Alexander Apeikin ist Manager des belarussischen Handball-Erstligisten Vityaz Minsk. Vor ein paar Tagen musste er sein Land verlassen. Es wurde zu gefährlich für ihn, denn Apeikin ist Mitinitiator eines offenen Briefes, der bisher von über 350 Vertretern des belarussischen Sports unterschrieben wurde. Darunter Trainer, Betreuer sowie Athletinnen und Athleten. Sie fordern Neuwahlen und die Freilassung aller bei den Protesten Festgenommenen. Die ARD-Sportschau konnte mit Apeikin sprechen.
"Ich denke, das ist ein ganz gutes Zeichen für Belarus und für die belarussischen Leute, weil so viele Sportler und Vertreter des Sports haben ihre Solidarität, ihre Position so offen geäußert. Und die Leute haben gezeigt, dass sie mit der Gesellschaft, mit dem Volk, sind und dass sie gegen die Diktatur auftreten. Es ist sehr symbolisch, weil sehr viele Sportler wurden vom Staat unterstützt. Und sie haben dennoch diese Entscheidung getroffen, haben sich direkt gegen Lukaschenko - gegen sein Regime - ausgesprochen."
Der Sport in Belarus bezieht jetzt Stellung. Unterzeichnet haben den Brief auch Topsportler. Wie die Leichtathletin Maryna Arsamassawa, die 2015 Weltmeisterin über 800 Meter wurde. Oder die Schwimmerin Aljaksandra Herassimenja, dreimal gewann sie bei Olympischen Spielen eine Medaille. Auch die amtierende Europameisterin über 100 Meter Hürden, Elwira Herman, unterschrieb den Brief:
"Das, was ich gemacht habe, ist doch das Mindeste im Vergleich dazu, was alle in unserem Land gerade machen. Alle sind große Helden, angefangen von den einfachen Arbeitern bis zu den Unternehmern. Ich bin schockiert und habe nie gedacht, dass sowas in meinem Land passieren kann. Das hat mich dazu gebracht, den Brief zu unterschreiben und von da an meine Meinung zu den Ereignissen im Land zu äußern."
Auch Sportler berichten von Misshandlungen im Gefängnis
Wie Herman positionieren sich jetzt immer mehr Athleten gegen Alexander Lukaschenko, der auch Präsident des Nationalen Olympischen Komitees und damit höchster Sportfunktionär des Landes ist. Längst sind sie Teil der belarussischen Proteste, die seit den massiven Hinweisen auf Betrug bei den Präsidentschaftswahlen Anfang August das Land bewegen. Und sie richten sich auch gegen das brutale Vorgehen der Sicherheitskräfte gegen Protestierende. Immer mehr Menschen berichten in Belarus von Misshandlungen, regelmäßigen Prügel und Folter in den Gefängnissen.
Einer von ihnen ist Sergej Podalinski. Der Futsal-Nationalspieler erzählt in der Sportschau, was er im Gefängnis erlebte: "Die erste Nacht habe ich auf den Knien verbracht. Die haben uns in eine Zelle gesperrt und abgeladen wie Nutztiere. Als die uns reingeführt haben, haben sie jeden von uns geschlagen, beleidigt, bedroht. Als wir angekommen sind, waren da schon etwa 150 Gefangene. Die knieten mit dem Gesicht zur Wand. Wir wurden auch so aufgestellt. Und die Aufseher - keine Ahnung wer die genau waren, wir durften ja die Köpfe nicht heben - die sind immer wieder durchgegangen und haben uns geschlagen: 'Kopf hoch! Kopf runter! Rücken gerade! Hände hinter den Kopf! Hände hinter den Rücken!' Ununterbrochen wurden wir geschlagen."
Athleten werden unter Druck gesetzt
Auch Podalinski gehört zu den Unterzeichnern. Und denen drohen nun Konsequenzen. Denn der Sport ist von Lukaschenko abhängig. Die Athleten sind meist bei Institutionen des Staates angestellt. Der Sport, betont Handballmanager Alexander Apeikin, sei ein Machtinstrument Lukaschenkos:
"Sehr viele Sportler haben die finanzielle Unterstützung verloren. Manche Sportler wurden aus der Nationalmannschaft ausgeschlossen und so. Und der Druck bleibt bis jetzt. Ich weiß, dass viele Leute, die ihre Unterschriften gegeben haben, jetzt gefordert sind, ihre Unterschrift zurückzunehmen. Und jetzt wird ihnen gedroht."
Währenddessen schweigt die internationale Sportwelt
Gut 20 Unterzeichnern des Briefs wurde bereits gekündigt. Lukaschenko will sein Sportsystem säubern: Es soll auf Linie gebracht werden.
Der internationale Sport gibt sich derweilen weiter schweigsam. Das Regime Lukaschenkos sieht das offenkundig als Ermutigung. So erklärte Roman Golowtschenko, Premierminister von Belarus, unter der Woche, dass man weiter aktiv die Eishockey-WM im nächsten Jahr vorbereite.