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Sexuelle Gewalt
"Die Vereine alleine sind überfordert"

Zehn Jahre war Johannes-Wilhelm Rörig der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung. Jetzt gibt er sein Amt ab. Man sei auch im Jahr 2022 noch lange nicht so weit, wie er es sich zu Beginn seiner Amtszeit vorgestellt habe, sagte Rörig im Dlf. Die Schaffung von unabhängigen Anlaufstellen sei aber ein wichtiger Schritt.

Johannes Wilhelm Rörig im Gespräch mit Andrea Schültke |
Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs
Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (picture alliance/ dpa/ Britta Pedersen)
Nach zehn Jahren gibt der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, im Februar sein Amt ab. Über die Nachfolge in diesem Amt, angesiedelt beim Familienministerium, muss die neue Bundesregierung entscheiden. Das soll zeitnah erfolgen.
Seit Beginn seiner Amtszeit 2011 hat sich Rörig auch mit dem Thema sexualisierte Gewalt im Sport auseinandergesetzt: "Weil im Sport sehr, sehr viele Mädchen und junge Erwachsene anvertraut sind und es natürlich auch bekannt war, dass es im organisierten Sport, in Sportvereinen, in Leistungszentren, zu sexuellen Übergriffen, zu sexueller Gewalt gegen Kinder und Jugendliche kommt", sagte er im Deutschlandfunk-Sportgespräch.

"Die Vereine brauchen unbedingt Unterstützung"

"Ich schaue ja als Missbrauchsbeauftragter ganz genau darauf, ob der Schutz vor sexuellen Übergriffen und sexueller Gewalt in jeder Dusche, Umkleide und im Turnierbetrieb gewährleistet wird. Auch beim Einzeltraining oder in jedem Sommercamp. Und da sind wir leider heute im Jahr 2022 flächendeckend noch lange nicht so weit, wie ich mir das zu Beginn meiner Amtszeit vorgestellt habe", zeigte sich Rörig durchaus kritisch.
Dabei müsste man den Vereinen noch vielfältig mit Hilfsangeboten zur Hand gehen: "Die Vereine alleine sind überfordert", sagte Rörig. "Sie brauchen unbedingt Unterstützung. Unterstützung zum Beispiel von spezialisierten Fachberatungsstellen, die in der Lage sind, Präventionsmaßnahmen in einem Verein, egal ob der Verein klein ist oder ob es ein sehr großer Verein ist, zu implementieren und vor allen Dingen den Verein zu unterstützen, die notwendige Kommunikation mit den Eltern, mit den Kindern, mit den vielen Ehrenamtlichen hinzubekommen", führte er weiter fort.

"Wir brauchen diese Anlaufstellen"

Da es für Opfer immer schwierig sei, sich innerhalb der Sportstrukturen zu äußern, begrüßte er die Gründung eines unabhängigen "Zentrum für Safe Sport", welches es in Deutschland in Zukunft geben soll.
Im Sportgespräch zog Rörig auch Bilanz zum Thema Kinderschutz und dessen Aufarbeitung: "Wir haben Türen geöffnet. Wir sind auch einige Schritte gelaufen. Aber wir müssen jetzt noch viel stärker in die Köpfe der Funktionäre und die müssen selbst einen sehr viel stärkeren Handlungsdruck pro Schutz und für Aufarbeitung entwickeln. Das muss zum Qualitätsstandard eines wertebbasierten Sports werden", sagte er weiter.
Als dringendste Aufgabe für seine Nachfolge sieht Rörig, die Schaffung von unabhängigen Anlaufstellen für den Missbrauch im Sport: "Wir brauchen diese Anlaufstellen auch für den Breitensport und da wird sich eine ganze Agenda dran anknüpfen, so dass Missstände im Sport oder verweigerte Aufarbeitung auch dann tatsächlich analysiert und untersucht werden können."