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Menschenrechte im Sport
Michalski: "IOC-Präsident Thomas Bach müsste zurücktreten"

Die FIFA oder das IOC hätten mit der Vergabe von Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen an autoritäre Staaten ihre Glaubwürdigkeit verloren, meint Wenzel Michalski von Human Rights Watch. Auch FDP-Menschenrechtspolitiker Peter Heidt fordert im Sportgespräch tiefgreifende Reformen - und droht deutschen Verbänden.

Wenzel Michalski und Peter Heidt im Gespräch mit Maximilian Rieger |
IOC-Präsident Thomas Bach
IOC-Präsident Thomas Bach (picture alliance/ASSOCIATED PRESS/Hiroto Sekiguchi)
Die Olympischen Spiele in China könnten eine "Kraft fürs Gute" sein. Diese Ansicht hat der damalige IOC-Präsident Jacques Rogge vor den Sommerspielen 2008 in Peking vertreten. "Das klingt nach Hohn, denn das Gegenteil war der Fall", meint 14 Jahre später Wenzel Michalski, Chef von Human Rights Watch Deutschland.
Die Menschenrechtslage habe sich in dem Land seit den Sommerspielen deutlich verschlechtert. Als Beispiel nennt er die Unterdrückung der Menschen in Hongkong und das Lagersystem für muslimische Minderheiten. "Gerade China ist eigentlich das Beispiel dafür, dass Sport nichts Gutes bewirkt hat", so Michalski im Dlf-Sportgespräch.

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Das sieht auch der FDP-Menschenrechtspolitiker Peter Heidt so. "Es ist ein völliger Mythos zu glauben, durch Großveranstaltungen würden in diesen Ländern die Menschenrechte verbessert werden", sagt der Bundestagsabgeordnete.

"Eigentlich müssten wir diese Winterspiele komplett boykottieren"

Die Menschenrechtsverletzungen in China hätten eine Qualität, die es in dieser Form in den vergangenen 30 Jahren nicht gegeben habe. "Es ist mich für ein Wahnsinn, in China jetzt diese Winterspiele durchzuführen. Ich weiß, die Sportler bereiten sich darauf vor. Aber eigentlich müssten wir diese Winterspiele komplett boykottieren."

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Die Chance für einen kompletten Boykott hätte man allerdings vor zwei Jahren, als die Unterdrückung der Uiguren bekannt geworden ist, verpasst. "Wir alle müssen uns da an die eigene Nase fassen. Ich hoffe, dass wir wenigstens noch den politischen Boykott hinbekommen", so der FDP-Politiker. Er arbeite an einem entsprechenden Antrag, es sei aber in der Ampelkoalition nicht ganz so leicht, die richtige Formulierung zu finden.

"Ich denke, dass 2022 eine Wasserscheide ist"

Auch Human Rights Watch hätte nichts gegen einen kompletten Boykott der Spiele gehabt, so Michalski. Diesen zu fordern, sei aber nicht innerhalb des Mandats als Menschenrechtsorganisation. "Aber es nicht zu fordern, tut auch schon ein bisschen weh", so der Menschenrechtsaktivist. Es könne auch gut sein, dass die Menschenrechtsorganisation ihre Meinung ändere, wenn das IOC oder die FIFA-Sportveranstaltungen weiter an autokratische Regime vergeben.
Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland
Wenzel Michalski, Direktor von Human Rights Watch Deutschland (imago/jürgen heinrich)
"Der Punkt, dass diese Verbände ihre Glaubwürdigkeit verloren haben, ist überschritten, dass kann ich ganz eindeutig sagen", so Michalski. "Ich denke, dass 2022 eine Wasserscheide ist, an der sich zeigen wird, ob diese großen Weltverbände noch Sinn machen oder ob sie sich obsolet gemacht haben."
Die Funktionäre hätten die Zeichen der Zeit nicht erkannt. "Wenn selbst die Wirtschaft jetzt schon fordert, die Menschenrechtsverletzungen in Xinjiang auch von Unternehmerseite anzuprangern, dann spätestens muss einem Herrn Bach und den anderen klar sein, dass ihre Zeit gekommen ist. Und die müssen zurücktreten und einer neuen Generation von menschenrechtsbewussten Funktionären das Feld überlassen", meint Michalski. "Die Macht der Sportverbände muss jetzt eigentlich gebrochen werden, denn sie haben gezeigt, dass sie nur unverantwortlich und geldgierig handeln."

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Auch Peter Heidt sieht das Sportjahr 2022 mit den Olympischen Spielen in China und der Fußball-WM in Katar als möglichen Wendepunkt. Er hofft, dass sich eine Allianz aus Sportlern, Politik, Menschenrechtsorganisationen und Wirtschaftsverbänden bildet, die Druck auf die internationalen Sportverbände ausübt.

"Wir müssen die Daumenschrauben bei denen ansetzen"

"Es ist ja nicht gottgegeben, dass die Spiele nur vom IOC veranstaltet werden müssen. Es ist nicht gottgegeben, dass die FIFA allein seligmachend ist, was den Fußball angeht." Den Verbänden müsse klar gemacht werden, dass wenn sie nicht änderten, Sportveranstaltung anders organisiert werden könnten.
Das gelte auch für deutsche Verbände wir dem DOSB und dem DFB. "Wir müssen die Daumenschrauben bei denen ansetzen", so Heidt. Er habe die beiden Verbände zum Beispiel angeschrieben, um zu erfahren, wie die Sportlerinnen und Sportler vor den Ereignissen über die Lage vor Ort geschult werden und ob in den Hotels Menschenrechte eingehalten wurden. Heidt und Michalski erwarten zudem, dass die Verbände Sportler schützen, wenn diese sich vor Ort kritisch äußern.

2022 als Jahr des Umdenkens

Beide sind außerdem der Ansicht, dass das für Sport zuständige Bundesinnenministerium von den deutschen Verbänden eindeutige Verhaltensregeln verlangen muss. "Ich glaube, dass wir von unseren Sportverbänden wie auch von den Wirtschaftsunternehmen Good Governance verlangen müssen", so Heidt. Verbände, die diese Regeln einhalten, sollten weiterhin Steuergeld bekommen. "Und die Nationalverbände, die das eben nicht machen, denen werden wir die Förderung kürzen, mit einer gewissen Androhung."
Dies sei einer Hebel, über die Politik Einfluss nehmen könnte. Darüber hinaus arbeite man an einem europäischen Lieferketten-Gesetz, dass auch für Sportverbände gelten sollte.
"Wir werden auf das Jahr 2022 zurückblicken und es als den Beginn eines veränderten Bewusstseins, was Sport bedeutet, in Erinnerung haben", glaubt Heidt. Auch Michalski hofft, dass 2022 das Jahr ist, "dass das große Umdenken beschleunigt hat und wir dann in den nächsten Jahrzehnten eine wirklich menschenrechtsgeleitete Vergabe der Spiele haben."