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9. Sportkonferenz im Deutschlandfunk
Der langsame Kulturwandel in den Sportredaktionen

"Raus aus der Abseitsfalle" - auf der Dlf-Sportkonferenz sprachen Sportjournalistinnen über Anfeindungen im Netz, aber auch Misstrauen in den eigenen Redaktionen. Der Wandel hin zu mehr Diversität in der Sportberichterstattung geht auch aus Sicht von Sportlerinnen nur langsam voran.

Von Olivia Gerstenberger, Sabine Lerche, Christina Höwelhans, Christian Mixa, Chaled Nahar |
    Podiumsdiskussion bei der 9. Sportkonferenz im Deutschlandfunk
    Raus aus der Abseitsfalle - die 9. Sportkonferenz im Deutschlandfunk stellte Frauen in der Sportberichterstattung in den Fokus (Jessica Sturmberg / Deutschlandfunk)
    Sabine Töpperwien kommentierte 1989 als erste Frau ein Spiel der Fußball-Bundesliga live in der ARD-Hörfunkkonferenz. Seitdem habe sich einiges getan, aber der Sportjournalismus sei noch weit von wirklicher Gleichberechtigung entfernt, sagte Jona Teichmann, Deutschlandradio-Programmdirektorin am Donnerstagabend (18.11.2021) zur Eröffnung der 9. Sportkonferenz im Deutschlandfunk.
    "Raus aus der Abseitsfalle! - Frauen in der Sportberichterstattung" lautete der Titel der Veranstaltung der Deutschlandfunk-Sportredaktion. ZDF-Reporterin Claudia Neumann wies allerdings gleich zu Beginn darauf hin, dass es nicht die Sportjournalistinnen seien, die im Abseits stünden, sondern "ein kleiner, aber lauter Kreis in der Gesellschaft, die Ewiggestrigen."
    Die Sportkonferenz im Detail:

    1. Teil: Frauen in den Sportmedien: "Das Rad lässt sich definitiv nicht mehr zurückdrehen"
    2. Teil: Frauen im Sport: "In den Köpfen ist gar nicht drin, dass eine Frau eine Männer-Bundestrainerin sein kann"

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    "Social-Media-Fasten" nach Einsätzen am Mikrofon

    Seit Neumann bei der Fußball-EM 2016 Spiele live für das ZDF kommentierte, hat sie es mit Herabwürdigungen, Unverschämtheiten und Hass zu tun. Für die Journalistin ein Schlüsselerlebnis und ein Grund, warum sie nicht in den sozialen Medien aktiv sei, anders als manche ihrer Kolleginnen: Sportschau-Reporterin Stephanie Baczyk erzählte in der anschließenden Podiumsdiskussion, dass sie sich im Anschluss an ihre Einsätze inzwischen "Social Media-Fasten" auferlegt hat. "Aus Selbstschutz. Weil ich erfahren habe, dass es eine riesige Wucht entfalten kann."
    Problematischer als anonyme Hatespeech im Netz sei aber unberechtigte Kritik aus dem Kollegenkreis, wie mehrere der anwesenden Journalistinnen berichteten. Vor allem in älter besetzten Redaktionen komme es immer noch häufig vor, eine Frau genauer unter die Lupe zu nehmen, so RTL-Reporterin Anna Kraft. In jüngeren, ohnehin oft gemischteren Redaktionen, sei das kein Thema mehr, meinte ZDF-Reporterin Neumann.

    Neumann: "Quote in Redaktionen kann Türen öffnen"

    Die Journalistin Bianka Schreiber-Rietig kritisierte dennoch die fehlende Offenheit in den Sportredaktionen, gerade in den Führungsetagen. Deshalb befürworteten die eingeladenen Journalistinnen auch eine Quote. "Wenn man sich als Redaktion eine Quote auferlegt, dann öffnet das Türen", sagte ZDF-Reporterin Neumann. Die Quote allein reiche aber nicht aus, um mehr Geschlechtergerechtigkeit zu erreichen. Dazu brauche es ein schlüssiges, nachhaltiges Konzept, so Neumann. "Das sehe ich im Moment nicht."

    Stereotypen und Marginalisierung in der Sportberichterstattung

    Die fehlende Diversität in den Redaktionen spiegelt sich in der Sportberichterstattung wieder, betonte Sportsoziologin Ilse Hartmann-Tews im Anschluss. Die Berichterstattung über Sportlerinnen sei nach wie vor von Stereotypen und Marginalisierung geprägt. Der Anteil der Sportberichterstattung, der Frauen in Szene setzt, liege weiter nur bei rund zehn Prozent.
    Außerdem werde inhaltlich anders über Frauen berichtet, so Hartmann-Tews: "Die sportliche Leistung steht weitaus weniger im Mittelpunkt, vor allem bei der Visualisierung. Sportlerinnen werden weniger häufig als Aktive gezeigt, eher am Rand oder im Privaten." Es sei deshalb auch eine zentrale Aufgabe des Sportjournalismus, Frauen sichtbarer zu machen.

    Frauen nach wie vor unterrepräsentiert - in Führungsgremien und bei der sportlichen Verantwortung

    Auch im organisierten Sport seien Frauen nach wie vor unterrepräsentiert, vor allem in Führungsgremien und Spitzenpositionen der Verbände. Männer besitzen Positionen mit größerem Steuerungspotenzial und hätten auch deshalb nach wie vor mehr Macht, so Hartmann-Tews.
    Dies setzt sich auch auf der Ebene der sportlich Verantwortlichen fort, auch dies wirkt sich auf die Ausgewogenheit in der Sportberichterstattung aus, wie Saskia Aleythe von der Süddeutschen Zeitung hervorhob. "Nur acht Prozent der deutschen Trainerinnen und Trainer, die in Tokio dabei waren, waren Frauen. Ich würde gerne mit einer Schwimmbundestrainerin reden, oder mit einer Biathlonbundestrainerin. Aber wenn die nicht da ist, habe ich ein Problem."