfung gut. Ich finde gut, dass sich Vereine daran beteiligen und bin gespannt auf das Ergebnis."

    "Große Chance, eigene Standards aufzustemmen"

    Im Players-Podcast des Deutschlandfunks mahnte Schult aber davor, eine Kopie der Männerliga entstehen zu lassen. Schult sieht darin aber nicht nur ein Risiko: "Natürlich kann das eine Gefahr sein. Auf der anderen Seite kann es auch eine sehr, sehr große Chance sein, etwas Eigenes zu entwickeln, seine eigenen Standards aufzustemmen. Momentan unterliegt die Liga den Standards des DFB, die durch die Männer aufgesetzt werden. Das heißt, es ist vorgeschrieben, bei wie vielen Zuschauern wie viele Ordner eingesetzt werden müssen, zum Beispiel. Und wenn man sich jetzt die Männer-Profispiele und dann die Frauen-Profispiele anguckt, ist da ein Riesenunterschied. Ich glaube, bei den Männern ist ein höherer Sicherheitsbedarf da als bei den Frauen."
    Solche Standards könnte man mit einer eigenen Liga mit eigenen Regularien mindern, sagte Schult. "Und ich spiele auch immer auf das Beispiel an, dass sich jetzt viele bei der Europameisterschaft der Männer im Sommer gefreut haben, dass es weniger Rudelbildung gab, weil nur noch der Kapitän mit dem Schiedsrichter auf dem Platz kommunizieren durfte. Diese Regel braucht es im Frauenbereich eigentlich gar nicht. Natürlich hat es schon einmal eine Rudelbildung gegeben, aber die ist so selten um vom Zeitaufwand deutlich geringer als bei den Männern. Deswegen muss man diese Regel gar nicht umsetzen. Und das zeichnet dann vielleicht auch die Identität des Frauenbereichs aus. Und vielleicht kann man das dann zu etwas attraktiven machen gegenüber dem Männerbereich."

    Schult hofft auf "eigene Identität" des Frauenfußballs

    Eine weitere große Frage ist die Frage der Geldverteilung. Bei den Männern ist es so, wer am meisten Erfolg hat, bekommt das meiste Geld - vor allem in die UEFA-Wettbewerben wie der Champions League oder der Europa League. Dadurch geht jedoch die finanzielle Schere zwischen den Clubs immer weiter auseinander – und letztlich leidet der Wettbewerb.
    Auf Frauen-Ebene werde das zumindest auf europäischem Level nicht anders sein, meinte Schult: "Auf der UEFA-Ebene entscheiden die gleichen Leute über diese Gelder wie bei den Männern. Es gibt keinen eigenen UEFA-Rat, der nur über den Frauen-Bereich entscheidet. Bis jetzt ist es in der Frauen-Bundesliga so, dass die TV-Gelder gleich verteilt werden an alle Mannschaften, sodass man nur als Champions-League-Teilnehmer den Vorteil hat, dass man noch europäisches Geld bekommt. Für mich ist das in gewisser Weise auch fair, weil man dann einen Mehraufwand hat. Es ist nur die Frage, wie groß die Spanne vom Ersten der Bundesliga bis zum Letzten ist."
    Schult hofft deshalb nicht, dass sich der Frauenbereich in die gleiche Richtung entwickelt wie der Männerbereich, "sondern dass es eine eigene Identität gibt, dass es einen besseren Wettbewerb gibt und dass man sich daran dann erfreuen kann."

    Gehaltsobergrenze als möglicher Ansatz

    Dazu müsse es eventuell auch andere Regelungen geben, sagte Schult - wie etwa eine Gehaltsobergrenze. "Wir sind im Frauenfußball noch weit von den Gehältern der Männer entfernt. Aber wenn man Außenstehende ist, fragt man sich vielleicht, warum ein Superstar 100 Millionen Euro im Jahr verdienen muss. Das ist schon eine utopische Zahl. Natürlich leistet man unheimlich viel, aber man hat dann selber noch eigene, oftmals private Sponsoren. Und da kommt eine Masse zusammen, bei der ich nicht weiß, ob das notwendig ist."
    Und die Gehälter sein nun einmal der größte Kostenpunkt für die Vereine: "Es wäre interessant zu wissen, ob auch die Entwicklung genauso weitergeht. Oder ob man dann einfach sagen kann: Gut, der Bedarf an Gehältern ist irgendwann gedeckelt. Und alles was darüber ist, könnten wir auch in Investitionen in andere Vereine oder in den Jugendfußball oder ähnliches geben."
    Im Frauenbereich gebe es noch die Chance, "die Entwicklung mitzugestalten. Und ich hoffe, dass es in gewisser Weise auch noch passiert", sagte Schult. Deswegen kann sich die 33-Jährige auch vorstellen, nach ihrer aktiven Karriere als Funktionärin zu arbeiten: "Ich habe schon häufig in meinem Leben versucht, mich zu engagieren für Dinge, die über den Sport hinausgehen, oder auch im Sport, um andere Bedingungen zu erreichen oder zu verbessern. Und das auch nicht nur für mich, sondern auch für andere."
    Ob es jedoch einmal so kommen wird, wisse Schult noch nicht. "Da spielen so viele Faktoren rein. Erst einmal müssen mich noch viele andere in dieser Position sehen. Als Funktionärin wird man normalerweise gewählt oder halt von der Geschäftsführung und Ähnlichem von einem Verein beauftragt. Aber wohin es geht, weiß ich überhaupt nicht", sagte sie. "Es werden sich Türen öffnen und entweder geht man halt hinein oder nicht. Aber ich bin bis jetzt sehr, sehr dankbar für meine Erlebnisse und bin gespannt darauf, was noch kommt."