Sportgespräch
Über die Macht großer Konzerne im Sport-Sponsoring

Ohne Sponsoren würde im Weltsport sehr viel Geld fehlen. Nun kehren aber drei japanische Top-Sponsoren dem Internationalen Olympischen Komitee den Rücken. Wirtschaftsethiker Christoph Lütge und Stephan Althoff vom Zusammenschluss "Sponsors' Voice" beleuchten im Dlf-Sportgespräch Motive und Machtverschiebungen im Sport-Sponsoring.

Stephan Althoff und Christoph Lütge im Gespräch mit Julian Tilders |
Akio Toyoda, CEO von Toyota, und IOC-Präsident Thomas Bach bei der Vorstellung des Sponsorings von Toyota im März 2015.
Akio Toyoda, CEO von Toyota, und IOC-Präsident Thomas Bach bei der Vorstellung des Sponsorings von Toyota im März 2015. (imago / AFLOSPORT / imago sportfotodienst)
Es bewegt sich was im Sport-Sponsoring: Autobauer Toyota, Reifenhersteller Bridgestone und Elektronik-Gigant Panasonic beenden ihre langjährige Zusammenarbeit mit dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC). Die drei Unternehmen aus Japan haben ihren Rückzug bekanntgegeben. Damit fallen drei der bisherigen 15 Top-Sponsoren weg, die das IOC laut Nachrichtenagentur AP im letzten vierjährigen Olympia-Zyklus gemeinsam mit zwei Milliarden US-Dollar unterstützt haben. Alleine Toyotas Anteil soll bei über 800 Millionen US-Dollar liegen.

Wirtschaftsethiker Lütge: Rückzug japanischer Firmen hat "neue Qualität"

Stephan Althoff, Vorstandsvorsitzender bei "S20 - The Sponsors' Voice", einem Zusammenschluss der 20 größten Sport-Sponsoren in Deutschland, sieht den Rückzug der japanischen Firmen in einer neuen Unternehmenspolitik und -ausrichtung begründet.
Der Leiter Sponsoring bei der Deutschen Telekom betonte im Deutschlandfunk-Sportgespräch: "Insofern würde ich es auch nicht überbewerten, dass dort jetzt drei japanische Unternehmen rausgegangen sind. Das IOC hat noch eine ganze Menge anderer Sponsoren." Toyota hatte kritisiert, es gebe eine "zunehmende Politisierung" beim IOC. Althoff widersprach: "Olympische Spiele sind immer politisch gewesen."
Christoph Lütge, Wirtschaftsethiker an der TU München, fügte allerdings mit Blick auf den Rückzug der japanischen Unternehmen hinzu: "Ich würde schon sagen, dass es hier eine neue Qualität ist, denn es geht hier um die Entscheidung von Unternehmen. Unternehmen, die über Jahrzehnte lang das IOC mit hohen Beträgen unterstützt haben, die ziehen sich plötzlich zurück."
Man könne zumindest aus der Stellungnahme von Toyota "herauslesen, worum es geht: Dass die Politisierung und insbesondere auch das Thema Diversity dem Konzern offenbar nicht gefallen hat". Man müsse zur Kenntnis nehmen, "dass ein Unternehmen wie Toyota offenbar der Meinung ist: Das ist nicht gut für unser Image". Es gebe auch Umfragen in den USA dazu, die bestätigten, dass bei Themen wie Diversity "manches zu weit getrieben" worden sei. So gebe es eine Debatte um das Startrecht von Transfrauen im Frauensport.

Mehr Sponsoren aus dem Osten, weniger aus Europa

Themen, die nicht überall auf der Welt oben auf der Agenda stehen. Stephan Althoff, Vorstandsvorsitzender des Zusammenschlusses der größten deutschen Sport-Sponsoren, wies im Zuge dessen auch auf eine Machtverschiebung hin: "Die europäischen Sponsoren engagieren sich bei diesen Großveranstaltungen zunehmend weniger. Wir haben im Gegenzug dann viele neue Sponsoren, die insbesondere aus China, aber auch aus dem Mittleren Osten kommen. Und die haben wiederum zu diesen 'Woke'-Themen beispielsweise möglicherweise auch eine ganz andere Auffassung als wir Europäer." In Deutschland etwa spiele Diversity momentan eine größere Rolle.
Wirtschaftsethiker Christoph Lütge ergänzte: "Beim Thema Nachhaltigkeit gibt es noch große Überschneidungen in vielen Bereichen. Aber Diversity, 'Woke' und so weiter – da haben gerade auch viele Großsponsoren aus dem arabischen Raum unterschiedliche Auffassungen. Oder jetzt geht es um Japan. Ich bin selbst häufig in Japan und das Thema ist für die mindestens von untergeordneter Bedeutung – oder sie empfinden es sogar problematisch für die Reputation."
Lütge bilanzierte, es gebe in der Unternehmenswelt Anzeichen dafür, "dass es hier ein gewisses verändertes Bewusstsein gibt. Ob man das bedauert oder nicht, ist eine andere Frage. Aber als Unternehmen muss man sich dieser Sache stellen und auch als IOC."

Zielkonflikt: IOC zwischen Ethik-Forderungen und Abhängigkeit

Das IOC befindet sich damit in einem Spannungsfeld: Auf der einen Seite gibt es Forderungen, Sportverbände sollten sich selbst ethische Standards bei Sponsoren-Deals auferlegen, andererseits ist auch das IOC auf große Unternehmen als Unterstützer angewiesen. Ein Zielkonflikt?
Wirtschaftsethiker Lütge unterstrich: "Man macht es sich zu einfach, wenn man sagt: Mit diesen Ländern, China, Katar, können wir nicht zusammenarbeiten." Es habe sich auch in Saudi-Arabien (designierter Gastgeber der Fußball-WM 2034), das wegen seiner Menschenrechtslage und der Todesstrafe etwa von Amnesty International scharf kritisiert wird, in den letzten zehn Jahren "manches getan". Lütge fuhr fort: "Dieser Aktivismus, der manchmal an den Tag gelegt wird – da hätte man nur noch eine Handvoll Großsponsoren, mit denen man zusammenarbeiten könnte. Und ich weiß nicht, ob das dem Sport letztlich nützen würde. Man sollte genau hinsehen, aber darf auch nicht alles pauschal verdammen."

S20-Vorstand: Sponsoren könnten "Strukturen aufbrechen"

Stephan Althoff, bei der Deutschen Telekom für Sport-Sponsoring zuständig, beobachtet die Entwicklungen im Weltsport, der von seinen Großevents lebt, jedenfalls aufmerksam: "Ich glaube, dass das Plattformen sind, die für internationale Konzerne sehr interessant sind." Allerdings bemängelte er teils "sehr verkrustete Strukturen" bei Sportverbänden wie dem IOC oder dem Fußball-Weltverband (FIFA), die mit demokratischen Bedingungen "relativ wenig bis gar nichts zu tun haben".
Es sei laut Althoff auch eine Aufgabe der Sponsoren, "diese Strukturen aufzubrechen und einfach nach vorne zu entwickeln in Strukturen, die zeitgemäß sind. Das schafft eine FIFA und auch ein IOC aus sich heraus nicht". Wirtschaftsethiker Christoph Lütge schloss an: "Vielleicht kann hier ein gewisser Druck entstehen, wenn Sponsoren feststellen, wenn noch mehr aus anderen Ländern hinzukommen, die sagen, das ist für uns nicht mehr attraktiv."