Sport und Diplomatie
Welche Rolle der Sport in der Weltpolitik spielt

Der Sport kann Menschen zusammenbringen, sind sich Ex-Turnerin Kim Bui, Kanu-Weltverbandspräsident Thomas Konietzko und Christoph Heusgen von der Münchner Sicherheitskonferenz einig. Der Sport dürfe nicht für politische Zwecke "missbraucht" werden.

Kim Bui, Thomas Konietzko und Christoph Heusgen im Gespräch mit Matthias Friebe |
Putin und Infantino geben sich herzlich die Hände.
Der russische Präsident Wladimir Putin und FIFA-Chef-Gianni Infantino verbanden sich für die Weltmeisterschaft 2018 (imago images / ITAR-TASS / Mikhail Metzel, via www.imago-images.de)
Das Internationale Olympische Komitee hat die Empfehlung ausgesprochen, Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus als neutrale Athleten zu den Olympischen Spielen 2024 in Paris zuzulassen. Mannschaften dürfen nicht antreten. Auch die Nationalhymnen, nationale Symbole und Fahnen sind den Sportlerinnen und Sportlern verboten.
Die ehemalige Turnerin Kim Bui hat sich am Tag vor der Entscheidung des IOC auf der Podiumsdiskussion "Doppelpass mit Diktatoren? - Sport im Einsatz von Politik und Diplomatie" im Deutschen Fußballmuseum ebenfalls für eine Teilnahme russischer und belarussischer Sportlerinnen und Sportler ausgesprochen: "Ich finde es schwierig zu sagen, man hat einen russischen Pass und wird deshalb ausgeschlossen. Weil ich glaube auch, dass es unter den Leuten, die einen russischen Pass haben, auch Leute gibt, die das Regime nicht unterstützen, sich aber nicht frei äußern können."

Heusgen: "Man muss schauen, wofür der Sport steht"

Christoph Heusgen, Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, sagte, es sei wichtig, die völkerverbindende Kraft des Sports zu erhalten: "Ich finde es schade, wenn man aufgrund dieser Barrieren, die es durch das staatliche Handeln gibt, als ganz normale Menschen im Sport nicht mehr aufeinander trifft. Also man muss schauen, wofür der Sport steht und wie man das zusammenbringen kann." Dass aber ein ukrainischer Sportler nicht gegen einen russischen Sportler antreten möchte, der etwa Teil der Armee ist, könne er aber nachvollziehen, sagte Heusgen.
Sport dürfe nicht genutzt werden, um Propaganda zu betreiben, sagte Thomas Konietzko, Präsident des Internationalen Kanu-Verbandes. "Das gilt natürlich zuallererst für Diktatoren. Ich möchte nicht, dass Russland die Bühne des Sports nutzt, um für das Regime Propaganda zu betreiben. Aber nicht einseitig. Die Aktion mit der Binde unserer Fußball-Nationalmannschaft war ja auf einer anderen Ebene auch nichts anderes, als die Kraft des Sports für politische Botschaften zu nutzen." Gerade weil der Sport die Kraft habe, solche Botschaften klar zu verbreiten, dürfe diese Bühne nicht für Propaganda-Zwecke zur Verfügung gestellt werden, so Konietzko.
07.12.2023 Dortmund City - Deutsches Fussballmuseum - Doppelpass mit Diktatoren - Talkrunde im DFM - Copyright Stephan Schuetze
Die Teilnehmer des Sportgesprächs: Kim Bui, zugeschaltete ehemalige Weltklasse-Turnerin, Thomas Konietzko, Präsident des Kanu-Weltverbandes, Dr. Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und Moderator Matthias Friebe. (Stephan Schütze / Deutsches Fußballmuseum)

Olympischer Frieden "keine Folklore"

Dass das Thema Olympische Spiele sogar auf der Vollversammlung der Vereinten Nationen besprochen wird, zeige wie wichtig das Thema ist, sagte Heusgen. Von den UN wird rund um die Olympischen Spiele eine Resolution zum sogenannten "Olympischen Frieden" verabschiedet - eine Art Waffenstillstand unmittelbar vor, während und nach den Spielen. "Das ist keine Folkore", sagte Heusgen. "Das ist das Bemühen, durch Instrumente wie den Sport, dieser katastrophale Lage, in der wir in der Welt derzeit sind, irgendwas entgegenzusetzen. Und da ist der Sport auch etwas, was versucht, die Welt zusammenzuhalten."
Für den Sport sei das IOC "die richtige Organisation", sagte Konietzko. "Ob die Leute, die dort aktuell die Verantwortung tragen, die richtigen sind, kann ich nicht beurteilen. Ich bin mit denen sehr zufrieden. Trotz aller Schwierigkeiten haben sie es geschafft, in einer immer komplizierter werdenden Welt, den Laden zusammenzuhalten und weiter zu sichern, dass Sport die Bühne für alle ist."

Bui kritisiert negative Haltung zwischen den Spielen

Während der Olympischen Spiele, seien dann auch alle sportbegeistert, sagte Bui. Sie kritisierte aber die negative Haltung und Berichterstattung über Olympische Spiele und das IOC zwischen den Spielen. "Da fragt man sich dann schon: Was ist das? Wollen wir Sport oder wollen wir ihn nicht? Sind wir sportbegeistert, sind wir nicht sportbegeistert? Das finde ich immer ein bisschen schade?"
Ein Thema rund um etwa die Fußball-WM in Katar 2022, die Olympischen Winterspiele in China im selben Jahr, oder die sehr wahrscheinliche Fußball-WM in Saudi-Arabien 2034, ist Sportswashing. Das bedeutet, dass Regime internationale Sport-Veranstaltungen im eigenen Land nutzen, um durch Hochglanz-Bilder ihr Image in der Welt zu verbessern.
Das müsse verhindert werden, sagte Welt-Kanuverbands-Präsident Konietzko. "Was immer auch ein Balance-Akt ist, weil natürlich die momentanen Kandidaten, die arabischen Staaten oder China, nichts umsonst machen und alles mit einem politischen Zweck verbinden. Manchmal gewinnen wir und manchmal merken wir, dass wir las Sport doch missbraucht werden. Grundsätzlich versuchen wir, dieser Problematik im Moment noch aus dem Weg zu gehen."
Die Teilnehmer stehen im Fußballmuseum in einer Reihe und lächeln in die Kamera.
Alle Teilnehmer des Diskussionsabends zu Sport und Diplomatie (von links nach rechts): Journalist Robert Kempe, Kanuweltverbandschef Thomas Konietzko, Dr. Klaus Berding, Geschäftsführer des Fußballmuseums, Martin van der Pütten von der Stadt Dortmund, Dr. Christoph Heusgen, Chef der Münchner Sicherheitskonferenz und Moderator Matthias Friebe (Stephan Schütze / Deutsches Fußballmuseum)

Heusgen hofft bei EM 2024 auf neues Sommermärchen

Die Fußball-Europameisterschaft im kommenden Jahr findet nun in Deutschland statt. Christoph Heusgen verbindet damit vor allem eine Hoffnung auf ein neues Sommermärchen: "Ich glaube, wir sollten versuchen, wieder so eine Stimmung hinzu bekommen, wie wir sie 2006 hatten. Wir haben so viele Krisen: Wir hatten Covid, wir haben jetzt die Kriege. Irgendwie hat man das Gefühl, wir sind alle so ein bisschen depressiv. Und es wäre doch wunderbar, wenn wir in Deutschland das hinbekommen könnten: so eine Aufbruchstimmung noch einmal. Dass wir sagen, die Europameisterschaft - wir freuen uns da drauf."